Problem von Maria - 25 Jahre

Träume von Heimsuchungen

Hallo!

Mein "Problem" ist morgen wahrscheinlich schon wieder für mich vergessen, aber gerade heute und jetzt ist es eben doch sehr stark spürbar - wie es meistens ist mit schlechten Träumen.

Heute Nacht wurde ich im Traum von einem "Geist" oder "Schatten" oder was auch immer heimgesucht und natürlich auch verfolgt. Ich habe diese Schwere in mir, diese Panik vor diesem Wesen extrem wahrgenommen, habe daraufhin natürlich nicht sehr erholsam geschlafen. bin immer wieder wach geworden und als ich dann die Augen aufschlug, fühlte ich mich, als wären sie gar nicht verschlossen gewesen, als wäre ich wirklich heimgesucht worden.

Ich habe bereits nach einer Traumdeutung im Internet gesucht, konnte aber irgendwie keine richtige Deutung finden, die auf mich zutrifft. Ich habe in letzter Zeit (und das ist auch gut so!) keinen wichtigen Menschen in meinem Leben verloren, bin eigentlich ganz zufrieden mit mir und meinem Leben, habe keine Horrorfilme geguckt oder Horrorshocker gespielt!

Dieser "Schatten" machte mir im Traum allerdings bewusst, dass ich irgendwas angestellt habe, er schüttete ein Glas Sekt über mich - wie in Filmen, wenn Männer sich plump an Frauen ranmachen und diese dann ihr Glas über den Mann schütten. So machte es dieser "Geist" bei mir. Und ich entschuldigte mich vorher schon bei ihm. Obwohl ich nicht wusste, warum. Ich war mir irgendeiner Schuld bewusst, aber mein "Waches Ich" weiß nicht, worum es geht. Sehr seltsam ist das...

Als ich dann wieder "klar" war, war mir sofort bewusst, dass ich öfter von solchen "Heimsuchungen" träumte und mir diese "Schatten" nicht neu waren im Traum. Sie waren sehr vertraut, dieser "Schatten" war nicht neu.

Ich bin beim Befragen des Internets dann auf "Karabasan" getroffen, darüber dann auf eure Seite. Kann aber glücklicherweise sagen, dass es sowas nicht ist.

PaulG Anwort von PaulG

Liebe Maria,

was Träume bedeuten und woher sie kommen, lässt sich nie mit letzter Sicherheit sagen. Wenn du selbst der Meinung bist, dass die Herkunft und der Sinn dieses Traumes für dich nur im Augenblick relevant, und morgen vielleicht nicht mehr wichtig sind - dann ist das beruhigend. Trotzdem ist es wahr, dass Träume aufwühlend sein können, und irgendeine Inspiration im "wachen" Leben haben sie wohl immer. Auch, wenn diese sich nicht jedes Mal entschlüsseln lässt.

Die Benennung deines Traumes als "Heimsuchung", weil du schon öfter diesen oder einen ähnlichen Traum hattest, geht bereits sehr weit. Legen wir die Fakten auf den Tisch: Du hast mehrfach intensiv geträumt, und dabei hat sich das Motiv wiederholt, das du beschrieben hast. Was kann jetzt weiter passieren? Entweder, der Traum kommt nicht wieder, oder nur in Bruchstücken, und bleibt Episode. Dann hat sich dein Problem quasi von selbst erledigt. Oder aber, der Traum kehrt erneut zurück. Dann wird dir vielleicht nach und nach aufgehen, was es bedeuten könnte. Auch ich kann darüber nur mutmaßen.

Unter dem Wort "Karabasan" - ich habe selbst ein wenig recherchiert - werden wohl zwei verschiedene Dinge verstanden. (Mir war nicht bewusst, dass wir im Kuka schon Anfragen zu diesem Thema hatten.) "Karabasan" ist wohl zum einen ein Fremdwort für Schlaflähmung. Davon spricht man - sofern ich das richtig verstanden habe - wenn im Zuge des Träumens eine Art von Starre eintritt; diese endet meist mit dem Erwachen, und kann auch durch Berührung sofort unterbrochen werden. Man träumt, spürt jedoch zugleich seinen eigenen Körper, wie er im Bett liegt, und kann sich nicht rühren. Dazu kommt es gelegentlich vor, dass der Starrzustand über das Erwachen hinaus andauert. In einigen Fällen erlebt man diesen als außerkörperlich, also fühlt sich vom eigenen Körper, der daliegt, isoliert. Das klingt jetzt ziemlich unheimlich, und da du es bereits nachgelesen hast, muss ich es dir nicht mehr sagen. Ich schreibe es nur deshalb so ausführlich hin, weil wir hier auch Mitleser haben - und solche Erlebnisse, heißt es, können auch ohne zugrunde liegende Erkrankung auftreten, und sind gar nicht mal so selten. Dies also ist die eine Bedeutung des Wortes. Die zweite ist der sprichwörtliche Nachtalb, auf türkisch heißt das wohl "Karabasan". Nachtalbe oder Nachtmahre, oder wie man sie nennt, gibt es ja eigentlich nicht. Es ist ein volkstümliches Bild für einen Albtraum, der einen Menschen schlecht schlafen lässt und plagt. Früher hat man diese eben mit bösen Geistern in Verbindung gebracht. Diese Vorstellung ist für dich vielleicht am ehesten passend, weil du dich von diesem Traumbild des Schattens oder Geistes "heimgesucht" und verfolgt fühlst. Jetzt ist die zentrale Frage: Ängstigt es dich? Möchtest du dir Hilfe holen? Oder kannst du hinnehmen, dass es Träume sind, die ihre Inspiration womöglich aus tieferen Schichten deiner Seele beziehen, ansonsten jedoch harmlos sind?

Deine Möglichkeiten sind die folgenden: Entweder, du versuchst, das Ganze mit einer gewissen Neugier zu betrachten - dass es irgendetwas gibt, das dich, bewusst oder unbewusst, beschäftigt, dir vielleicht Angst macht, liegt nahe. Oder du überlegst, wer dir sonst noch Aufschluss bieten könnte, was das zu bedeuten hat. Du hast unangenehme, eindringliche Erlebnisse im Traum: Das muss nicht heißen, dass dein Leben im Allgemeinen schlecht verliefe. Irgendwo gibt es immer unbewältigte Baustellen, offene Fragen, Wünsche und Befürchtungen, die einem selbst noch aufgehen müssen. Ein Weg, wie das geschehen kann, sind Träume. Ich könnte mir beispielsweise vorstellen, dass der Geist oder Schatten tatsächlich auf irgendeine Unsicherheit, vielleicht auch in Beziehungsfragen, hinweist. Du bist hin- und hergerissen zwischen dem Aspekt, dass diese Gestalt unverschämt auftritt, und deinem Schuldbewusstsein ihr gegenüber? Ein ungelöster Streit, er mag Jahre zurück liegen? Eine unter Schmerzen zu Ende gegangene Beziehung, die noch lange in dir gearbeitet hatte? Am Rande die Frage, was aus ihm geworden sein mag? Ob er es dir noch nachträgt? Gab es irgendein ungutes Erlebnis mit einem Bekannten, das du vielleicht so stark vergessen wolltest, dass du es nahezu hast? Wie gesagt, dass alles sind nur Überlegungen. Beispiele für mögliche Inspirationsquellen dieser Träume, die wohl in beinahe jedem Leben vorhanden sind. Was es tatsächlich ist - und ob darin ein, wie auch immer beschaffener, Hinweis oder Ratschlag für dich versteckt ist - das kann ich dir nicht sagen. Frei machen solltest du dich jedoch von der Idee, dir würde im Traum eine verdrängte oder unbewusste Schuld zugetragen, ein Fehler vorgeworfen, eine Strafe angekündigt. Das ist sicher nicht der Fall. Wenn überhaupt, ist der Traum ein Symptom für irgendetwas, das dir unangenehm oder unrecht ist - auf kommendes Unheil hinweisen tut er nicht.

Träume haben nicht nur Menschen, sondern auch Tiere. Träume sind ein sehr tierisches Element an uns. Was den Menschen besonders macht, ist unter Anderem seine Fähigkeit, Dinge in seiner Umgebung unterschiedlich und individuell zu gewichten. Unsere Ahnen in grauer Vorzeit, die noch sehr primitiv lebten, hoben sich genau dadurch von ihrer Umgebung ab: Sie konnten unterscheiden, dass nicht jedes Knacken und Sausen mit einem Raubtier zu tun hat. Sie konnten ein Gewitter beobachten oder einen Felssturz, ohne sich verschreckt zu verkriechen. Sie konnten auf die Jagd gehen, ohne erst stundenlang zu wittern, ob die Luft rein ist. Und nach vollbrachter Tat wollten sie nicht erst die Beute verschlingen, sondern fanden noch Zeit, einen Sonnenuntergang zu sehen. Kurzum: Das Tier unterscheidet sich auch darin vom Menschen, das es gern überall und ständig eine Gefahr vermutet, dass jedes Geräusch und jede Erscheinung sogleich bewertet und darauf reagiert werden muss. Sie können keine Prioritäten setzen, zumindest nicht so wie wir. Ihr Überlebenstrieb gibt ihnen ein, auf jede Reizung und jeden Eindruck gleich einzugehen, und möglichst jedem noch so winzigen und entfernten Vorgang erstmal Misstrauen entgegen zu setzen. Warum? Weil sie es sich nicht leisten können, unachtsam zu sein. Ihre Umwelt ist voller Bedrohungen, die Zahl der Eindrücke, die auf sie einstürmen, ungleich größer, die Schnelligkeit und Heftigkeit ihrer Gefühle, ihrer Angst, ihrer Panik, ihrer Lust und Eile, ebenso. Die menschliche Kultur beginnt dort, wo wir erkannten, dass vieles geschieht, das überhaupt nicht mit uns zu tun hat. Wir sind nicht der erste und wichtigste Leckerbissen am Platz, die Natur lässt uns Zeit, sie zu beobachten. Wir müssen nicht immer fliehen und scheuen; wir können ausloten, wo Gefahr droht, und wann auf keinen Fall, können uns mit Kenntnissen sicher bewegen, und nach dem Erlebten vielleicht ein Bild an die Höhlenwand malen.

Weshalb erzähle ich dir das alles? Weil man davon ausgeht, dass Träume auch ein Überbleibsel der Zeit sind, als uns diese Fähigkeit noch nicht gegeben war. Wie oft erleben wir in unseren Träumen zufällige Gesten und Worte als bedrohlich, über die wir tagsüber lachen? Wieso fürchten wir uns vor Ecken und Winkeln und Räumen, die wir kennen wie unsere Westentasche? Wieso spüren wir so häufig eine namenlose Bedrohung hinter uns, um uns, von jemandem? Wieso meinen wir im Traum so oft zu wissen, was am Horizont erscheint, was um die Ecke biegt, was ein Laut bedeutet? Das ist deshalb so, weil unsere Träume uns in eine Welt versetzen, die seit unvorstellbaren Zeiten nicht mehr die unsere ist. Wir erleben den Traum mit tierischen Sinnen. Hunde und Katzen fürchten sich vor Staubsaugern, weil sie nicht wissen, dass das Fauchen und Röhren nichts mit ihnen zu tun hat. Wären wir der Meinung, diese Laute könnten nur von einem Feind stammen, der uns - genau uns! - ans Leben will, wir reagierten nicht anders. Ich könnte mir denken, dass auch dein Traum letztlich nur aus einer ganz kleinen Ungereimtheit entstand, die noch nachwirkt, durch die im Traum veränderte Bewertung jedoch ins Unermessliche überhöht wird. Häufig, das stimmt ja, bilden Träume ganz reale, uns wohl bewusste Ängste und Probleme aus unserem Leben ab; häufig aber tauchen auch kleine und kleinste, versteckte Motive und Zeichen auf, die wir nicht einordnen können. Es ist dies die Summe unserer großen und kleinen Ungewissheiten, unserer nicht erklärten Bilder und halbherzig ignorierten Begegnungen, kurzum: Dein Traum versammelt Dinge, die du vielleicht gar nicht ergründen kannst - und steigert sie, je mehr du täglich darüber nachdenkst. Was immer es also sein mag: Angst haben musst du sicherlich nicht.

Alles Gute und Liebe Grüße,

Paul