Problem von Anonym - 20 Jahre

Ich komme daheim nicht mehr klar.

Ich hoffe ihr könnt mir helfen. Alles fing im Teenageralter an. Meine Mutter schrie mich an, beleidigte mich. Es gab auch mal positive Phasen, da verstanden wir uns gut. Ich durfte früher nie einen Freund haben, weil die Schule an erster Stelle stand. Ich war nie schlecht in der Schule. Als ich das erste Mal meinen Freund mit nach hause nahm, da war ich 16. Meine Mutter hat Stress ohne Ende gemacht und hat ihn am Ende sogar rausgeschmissen.. Meinen nächsten Freund hatte ich mit 18, mit dem war sie auch nicht einverstanden. Nach 2 Monaten war mit ihm auch schluss. Er kam mit der ganzen Situation nicht klar und stand nicht wirklich hinter mir. Mittlerweile bin ich 20 und wohne in der Wohnung über meinen Eltern. Ausziehen kommt für mich nicht in Frage weil ich noch in der Ausbildung bin und somit nicht viel Geld zum Leben habe. Heute war es wieder ganz schlimm zu Hause. Ich ging zu meinen Eltern Frühstücken, da kam meine Mutter und schrie wieder sofort los. Ich wäre ein dummes Kind, mit mir kann man nichts anfangen und seitdem ich meine beste Freundin habe, läuft alles schief. (Ich kenne sie seit 3 Jahren). Meine beste Freundin tut alles. Wenn meine Mutter was braucht, springt sie sofort und ist gut genug aber meine Mutter meint sie ist keine gute Freundin für mich. Vor 2 jahren war ich im krankenhaus. Meine Mutter wollte mich nicht alleine besuchen, weil sie die Strecke nicht allein fahren konnte. Meine beste Freundin hat sich jeden Tag frei genommen, damit sie mit meiner Mutter zu mir fahren kann. Heute fragte sie mich, ob ich überhauot an Männern interessiert bin, weil ich noch nie ein richtigen festen Freund hatte. Ich sagte zu ihr, wenn ich einen nach Hause bringe, dann schmeißt sie ihn eh wieder raus. Daraufhin meinte sie, es kommt drauf an, WEN ich nach hause bringe. Es soll nur ein Deutscher sein und wenn ich einen Ausländer nach Hause bringe, kann dieser wieder gehen. Ich finde das so Rassistisch und es ist doch meine Sache, wen ich liebe und mit wem ich meine Zukunft verbringen will. Sie meinte, SIE darf mitreden... Momentan versuche ich noch abzunehmen, weil ich etwas Fülliger bin. Sie beleidigte mich heute als dick. Sowas verletzt mich doch.. ich weiß dass ich dick bin und etwas dagegen tun möchte, aber wenn man so eine Motivation bekommt, kann das doch nicht gehen. Als Mutter sollte man doch seine Tochter bei allem unterstützen. Ich glaube sie merkt gar nicht, wie viele Wunden sie bei mir hinterlässt. Reden kann ich mit ihr auch nicht. Ich habe mich schon x Mal mit ihr hingesetzt und immer bin ICH das problem. Ich bin diejenige die immer mit dem Stress anfängt und dann schreit sie auch schon wieder los. Könnt ihr mir Tipps geben was ich noch machen kann? Über eine Antwort würde ich mich riesig freuen..

Marco Anwort von Marco

Liebe Unbekannte,

vielen lieben Dank für Deine Zuschrift. Ich merke Dir deutlich an, dass Du unter der Situation, wie Deine Mutter mit Dir umgeht, leidest. Ich bin wie Du auch erst 20 Jahre alt und weiß deshalb, dass der Umgang mit den eigenen Eltern nicht immer einfach ist. Aber ich weiß auch: Man hat nur einen Papa und eine Mama, und die sind durch keinen anderen Menschen zu ersetzen! Ich möchte versuchen heute eine Antwort für Dich zu schreiben, wie sich Euer Verhältnis vielleicht wieder etwas entspannen könnte.

Zu allererst sei Dir gesagt: Jeder Mensch ist anders und verhält sich anders. Warum sich manche Menschen so und andere so verhalten, kann man als Außenstehender oft nicht sagen. Ich frage mich selber oft, warum ein Mitmensch von mir jetzt gerade so handelt und nicht anders, so wie ich es zum Beispiel gemächt hätte. Aber er ist eben nicht ich und handelt deshalb so wie er es will oder am Besten findet. Damit will ich sagen: Deine Mutter ist ein Mensch mit eigenem Charakter und eigenen Eigenschaften. Warum sie Dich so behandelt, liegt wahrscheinlich an ihrer Art bzw. von ihren früheren Lebenserfahrungen. Das heißt: Nicht DU bist das Problem, nicht DU bist der Grund warum sie sich so verhält, sondern im Prinzip Deine Mutter selbst. Doch auch hier muss man sehr vorsichtig sein. Ein Beispiel dazu: Was kann ein schüchternes Mädchen dafür, dass sie schüchtern ist, oder was kann ein aggressiver Junge dafür, dass er so aggressiv ist? Eigentlich nichts, oder? Entweder es ist "angeboren" oder man hat sich dies im Laufe seines Lebens durch gewisse (negative und positive) Erfahrungen und Erlebnisse angeeignet. Und oftmals kann man diese Erfahrungen und Erlebnisse nicht verhindern. (Ein Großteil spielt dabei auch die Erziehung durch die eigenen Eltern.) Das bedeutet also, dass sich Deine Mutter eigentlich gar nicht so "blöd" gegenüber Dir verhalten will, sondern sie es im Prinzip einfach nicht anders kann, welchen Grund auch immer das haben mag! Aber sie liebt Dich als ihre Tochter über alles! Das darfst Du nie vergessen. Die Liebe ist vorhanden, nur leider zeigt sie Dir das nicht. Und das ist natürlich sehr schade.

Ich denke, wenn Du das im Hinterkopf hast, ist Dein Problem zwar noch nicht beseitigt, aber vielleicht kannst Du die Sache etwas entspannter sehen, da Du die "Hintergründe" kennst.

Liebe Unbekannte, einen Menschen verändern zu wollen, ist nicht einfach, da dazu dieser Mensch (in Deinem Fall Deine Mutter) eben einverstanden bzw. überzeugt sein muss. Und genau das ist jetzt Deine Aufgabe: Sie zu überzeugen!

Du schreibst, reden würde nichts bringen. Wie wäre es dann mit schreiben? Schreibe ihr doch mal einen Brief, was Dich bedrückt und verletzt, aber betone auch, dass Du sie als Deine Mutter lieb hast. Denn das hast Du doch, oder? Ein Brief kann oft mehr erreichen als ein bloßes Gespräch: Er bleibt länger im Gedächtnis, man kann ihn mehrmals durchlesen, es kommt erstmal nicht zum Streit und keiner schreit los (was bei einem Gespräch ja sehr schnell passieren kann), man kann sich in Ruhe Gedanken darüber machen, und man merkt, dass sich der andere auch Zeit genommen und sich Mühe gegeben hat. Also habe den Mut und traue Dich einen solchen Brief zu verfassen und ihn dann z. B. einfach mal in ihre Taschen zu stecken. Ich denke, das wird Deine Mutter sehr wertschätzen.

Sowohl bei einem erneuten Gespräch als auch beim Brief ist es immer wichtig auch die postiven Seiten des Gegenübers aufzuzeigen und nicht nur "anzuklagen". Das gilt natürlich für Dich und Deine Mutter gleichermaßen. Mache Deiner Mutter klar, dass Du Dein eigenes Leben hast, das Du meistern musst, und zwar so wie Du es für richtig hälst. Sage (oder schreibe) Deiner Mutter, dass sie Dich bestens erzogen hat, bedanke Dich dafür und sage in den Zusammenhang gleich: "Weil Du mich so toll erzogen hast, bin ich jetzt bereit für mein eigenes Leben die Verantwortung zu übernehmen. Du, liebe Mama, hast mich darauf vorbereitet, dafür danke ich Dir von Herzen. Nun bin ich durch Deine Hilfe erwachsen geworden und werde selbst für mich sorgen. Und auch wenn Du meine Mama bist: Ich weiß dennoch was am Besten für mich ist!" So hast Du Deiner Mutter sowohl gezeigt, dass sie für Dich in Deiner Kindheit und Jugendzeit gesorgt hat, als auch dass Du genau deshalb jetzt bereit bist Dein eigenes Leben zu führen. Probiere es doch mal aus, vielleicht überzeugt das ja Deine Mutter.

Denn es ist so: Was für einen Freund und auch Freundinnen Du haben willst, ist ganz und gar Deine Sache. Klar, die eigene Mutter hat immer das Recht, ihre Meinung dazu zu sagen (und evtl. auch vor vermeintlich "falschen Freunden" zu warnen), aber bestimmen darf sie für Dich nicht. Das musst Du schon selber tun. Und außerdem hat Deine Mutter zwar schon mehr Lebenserfahrung, aber ob Du einen Deutschen oder Ausländer liebst, kannst nur Du wissen, das hat mit Lebenserfahrung recht wenig zu tun, eher mit persönlichen Vorlieben und Gefühlen. Und Deine Vorlieben und Gefühle kennst Du selbst schließlich am Besten. Es ist Dein Leben! Es sind Deine Entscheidungen! Lass Dich von niemandem unter Druck setzen! Das gilt übrigens genauso beim Abnehmen: Es ist DEIN Gewicht und nicht das Deiner Mutter, also musst Du auch damit leben. Deine Mutter hat auch hier das Recht höflich zu fragen, ob Du nicht vielleicht etwas abnehmen willst, aber DU musst dann entscheiden, ob Du es auch versuchen willst oder nicht. Bleibe Dir treu und lass blöde Sprüche einfach links liegen - so gut es eben geht.

Liebe Unbekannte, es gibt jetzt zwei Möglichkeiten, wie Du Dich in der ganzen Situation wieder besser fühlst: Entweder Du brichst den Kontakt zu Deiner Mutter weitgehendst ab oder Du verstärkst den Kontakt noch mehr. Ich empfehle Dir ganz klar Variante 2! Und nur wenn das Ganze Dich komplett fertig macht und Du psychische Störungen deswegen zu befürchten hast, wäre eventuell Möglichkeit 1 in Betracht zu ziehen. Aber der Fairness halber gehe ich kurz auf beide Möglichkeiten ein:

1. KONTAKT WEITGEHENDST ABBRECHEN:
Du hast eine eigene Wohnung, zwar im Haus Deiner Eltern, aber trotzdem hast Du Dein eigenes Reich, wo Du im Prinzip tun und lassen kannst, was Du willst. Ich denke, Du kannst diese Wohnung ja auch abschließen, sodass niemand rein kann, oder? Dann kannst Du hier für Dich sein, ohne dass Deine Mutter "nervt". Und wieso gehst Du zum Frühstücken eigentlich nach unten und machst das nicht in Deiner eigenen Wohnung? Da wäre keine nervende Mutter, die gleich wieder losschreit ...

2. KONTAKT VERSTÄRKEN:
OK, ich gebe zu, ich weiß warum Du zum Frühstücken nach unten gehst: Weil Du gerne zu Deiner Familie gehst, sie lieb hast, und nicht immer alleine sein möchtest. Und sicherlich will auch Deine Familie weiterhin den Kontakt zu Dir erhalten. Schon unter diesen beiden Aspekten gesehen, ist Möglichkeit 1 für mich keine echte Alternative zu Möglichkeit 2: Den Kontakt zu vestärken. Ich denke, Du siehst das genauso, oder? Natürlich musst Du nicht dauernd bei Deinen Eltern rumhängen, aber wenn sie bzw. Deine Mutter merken, dass Du gerne bei ihnen bist, gerne etwas mit ihnen unternimmst und sie Dir wichtig sind, werden sie Dir auch etwas von Deiner "gezeigten" Liebe zurückgeben und ihre Tochter wieder neu wertschätzen lernen, denn das eigene Kind kann ihren Eltern immer noch das schönste Glück der Welt geben, dicht gefolgt natürlich vom Ehepartner. Also, ich denke wenn Du den ersten Schritt (und vielleicht auch noch ein paar weitere Schritte dazu) machst, den Kontakt und Eure Beziehung zueinander vestärken zu wollen, wird auch Deine Mutter irgendwann anfangen, einen kleinen Schritt nach vorne zu gehen, und dieser Schritt wird dann mit der Zeit auch immer größer werden bzw. weitere Schritte werden folgen. Und DEIN erster Schritt, liebe Unbekannte, könnte zum Beispiel der oben erwähnte Brief sein!
Und immer gilt: Sowohl in einer Liebesbeziehung zwischen Mann und Frau als auch bei einer Mutter-Tochter-Beziehung gilt: Man unternimmt mit dem anderen gerne etwas, aber man gibt sich auch seine Freiheiten, wo jeder selbst machen kann, was er will. (Ich denke bei einer Mutter-Tochter-Beziehung sollten diese Freiheiten größer sein als bei einer Liebesbeziehung.) Ich denke, das musst Du, aber vor allem auch Deine Mutter lernen und annehmen.

So, ich hoffe meine Antwort war verständlich und hat Dir weitergeholfen, sodass Du nun neuen Mut schöpfen kannst, dass sich Euer Verhältnis wieder "bessert". Aber Du brauchst auf jeden Fall Geduld, also sei nicht gleich enttäuscht, wenn sich erstmal gar nichts oder nur sehr wenig verändert. Denn wie ich schon anfangs geschrieben habe: Ein Mensch kann sich durch Lebenserfahrungen verändern. Und Du musst Deiner Mutter jetzt eine "neue" Lebenserfahrung geben, damit sie sich verändern kann und ihrer Tochter, die sie liebt, auch diese Liebe zeigen kann. Aber das braucht Zeit.

Ich wünsche Dir alles Gute für Deine Zukunft und in der nächsten Zeit viel Kraft. Ich denke, die wirst du brauchen. Und denke immer daran: Das Leben hat so viele Seiten, schöne wie weniger schöne. Und wenn man das Leben genießen will, sollte man vor allem auf die schönen Seiten blicken! Ich hoffe für Dich, dass auch Du viele schöne Seiten in Deinem Leben spüren darfst.

Viele liebe Grüße

Marco