Problem von Chantal - 17 Jahre

Papa fällt uns in den Rücken?

Ich weiß nicht, was ich jetzt von meinem Vater halten soll..
Seit drei Jahren sind meine Eltern geschieden und kurz darauf hatte er eine neue Freundin. Damit bin ich gut zurecht gekommen. Sie hat eine Tochter in meinem Alter und einen Sohn im selben Alter wie mein kleiner Bruder. Wir verstehen uns alle eigentlich gut, nur wenn ich für einige Tage bei denen bin und Papas Freundin mich und meinen Bruder zu etwas auffordert, dann fühle ich mich doch schon etwas angegriffen und denke mir "Du hast mir eigentlich gar nichts zu sagen".
Da stellt sich mir dann die Frage, ob ich das tatsächlich alles so gut wegstecken konnte, das Papa eine neue Freundin hat, die auch zwei Kinder hat und die er bedeutend öfters sieht als mich und meinen Bruder oder ob ich das nur unbewusst unterdrücke.

Papa hat immer zu viel Unterhalt gezahlt - freiwillig.
Der Punkt ist: An einem Nachmittag hat Papa Mama einen Brief geschickt, er möchte den ganzen Kram mit dem Unterhalt amtlich neu ausrechnen lassen. Was Mama wütend gemacht hat: Er hat einen Brief geschickt, anstatt persönlich nachzufragen. Nach der Trennung gab es nie wieder Streit zwischen ihnen und er hätte locker einfach so anfragen können. Sie hätten das alles unter sich machen können.
Was mich wütend gemacht hat: Mama hat gesagt, wenn wir Pech haben, müssen wir ihm alles zurückzahlen. Als wenn weniger Unterhalt in den nächsten Monaten nicht schon genug wäre!
Dann sind wir wirklich knapp bei Kasse und ich bin so richtig wütend auf Papa.

Ich hatte mir vorgenommen bei ihm anzurufen und ihm meine Meinung zu sagen und was er sich dabei gedacht hat. Und wenn wir das zurück zahlen müssen, dass sich das dann zwischen uns erledigt hat, dass ich dann die 20€ Bahnfahrt lieber für wichtigere Dinge ausgebe, als zu meinem Papa und seiner ach so geliebten neuen Familie zufahren.

Aber das konnte ich nicht weil ich ihn doch so schon nicht sehe ..aber gleichzeitig bin ich so wütend auf ihn.
Ich weiß nicht wie unsere Zukunft dann aussieht und was ich machen soll. Wie soll ich Papa sagen dass ich so unglaublich enttäuscht und wütend bin, ohne sofort in Tränen auszubrechen.
Außerdem habe ich Angst davor, dass seine Freundin dann auch etwas gegen mich hat. Denn eigentlich bin ich ein liebes schüchternes Mädchen und kann gar nicht meine Wut offen zeigen. Wenn sie dann anfangen würde mich zu hassen würde ich diese Anspannung die dann entstehen würde gar nicht aushalten können.

Hinzu kommt, dass ich dieses Jahr mit der Schule fertig sein werde, aber keinen Ausbildungsplatz gefunden habe und somit mit mir selbst untufrieden bin.

Das sind irgendwie alles viel zu viele negativen Gefühle aufeinmal..

Bernd Anwort von Bernd

Hallo Chantal,

dass Deine Mama und Du überrascht und erst einmal auch wütend auf den Brief Deines Vaters reagiert, kann ich verstehen.
Die Befürchtung Deiner Mutter, dass er Rückzahlungen will oder gar durchsetzen kann, halte ich für übertrieben.
Zuerst einmal: warum sollte er das wollen, wenn die bisherigen Zahlungen wirklich bewusst und freiwillig das überstiegen haben, was er zahlen musste?
Unterhalt ist ja zuerst einmal nichts, womit der "Unterhaltene" sich riesige Reichtümer anhäufen soll und kann.
Es ist für den täglichen Bedarf!
Zwar weiß ich nicht, was das Gesetz dort sagt. Aber ich kann mir irgendwie nicht vorstellen, dass Geld, bei dem man davon ausgehen muss, dass am Monatsende nix mehr davon da ist, von dem "Schenker" im Nachhinein so einfach zurückgefordert werden kann.
Wie geschrieben: ich weiß es nicht. Kann es mir aber auch absolut nicht vorstellen, dass Dein Vater etwas ähnliches im Sinn hat!
Was ich auch nicht wirklich weiß, aber mir eher vorstellen kann: Im Grunde sind natürlich beide Elternteile für den Unterhalt ihrer Kinder verantwortlich.
So emanzipiert und gleichberechtigt Frauen im Grunde sind: als Mütter genießen sie ein Vorrecht.
Ist natürlich auch eine Bürde!
Müttern wird wohl (so habe ich gehört) in aller Regel recht lange die Kindererziehung als "Fulltimejob" anerkannt, wenn sie sich dann dazu hergeben? Also bleibt eine Beteiligung an den Unterhaltskosten meist ausgeschlossen? Kitas sind wohl hauptsächlich für "intakte Ehen", damit dort beide ungestört von ihren Kindern arbeiten können. Geschiedene Frauen genießen eher einen "Besitzstandsschutz", oder wie man das nennt.
Ich denke, darauf zielt der Brief Deines Vaters: ihr Kinder seid nun schon recht selbständig und er will wohl überprüfen lassen, was Deiner Mutter nun zumutbar ist, für ihren eigenen und euren Unterhalt beizusteuern.

Merkst Du nun, warum Dein Vater es nicht im persönlichen Gespräch, sondern per Brief loswerden wollte?
Kannst Du Dir nun in etwa vorstellen, was Deine Mutter wirklich wütend gemacht hat?
Kannst Du Dir vorstellen, dass die beiden ein sinnvolles und konstruktives Gespräch unter vier Augen über diese Thematik führen?

Ich weiß natürlich nicht, ob, was und wieviel Deine Mutter im Augenblick zu ihrem eigenen und eurem Unterhalt dazu tut.
Je weniger es ist, um so eher könntest Du (wenn Du dann willst) Deinen Vater verstehen.
Und ich will Dir noch etwas anvertrauen, was Du zuerst wohl ablehnen wirst.... Aber ich habe die Hoffnung, dass Du es langsam verstehen und akzeptieren wirst:
Dein Vater hat in der neuen Lebensgemeinschaft auch Verantwortung übernommen!
Und wenn er jetzt (was ich glaube) nicht mehr und nicht weniger von euch erwartet, als dass ihr ihn nicht mit allen Forderungen erdrückt, die er, solange es ging, ja wohl auch gerne über die reinen Ansprüche hinaus, erfüllt hatte....
solltet ihr alle vielleicht den Brief sacken lassen. Eure Ansprüche überdenken.
Und die Form (den Brief) so sehen, dass ihr dadurch eher Bedenkzeit geschenkt bekommen habt!
Zeit, es unvoreingenommen und fair zu sehen!
Die eigene Verantwortung nicht als Strafe oder boshafte Forderung, sondern als Chance zu erkennen.

Alles Liebe,

Bernd