Problem von Anonym - 13 Jahre

Ist eine Therapie der richtige Weg?

Hallo, ich leide seit ca. einem halben Jahr an einer Essstörung. Im Sommer habe ich mich in kürzester Zeit 11-12 Kilo runtergehungert. Ich war schon immer etwas fülliger, aber nie übergewichtig. Jetzt ist mein BMI 18. Jedenfalls geht es mir zur Zeit sehr schlecht, ich fühle mich krank, mir ist kalt und ich habe Haarausfall. An manchen Tagen esse ich fast gar nichts, doch sobald ich allein zu Hause bin stopfe ich lauter Süßigkeiten in mich rein. Danach geht es mir noch schlechter und ich könnte heulen, wenn ich mich im Spiegel sehe. Danach bestrafe ich mich selbst mit langen Hungerphasen, um mein Gewicht zu halten. Ich weiß, dass das total ungesund ist, aber meine Stimmung pendelt zwischen Selbstkontrolle und der Ich-stopf-alles-in-mich-rein-Einstellung. Ich würde gerne zu einer Psychologin gehen, aber irgendwie denke ich dann ich bin nicht dünn genug um krank zu sein und Hilfe zu verdienen. Meine Mutter hat mein komisches Essverhalten schon bemerkt und macht sich große Sorgen, sie hat deswegen sogar schon geweint. Wenn ich sie nach einer Therapie fragen würde, würden sich alle ihre Sorgen bestätigen und sie wäre noch trauriger. Hab sowie so schon das Gefühl, dass meine Mutter lieber eine hübsche, unbeschwerte Tochter hätte mit lauter guten Noten. Aber ich versage einfach in jeglicher Hinsicht. Ich brauche wirklich Hilfe! Jeder Tag ist ein neuer Tag mit mir selbst... :(

Romina Anwort von Romina

Liebe Ratsuchende,

vielen Dank für dein Vertrauen in den Kummerkasten. Du hast selbst schon erkannt, dass dein Essverhalten problematisch ist. Das war der erste Schritt. Und den zweiten hast du auch schon geschafft: Nämlich zu beschließen, dass du Hilfe suchen willst. Sehr gut! Jetzt steht der dritte Schritt an und es ist absolut verständlich, dass du davor zögerst, dich direkt in Behandlung zu begeben. Leider wird es in unserer Gesellschaft immer noch als Schwäche angesehen, wenn man sich Hilfe sucht. Das ist es aber nicht, ganz im Gegenteil. Es verlangt Mut, sich seinen Problemen zu stellen und diesen hast du ganz eindeutig. Egal, ob bei dir tatsächlich schon eine Essstörung vorliegt oder ob dein Essverhalten „nur“ als problematisch eingestuft wird, entscheidend ist, dass du subjektiv unter der Situation leidest. Das ganz allein genügt schon um sich Hilfe zu holen. Man muss keinen bestimmten Ausprägungsgrad erreichen um Hilfe zu „verdienen“, jeder, dem es nicht gut geht, verdient Hilfe! Deswegen gibt es eine Menge sozialer Einrichtungen, die dir weiterhelfen können. Gut geeignet wäre wahrscheinlich ein(e) Therapeut(in) der/die auf Essstörungen spezialisiert ist oder damit Erfahrung hat. Die Wartezeiten auf einen Therapieplatz sind allerdings meist mehrere Monate lang, deswegen würde ich dir zusätzlich zur Überbrückung empfehlen, dich an eine entsprechende Beratungsstelle (wie z.B. Anad) zu wenden. Im Internet wirst du da sicher fündig.

Was deine Mutter betrifft: Stell es dir mal umgekehrt vor. Wie wäre es, wenn du den Verdacht hättest, sie hätte irgendein Problem oder eine Krankheit. Was wäre dir lieber: Wenn sie so tut, als wäre alles ok oder wenn sie etwas dagegen unternehmen würde?
Ich bin sicher, deine Mutter würde dich dabei unterstützen, Hilfe in Anspruch zu nehmen. Du kannst deinen Zustand doch gar nicht geheimhalten, Mütter spüren immer, wenn es ihren Kindern nicht gut geht.
Du schreibst, dass du „versagt“ hättest, aber das ist nicht so. Oder würdest du auch von „versagt“ sprechen, wenn du eine körperliche Krankeit hättest? Mit psychischen Problemen ist es ganz genauso wie mit physischen: Man kann nichts dafür. Es hat nichts mit „Versagen“ zu tun, wenn man krank wird. Es kann jeden treffen und auf die ein oder andere Weise trifft es auch jeden irgendwann einmal im Leben.
Wichtig ist nur, etwas dagegen zu unternehmen. Man kann nicht beeinflussen, ob man psychische Probleme bekommt, aber man kann sich Hilfe suchen, wenn man betroffen ist. Das zeugt von Stärke.
Ich bin sicher, deine Mutter liebt dich genau so wie du bist, mit all deinen Stärken und Schwächen, Talenten und Fehlern, guten und schlechten Eigenschaften. Niemand kann perfekt sein, wer perfekt ist, wäre kein Mensch sondern ein Roboter. Was unsere Persönlichkeit ausmacht sind unsere guten und unsere schlechten Seiten gemeinsam, wie wir aus unseren Fehlern lernen, unsere Talente ausbauen und nach und nach unsere Schwächen akzeptieren.

Deswegen an dieser Stelle nochmal: Bitte, warte nicht länger, lass dir einen Termin bei einer Beratungsstelle geben und such dir psychotherapeutische Hilfe. Du hast den Mut und die Kraft dazu, deine Probleme in den Griff zu bekommen.

Ich wünsche dir alles Gute.

Liebe Grüße

Romina