Problem von Tobi - 17 Jahre

Innere Blockade, ratlos

An Paul G.

Hallo,

es ist jetzt schon eine Zeit her seit ich das letzte Mal etwas geschrieben habe, hoffentlich erinnerst du dich noch an die ganze Geschichte, die ja mittlerweile schon lange zurückliegt. Ich habs so schon ganz gut verarbeitet, liegt wahrscheinlich auch daran, dass ich sie seitdem nie mehr gesehen habe und dass sie jeden Kontakt abgebrochen hat, mich sogar auf Facebook blockiert hat (warum auch immer).

So läuft ja alles ganz gut, Arbeit is immernoch ok, Noten in der Schule ganz gut, ich bin wieder viel optimistischer als vorher was das Leben an sich betrifft. Doch mit der Liebe scheint bei mir etwas nichtmehr hinzuhauen.
Ich hab in der Fahrschule ein Mädchen kennengelernt, ich mag sie, ich fühl mich in ihrer Nähe wohl, sie spricht auch gern mit mir, lacht mit mir.
Aber etwas blockiert mich, ich sehne mich nach diesem Verliebtsein, Schwärmen, ich könnte mir schon vorstellen mit ihr zusammen zu sein. Aber mein Körper kanns einfach nicht, aber ich will es.

Liegt es etwa daran, dass ich vielleicht unterbewusst immer noch an dem anderen Mädchen hänge, welches nichts mehr mit mir zu tun haben will?

Liegt es daran dass ich etwa erst die fiktive Mrs. Perfect finden muss, welche es schlichtweg nicht gibt?

Man kann spekulieren.

Da gibt es noch etwas was mich beschäftigt.

Da gibt es eine Arbeitskollegin, sie ist so alt wie ich, wir schrieben oft miteinander, redeten miteinander, machten Späße.
Eines Tages sagte ich zu ihr, dass ich es witzig finde, dass ich beim Chaten immer ich die Fragen stelle.
Plötzlich meinte sie, dass ich es endlich zugeben solle, ich verstand es erst nicht was sie meinte. Dann hab ich sie gefragt ob sie denkt dass ich auf sie stehe. Plötzlich wurde ihr Ton anders, nicht mehr so fröhlich, eher ernst. Ich sagte ihr, dass ich einfach nicht soweit für eine Freundin sei, weil die andere Geschichte da noch nicht so lange zurücklag. Auf einmal meinte sie dass sie auch keinen Freund haben will. Danach hat sie gar nicht mehr mit mir geschrieben und nur wenig geredet.
Hab ich ihr etwa ohne es zu Ahnen einen Korb gegeben?

Ich danke dir schon mal für deine Antwort.

PS. Vielleicht brauche ich einfach noch mehr Zeit

PaulG Anwort von PaulG

Lieber Tobi,

es freut mich unheimlich, dass es dir besser geht, und die Dinge sich etwas geordnet haben. An deine Geschichte erinnere ich mich natürlich - und ich denke nach wie vor, dass du gestärkt daraus hervor gegangen bist. Heute möchte ich erstmal was zu dem Problem mit deiner Arbeitskollegin sagen, denn das ist der konkretere Teil, von dem wir es haben.

Zunächst: Auch ich kann dir nicht sicher erklären, warum sie so auf Distanz geht, und was euer Gespräch für sie bedeutet hat. Folgendes ist vorstellbar: Sie ist in dich verliebt, und wollte dich durch einen "Angriff nach vorn" dazu bringen, Stellung zu beziehen. Falls sie also hören wollte, dass du ihre Gefühle (von denen du nichts wissen konntest) erwiderst, ist sie enttäuscht worden. Für diese Überlegung würde sprechen, dass sie in dem Moment an Ernst zulegte, als klar wurde, dass du nicht sogleich dankbar bist und freudig anbeißt. Sie wollte sich keine Blöße geben, daher hat sie so getan, als ginge es ihr ähnlich wie dir. So jedenfalls würde es Sinn ergeben, und so kam es dir ja auch vor, wenn ich dich recht verstanden habe. Das Ganze muss natürlich so nicht stimmen. Seltsam ist es ja zum Beispiel, wie ihr überhaupt auf das Thema kamt: Du schriebst ihr, es sei witzig, dass immer du die Fragen stellst. Genau das macht es ja komisch, findest du nicht? Denn wäre sie in dich verliebt, und hätte außerdem den Mut, dich so provozierend drauf anzusprechen ("Gib DU es doch endlich zu!"), warum sollte sie dann nicht schon im Voraus versuchen, möglichst viel über dich herauszufinden? Ihre Chancen auszuloten, eure Gemeinsamkeiten zu entdecken? Mag sein, dass sie eher abgewartet hat. Dass dein Interesse an ihr sie denken ließ, sie könne sich ihrer Sache sicher sein. Aber wie es auch ist, wir wissen es nicht.

Grundsätzlich fände ich wichtig, dass du dich wegen diesem Vorfall nicht grämst. Wenn du ihr nämlich die Wahrheit gesagt hast - also echt nichts für sie empfindest, und noch nicht ganz bereit bist für eine Beziehung -, dann, würde ich meinen, hast du das einzig Richtige und Faire getan. Solltest du natürlich geschwindelt haben, weil du befürchtet hast, sie sei nicht in dich verliebt - dann wäre es ratsam, das gerade zu rücken. (Wobei du ja eigentlich ausschließt, dass du mehr von ihr willst.) Wenn du es unbedingt genau wissen willst, lasse ihr doch noch einmal eine Nachricht zukommen. Schreib ihr, dass du es immer toll fandest, mit ihr zu schreiben, den Kontakt genossen hast - und dich jetzt wunderst, warum sie so abgekühlt ist. Schließlich könnte ja auch dieses persönliche Thema gerade ein Beweis für eure Vertrautheit sein, als Freunde - und müsste nicht dazu führen, dass sie sich absetzt. Der Verdacht liegt tatsächlich nahe, dass sie mehr für dich empfindet - und warum nicht sie danach fragen? Es war gut und fair, offen zu ihr zu sein, ihr - ob direkt oder durch die Blume - einen Korb zu geben, sofern das deinen Gefühlen entspricht. Aber dann hast du ja trotzdem ein berechtigtes Interesse daran, was auf einmal falsch läuft. Frag sie also - du hast nichts zu verlieren. Es kann sein, dass sie sich dir öffnet, dir ihre Gefühle gesteht; dann werdet ihr sehen. Vielleicht wird sie auch verneinen, dass da irgendwas wäre, wird sagen, du hättest das falsch verstanden. Dann kannst du sagen, okay - dann lass uns Freunde sein wie bisher. Und damit bringst du sie wiederum unter Sprechzwang, schließlich gäbe es dann keinen Grund, so abweisend, ernst und distanziert zu dir zu sein. Die dritte Möglichkeit ist, dass sie gleich patzig und kühl ist, behauptet, du bildest dir was ein, und so fort. Dann weißt du Bescheid. In diesem Fall würde ich den Kontakt zu ihr (über die Arbeit hinaus) erstmal reduzieren. Oder aussetzen. Sie wird sich dann schon wieder melden. Und falls nicht, hast du schlicht und ergreifend alles korrekt und nichts falsch gemacht. Dazu gehört auch, dass du ihr bei der Arbeit weiterhin höflich begegnest, und am Besten niemand groß was darüber erzählst. Es ist ja eine Sache zwischen euch, und wenn ihr was an dir liegt, wird sie es schätzen, wenn es das bleibt. Für dich ist dabei wichtig, diese kleine Eiszeit nicht auf den Job auszudehnen, sondern gleich auszuklammern - sperre dich dagegen, dass dieser Vorfall dir die Freude an der Arbeit verdirbt. Denn das ist es nicht wert - du hast dir gar nichts vorzuwerfen.

Nun zu dem anderen Mädchen, die du in der Fahrschule kennen gelernt hast. Ich kann mir gut vorstellen, dass du dich in ein Ideal verrannt hast, dass es so nicht gibt. Vielleicht ist es aber auch so, dass du vor der Tiefe deines eigenen Geistes erschrickst, übersiehst, wie reif du geworden bist. Das hört sich jetzt komisch an. Aber vielleicht bist du ja dabei, eine viel gediegenere, ernstere Form der Liebe zu entdecken? Eine, die Tatsachen schafft, statt sich in Luftschlössern zu bewegen? Eine, die fest und ehrlich und näher an der Wirklichkeit ist, statt sich über kleine Lügen an dich selbst den Atem zu verlängern? Du bist älter geworden, und ich habe das Gefühl, dass der Trauerprozess um deine Klassenkameradin dich massiv vorangebracht hat. Du bist ein Mann geworden, du bist jemand, mit dem man rechnen muss - der aber auch nicht mit sich spielen lässt. Führe den Kontakt mit dem Mädchen fort, die du so gern magst, triff dich mit ihr, höre ihr zu - und die Dinge werden sich weisen. Lass dir Zeit, in dich zu horchen, ob du sie stark genug liebst; ansonsten behandle sie wie ein Gentleman, lass alles so toll, wie es gerade ist. Dann kannst du den passenden Augenblick, ihr deine Gefühle zu gestehen, gar nicht verpassen. Und diese Liebe muss dann keine sein, die dich schlaflos macht, deinen Hunger vertreibt, kein haltloses Schwärmen. Sondern es kann eine sein, die dich erdet und antreibt, in der wirkliche Offenheit und Nähe herrschen. Und ich wünsche dir sehr, dass du eine solche Liebe entdecken kannst. Ob mit diesem Mädchen, oder einer Anderen - du hast an Selbstbewusstsein zugelegt, du bist zielstrebig, du wirst es schaffen.

After all, Tobi, ich bin hellauf begeistert, wie klasse du all das gemeistert hast. Ich glaube, du siehst dich selbst jetzt in einem anderen, klareren Licht, und bist nicht nur strukturiert, sondern auch entschlussfreudig und verlierst nicht den Überblick. Das sind gute Qualitäten, auch wenn man sich mal erlauben kann, sie nicht an den Tag zu legen. Genieße doch vor allem die Aufmerksamkeit, die du bekommst, stecke deine Energie in Arbeit und Schule - und hab Vertrauen, dass auch dein privates Glück schneller kommt, als du es denkst. Denn so ist es eigentlich immer. Und du hast es absolut verdient. Mach weiter so!

Alles Gute und Liebe Grüße,

Paul