Problem von Phin - 17 Jahre

Menschenhasser?

Ich hab seit langer Zeit das Problem, sobald ich in Menschenmengen von ca. 30 Leuten komme, fühle ich mich sehr unwoh. Ich hasse es auch, wenn ich einkaufen gehe und viele Menschen so gedrengt an der Schlange stehe.
Mir wird meist immer übel. Neulich war ich mit meiner Klasse in einem Freizeitpark, natürlich haben wir auch an gestanden. Aber je mehr Leute dazu kamen, ging es mir schlechter. Wir standen immer enger beieinander. Es passierte was passieren musste, ich habe mich dort direkt über geben.
Ein Lehrer fragte mich ob ich vielleicht ein Misanthrop sei. Ich bin mir wirklich nicht sicher. Da ich zwar kein sonderlich sozialer Mensch bin. Das liegt aber eher daran, dass sich alle in meinen Alter, die in der Nähe leben, sich aufführen wie in einem schlechten Drama.
Ich bin mir echt unsicher und meine Eltern fragen, ist auch sehr unangenehm.

PaulG Anwort von PaulG

Liebe Phin,

also, ich finde den Begriff "Misanthrop" oder auch "Menschenhasser" nicht ganz treffend für das, was du beschreibst. Wenn ich dich richtig verstanden habe, besteht dein Problem nicht darin, dass du von anderen Menschen nichts wissen willst, oder einen Hass auf die Menschheit hegst. Vielmehr setzen größere Menschenansammlungen, und besonders die Enge, dich unter Stress. Dies hat dazu geführt, dass du dich übergeben musstest. Man kann jetzt viele Ursachen diskutieren; ich sage dir gleich: Ich weiß auch nicht, worum es sich handelt. Aber ich finde, dass du dir deswegen auch keinen Druck aufbauen solltest.

Versuche, einmal nachzuspüren: Was ist es genau, dass dich stresst? Ist es die Möglichkeit, mit anderen Leuten in Berührung zu kommen, wenn du zum Beispiel in einer Schlange stehst? Sind es die Gerüche? Erinnert dein Gefühl dich an Atemnot? Stören dich vielleicht eher die Geräusche? Allein eine Schulklasse kann ja, was all diese Dinge betrifft, manchmal extrem schwer zu ertragen sein. Wenn ich so daran denke, wie es war, im Hochsommer in einem Raum zu sitzen, der für die Zahl der Leute zu klein, und in dem die Luft zum Schneiden ist - und das bei permanentem Lärm... Es ist an sich nicht verwunderlich, dass jemand darauf sensibel reagiert. Um genau zu sein, muss man sich wundern, warum das nicht bei mehr Menschen der Fall ist. In Geschäften oder Freizeitparks ist die Lage oft kaum anders. Ich gehe davon aus, dass etliche Menschen darunter leiden, die einen mehr, die anderen weniger; viele aber mehr, als sie eingestehen. Was du beschrieben hast, erinnert mich ein wenig an Klaustrophobie (Platzangst) - aber wissen kann ich das natürlich nicht. Um zu klären, ob eine körperliche Ursache in Frage kommt (was ja durchaus sein kann) solltest du das Ganze vielleicht mal mit einem Arzt besprechen. Ich persönlich könnte mir vorstellen, dass es auch eine Phase ist, die nicht ewig dauert, die einfach mit Wachstum und Entwicklung zusammen hängt. Mancher hat Probleme mit dem Kreislauf, Übelkeit, Schwindel, wenn sein Leben in eine heftige Phase tritt - und in einer solchen befindet sich wohl jeder, der 17 ist. Mit deinem letzten Satz hast du ja darauf angespielt, oder nicht? Ich verstehe ihn als Hinweis, dass du dein Umfeld in einem Maße durchschaust und reflektierst, wie viele Andere es noch nicht können. Wenn du deinem Alter ein Stück voraus bist, mit vielen Leuten nicht unbedingt was anfangen kannst (was ja nicht bedeutet, dass du an Freundschaften kein Interesse hättest!), dann ist es nur logisch, wenn du in gewissen Situationen "fremdelst". Und bei dir äußert es sich eben auf diese Weise. Das ist ein Problem, das man prüfen sollte, auch ärztlich; aber nichts, was dich zu einem Menschenfeind oder Sonderling macht. (Den Satz deines Lehrers sehe ich als misslungenen Scherz an.)

Es wäre schon wichtig, dass du einmal mit deinen Eltern darüber redest. Vielleicht empfiehlt es sich, nicht gleich die Keule auszupacken: "Ich kann keine größeren Menschengruppen ertragen, mir wird richtig übel davon!", sondern mehr auf den einzelnen Fall zu gehen. Zum Beispiel könntest du von deinem Erlebnis in dem Freizeitpark berichten, und daneben erwähnen, dass du dich immer wieder mal unwohl fühltest, wenn solche Bedingungen gegeben waren. Wie gesagt: Ich halte es für denkbar, dass es eine durch die Entwicklung bedingte Phase ist (wobei ich nicht weiß, ob das bei dir schon immer so war?) Gut möglich, dass deine Eltern dir sagen können, wie es bei ihnen in deinem Alter war - das kann aufschlussreich sein. Gab es schon ähnliche Fälle in eurer Familie? Hatte dein Vater oder Mutter vielleicht Erfahrungen gemacht, die deinen nahe stehen? Auf diese Weise könntest du schon mal der Furcht begegnen, die du in deiner Überschrift ausgedrückt hast. Denn mit Sicherheit ist es kein Anzeichen, dass dich für immer aus der Gesellschaft und von solchen Events ausgrenzt, sondern hat gewiss deutliche Gründe, denen man abhelfen kann. Anders ist es für nicht vorstellbar. Schließlich ist der Mensch ja ein Herdentier, oder? Und dann bleibt da ja immer noch die andere Wahrheit. Nämlich, dass gerade alle ein wenig "am Rad drehen" - du hast es ein schlechtes Drama genannt. Und irgendwie trifft das ja absolut zu. Auch das ist die Normalität, ist ein notwendiger und richtiger Teil der Entwicklung. Aber er geht vorüber, schwächt sich ab, läuft aus - und das Letzte, was man muss, ist, deshalb ein Etikett "Menschenhasser" aufgedrückt zu kriegen.

Alles Gute und Liebe Grüße,

Paul