Problem von Anonym - 26 Jahre

Schlimme Angstzustände/Depression @Paul

Hallo!

Vielleicht wäre es möglich, dass Paul meine Frage beantwortet da ich seine
Einstellung sehr toll finde.

Mich plagen seit Wochen fürchterliche Angstzustände :(
Ich habe Angst dass es zu einem 3. Weltkrieg oder einem großen Krieg in Europa kommt.
In Syrien beteiligen sich immer mehr Länder am Krieg und und ich habe Angst dass alles eskaliert. Auch aufgrund der Flüchtlingswelle usw.

Am schlimmsten ist es morgens. Ich wache um ca. 04:30 auf und habe schlimme Angstzusände. In meinem Kopf sind nur Bilder von Terror und Krieg.
Ich verspüre auch immer den Drang die Nachrichten zu hören/lesen. Damit habe ich mittlerweile aufgehört, ich versuche keine News mehr zu konsumieren aber wenn ich im Büro an meinem Computer sitze ist es schwierig und manchmal "muss" ich nachsehen.
Manchmal verspüre ich auch den Drang "3. Weltkrieg" zu googeln und da kommen dann haufenweise Berichte über einen bevorstehenden dritten Weltkrieg vor dem angeblich viele Politiker usw. warnen.
Und leider bin ich auch sehr anfällige für alle möglichen Prophezeiungen zu diesem Thema...
Ich habe den ganzen Tag das Gefühl, dass jeden Moment etwas schlimmes passiert. Ich kann den ganzen Tag an nichts anderes denken und das schränkt meine Lebensqualität extrem ein!

Ich war auch schon bei einem Arzt welcher bei mir eine Depression mit Angstzuständen festgestellt hat. Ich habe jetzt ein pflanzliches Antidepressivum bekommen und wenn das nicht helfen sollte bekomme ich ein "richtiges" Antidepressivum.
Ich werde natürlich machen was mein Arzt mir empfiehlt aber ich bin kein Freund von solchen Medikamenten und hoffe noch immer dass sich das Problem anders lösen lässt.

Ich spreche auch viel meiner Familie und meinen Freunden über meine Probleme und bekomme auch viel Rückhalt und positiven Zuspruch aber ich weiß nicht warum mir Momentan einfach nichts davon hilft :(

Vielleicht könnt ihr mir helfen!

Liebe Grüße!

PaulG Anwort von PaulG

Lieber Anonymer,

gleich heute morgen stieß ich auf dein Problem - und finde es nicht uninteressant, dass es mir selbst zum Teil nicht fremd ist. Vielleicht kann ich dir nicht direkt einen Tipp geben, wie du es beenden kannst; aber hoffentlich doch, wie es gelingen kann, einen besseren Umgang damit zu finden.

Grundsätzlich muss man sich mal klar machen: Man kann es nie wissen. Aber das Ausmaß der Probleme im Augenblick wird von Medien teilweise derart übersteigert und polemisiert, dass wir einen realistischen Blick darauf verlieren. Ich möchte dir an mehreren Beispielen deutlich machen, warum ich das so sehe.

Zunächst einmal die Frage nach dem Dritten Weltkrieg: Wir leben in einer globalisierten Welt. Das Ziel im Nationalsozialismus war es beispielsweise, Deutschland von Importen unabhängig zu machen, damit andere Länder weniger Druckmöglichkeiten haben. Heute kann es so etwas kaum mehr geben. Unsere Wirtschaft ist global vernetzt, Firmen in allen Ländern darauf angewiesen, Rohstoffe aus verschiedenen Erdteilen zu beziehen, Know-How auszutauschen, Produkte zu verkaufen; auch Arbeitsmigration ist ein Teil dieses Systems, in dem der Eine viel mehr vom Anderen abhängt, als noch vor Jahrzehnten. Einen Dritten Weltkrieg, und das weiß wohl jede Regierung der "mächtigen" Länder ganz genau, können sie weder finanzieren, noch ihren Bürgern zumuten, noch würde er ihnen irgendetwas einbringen, das der Zerstörungen wert ist. Man gewinnt wesentlich mehr als Teilhaber eines globalen Wirtschaftssystems, in dem es zwar auch noch Krieg und Eroberung gibt, in dem man allerdings seinen Nutzen effektiver schaffen kann.

Schau dir einmal Russland an: Wladimir Putin ist gelegentlich mit Adolf Hitler verglichen worden. Ich sage dir jetzt den (meiner Meinung nach) wichtigsten Grund, warum man die beiden überhaupt nicht vergleichen kann, auch wenn die Ereignisse in der Ostukraine teilweise an die Sudetenkrise erinnerten: Adolf Hitler war ein Größenwahnsinniger, der sagte "Ich habe in meinem Leben immer va banque gespielt", und schließlich, nachdem er einen Weltkrieg mit zig Millionen Toten entfesselt und sein Land in die Zerstörung geführt hatte, sich der Verantwortung entzog mit den Worten "Das deutsche Volk hat sich als das schwächere erwiesen." Mit dem, was ich hier schreibe, soll die Verantwortung des Einzelnen für den Krieg und die Verbrechen des Holocaust nicht geschmälert werden. Aber ich möchte dir verdeutlichen, wie sehr Hitler sich als die Schlüsselfigur der Weltgeschichte ansah, die mit ihren Fähigkeiten Erfolg haben konnte - aber eben auch nicht: "Ich bin da, also probieren wir's. Es gibt nur den einen lebenswerten Zustand, in dem wir die Welt beherrschen und die restliche Menschheit unsere Sklaven sind. Wir müssen das versuchen. Wenn es klappt, schön. Wenn nicht - dann bin ich nicht schuld."

Will man solche Denkweisen allen Ernstes den heutigen Autokraten unterstellen? Dann wäre die russische Armee längst in ganz Osteuropa eingerückt, bliebe es in der Ukraine nicht bei Scharmützeln, dann wäre dieser Krieg längst da. Aber dergleichen zu behaupten ist nicht nur völlig willkürlich und kurzsichtig. Wir leben zudem in einer Welt mit Atomwaffen. Sie bieten die Möglichkeit, sich ein jahrelanges Abschlachten zu ersparen - und es auf ein paar Sekunden zu reduzieren. Mit unabsehbaren Folgen. Solange es Atomwaffen gibt, werden die Länder, die sie besitzen, ein Abschreckungspotenzial haben; aber es wird kaum jemand ernsthaft erwägen, diese einzusetzen. Die Folgen eines Atomschlags, das Risiko eines Atomkriegs sind einfach zu furchtbar. Jetzt könnte einer sich hinstellen und sagen: "Ja, aber jeder Präsident einer Atommacht weiß ja, dass die Anderen so denken. Wenn er jetzt anfängt, kann er darauf bauen, dass sie sich aus Angst vor einem Atomkrieg zurückhalten." Wirklich? Diese Denkweise hat etwas für sich. Aber leider, darauf bauen kann man nicht. Vielmehr muss jeder sich klar sein - und ist jeder sich klar! - dass man die Reaktion nicht kennt. Das Risiko ist zu hoch. Wenn die atomare Bewaffnung dazu beiträgt, die Weltmächte in Furcht voreinander zu halten, in Unschlüssigkeit trotz ihrer eigentlichen Stärke - dann haben sie sogar etwas Gutes.
Also versucht man stattdessen, durch Spionage zu punkten, durch Sanktionen (die heute viel mehr greifen können) Druck auszuüben, durch moderne Überwachungstechnik vorbereitet zu sein. Man lässt seine Konflikte von kleineren Gruppen austragen, die mit konventionellen Waffen an den Rändern Unruhe stiften, die Verwirrung säen und einem damit in die Hände spielen. Dies sind die vielbesagten neuen Kriege, Kriege, in denen es nicht mehr um die Errichtung eines Imperiums geht, sondern um genehme Klientelregierungen, wirtschaftliche Vorteile, Beunruhigung des Gegners.

Ich möchte hier keine Verschwörungstheorien anstellen. Aber ich denke, du siehst, worauf ich hinaus will: Zwar kommen irgendwo aus dem Dunkel der Gehirne Assoziationen gekrochen, Erinnerungen an die Geschichtsbücher - und damit zum Teil irrationale Ängste. Man darf ihnen nicht nachgeben. Will man wirklich die Auseinandersetzung mit dem IS mit den Kreuzzügen vergleichen? Haben wir es heute wirklich noch nötig, uns als "von fremden Mächten aus dem Osten bedroht" zu stilisieren? Können die Begriffe, die vor Jahrhunderten gültig waren, heute noch gelten? Oder übersehen wir dabei vielleicht, dass die Menschen von damals tot sind, und dass heute eine andere Lebenswirklichkeit herrscht? Krieg ist immer auch Ausdruck von rücksichtslosen Interessen Einzelner, verschiedener Gruppen, Dynastien. Zwar gibt es die Idee des "Heiligen Krieges", ja. Aber will man wirklich darüber hinwegsehen, dass die Sultane des Osmanischen Reiches sicher gläubige Muslime waren, aber ihre Kriege (wie es immer war) primär deshalb geführt haben, um die Bedeutung ihrer eigenen Linie, den Vorteil ihres Landes, die Macht ihrer Befehle auszudehnen? Will man wirklich behaupten, die Kreuzzüge seien reine Religionskriege gewesen? Oder will man sich klar machen, dass auch da eine perfide Instrumentalisierung stattgefunden hat, eine Inszenierung, in der es letztlich darum ging, Länder zu erobern, Zentralisierungs- und Militarisierungsprogramme zu rechtfertigen? Einen Teil des Bevölkerungsüberschusses zu verheizen? Die orthodoxe mit der katholischen Kirche wieder zu vereinigen? Das war so. Das war so! Es gibt die Heiligen Schriften, und da steht mancherlei drin. Doch im Hintergrund gibt es ein anderes, weit größeres Problem: Der Mensch neigt dazu, sich selbst zu gefallen, und deshalb das, was er sich für sich wünscht, und was für die Menschheit insgesamt am besten ist, zu verwechseln, zu vermischen, miteinander zu identifizieren. Wo der gute Wille aufhört und der Egoismus beginnt, ist im Einzelnen schwer zu erkennen. Fest steht: Das eine ohne das andere ist nicht denkbar.

Dass diese Kriege religiös aufgeladen wurden, hat also nicht nur etwas mit der Religion selbst zu tun. Natürlich haben jede Menge tiefreligiöser Menschen daran teilgenommen, die das natürlich auch als ihre religiöse Pflicht betrachteten. Das heißt noch lange nicht, dass es sich zwangsläufig aus einer bestimmten Religion ergibt. Ich kann mir nichts Dümmeres, nichts Hirnrissigeres vorstellen, als wenn jemand sagt: "Der Koran erlaubt keine andere Auslegung. Und der Dschihad ist ein wesentlicher Bestandteil des Islam." Wer so etwas sagt, stellt die Behauptung auf, es gebe die eine, originäre, sich sofort aufdrängende Auslegung des Koran, stellt die Behauptung auf, sie habe schon die längste Zeit so existiert - und schon immer die größte Zustimmung gefunden. Das ist überhaupt nicht der Fall. Mal ganz abgesehen davon, dass es keine Kunst ist, zu sehen, dass die "Ungläubigen" nicht zwingend die Christen und Juden sind; abgesehen davon, dass auch der Apostel Paulus das Kopftuch fordert und die Frau dem Mann unterstellt (lohnt sich nachzulesen!); mal abgesehen davon, dass ich mich im Koran respektvoller angesprochen fühle, als die "Götzendiener" in der Bibel: Der Islam ist schon anderthalb Jahrtausende alt, ist über drei Erdteile verbreitet, kennt zahlreiche Untergruppen und Denkschulen. Wer behauptet, es gebe die eine Auslegung der Schrift, und die sei so und so, der muss mir erst einmal erklären, welche der Dinge, die uns am Islam stören, denn auf wörtliche Auslegungen zurückgehen. (Wenn derjenige eine wörtliche Auslegung meint!) Damit wird nicht nur ignoriert, dass es bereits in der Frühzeit des Islam sehr kontroverse Debatten um die richtige Auslegung gab, sondern dass vieles, was die Terroristen sind und tun, nicht nur auf falschen Auslegungen beruht, sondern dort gar nicht steht. Oder auf wahllose Zerstückelung und Verstümmelung des Textes zurückgeht.

Man muss sich wundern, dass so viele Menschen (auch in Deutschland) überhaupt keine Skrupel haben, 1, 5 Milliarden Muslimen einfach mal so zu unterstellen, sie sähen es als eine ihrer zentralen Lebensaufgaben, uns gewaltsam zu missionieren und nötigenfalls zu töten. So etwas grenzt nicht nur an geistige Verwirrtheit, sondern ignoriert auch, dass dieser Konflikt nicht erst seit ein paar Wochen andauert. Sondern schon viel länger - und dass der Westen darin eine gute Menge Blut vergossen hat. Um genau zu sein, zehnmal mehr, als die Terroristen. Dass wirtschaftliche Ausbeutung anderer Länder, das Aushalten von Diktatoren, das Anheizen von Konflikten, dazu geführt haben, was heute los ist. Es liegt mir fern, den Terror zu entschuldigen oder zu rechtfertigen. Jedoch läuft unsere ganze Diskussion, was der Islam ist und was er nicht ist, eigentlich ins Leere. Würden wir einmal die Zustände bereinigen, die einen Muslim zu Recht in Wut versetzen können, würden wir versuchen, der Instrumentalisierung der Religion keine Gründe mehr zu liefern, indem wir uns selbst kaum besser verhalten - dann sähe ich schon eine Menge mehr Hoffnung. Hier soll es jetzt aber gut sein.

Die Flüchtlingswelle ist ein Thema, das uns alle beschäftigt und noch länger beschäftigen wird. Vielleicht hilft es dir, dir bei allen Unkenrufen und allem gesabberten Bockmist von wegen "Überfremdung" und "Islamisierung" immer wieder zu sagen: Es sind Asylbewerber, sie bekommen Asyl. Es sind keine Einwanderer. Wir würden es auch packen, wenn es welche wären. Aber Zukunftsszenarien auf der Basis von Spekulationen zu entwerfen, die keinerlei Fakten und Statistiken gerecht werden - das ist unserer unwürdig. Die Menschen, die das machen, sind Kleingeister. Es hat sie schon immer gegeben, ich kenne selbst genug - und du drehst die halt nicht um. Weil sie aber keine Lösung anzubieten haben, die annähernd praktizierbar ist, sollte man auch in Bezug auf sie keine Pferde scheu machen, sondern sich bewusst sein, dass die Situation es ihnen erlaubt, sich wichtig zu machen - mehr aber auch nicht.

Das führt mich zum Kern der Beratung: Wie kannst du mit deinen Ängsten besser umgehen? Dass du versuchst, die News zu meiden, ist sehr gut. Jedoch ist es fraglich, ob sich das auf Dauer so durchhalten lässt, und ob die News nicht auch für was nütze sind. Ich würde dir zweierlei raten: Schränke es stark ein. Versuche jedoch auch, deinen Konsum von News zu ritualisieren. Zum Beispiel, wenn du abends die Tagesthemen anschaust. Oder zu einem bestimmten Zeitpunkt bei der Arbeit googelst. Zwar lässt es sich nicht vermeiden, dass einem gelegentlich was zuflattert, dass etwas über den Bildschirm flimmert, dass man im Radio was aufschnappt. Aber der Versuch zählt. Einen Fetzen gehört, ist immer noch besser, als sich eine Reportage reingezogen. Konkret würde ich Folgendes probieren:

1. Wenn du Zeitung liest, oder News ansiehst, schau, dass es ein renommiertes Medium ist. Also entweder einer der großen Fernsehkanäle, oder eine wirklich gute Zeitung. Ich zum Beispiel lese gern online die FAZ.

2. Wenn du auf dem Ipod Radio hörst, dann achte darauf, zur vollen Stunde und zur halben Stunde das Radio nicht anzuhaben. Mit ein wenig Übung klappt es ganz gut, rechtzeitig zwischen dem Radio und der gespeicherten Musik hin- und her zu switchen.

3. Lies niemals die Kommentare unter Artikeln. Und, ein ganz persönlicher Tipp von mir: Lies auch keine Leserbriefe. Wenigstens nicht in Regionalzeitungen.

4. Versuche, dich abzulenken. Das kann durch Sport geschehen, oder durch eine andere sinnvolle Tätigkeit, in die du deine Emotionen hinein legst. Nur weil in der Welt manches drunter und drüber geht, heißt das nicht, dass man die eigene Gesundheit vernachlässigen sollte. Wenn du gerade jetzt versuchst, durch Fitness, andere Ernährung, Ordnung in deinen Sachen, an dir zu arbeiten, und deine Anspannung benutzt, um deine ganz persönlichen und allgemeinen Baustellen anzugehen, kann das für dich sogar gewinnbringend sein.

Wenn du gegenüber den Medikamenten eher kritisch bist, ist das nicht falsch. Auf der anderen Seite: Manchmal kann man sich auch einfach auf etwas einlassen. Die Antidepressiva, die du bekommen sollst, haben ja nicht eigentlich zum Sinn, dich von dem, was dich beschäftigt, vollkommen zu lösen. Es wird weiterhin für dich ein Thema bleiben - und es ist ja auch gut, sich damit auseinanderzusetzen. Das Medikament soll dir vielmehr die Möglichkeit eröffnen, auch mal zur Ruhe zu kommen, erholsamen Schlaf zu finden, wieder Energie für andere wichtige Dinge zu haben. Was du erlebst, ist (meine persönliche Meinung) keine "Erkrankung", sondern es wurzelt in berechtiger Sorge um die Welt, unser Land, dich selbst. So gesehen ist es etwas sehr Achtenswertes, und du darfst stolz sein, dass dich diese Bilder nicht kalt lassen. Trotzdem gilt es, sich zu erinnern: Das Leben geht weiter. Und es gibt ein Leben, in dem es auch ganz persönlich um dich, deine Belange und deine Zukunft geht - im Job, in der Familie, in der Liebe, der Gesundheit, mit allem. Es ist gut, wenn du nie vergisst, dass Andere es schlechter haben, und dich deshalb nicht mit Sorge und Selbstkritik verschonst. Wenn es aber in Depression und ständige Gehetztheit ausartet, ist niemandem gedient. Denn dann bindet es gerade die Kräfte, die zum Aufbau einer besseren Welt nötig sind. Der Zustand, den du anstreben solltest, ist daher nicht, gleichgültig oder vollkommen seelenruhig zu werden - sondern einfach, besser Prioritäten setzen und manchmal durchatmen zu können.

Unser Gewissen lässt uns im Augenblick nicht schlafen, oder viele, auch mich - gut so! Aber geruht werden muss. Kein Mensch ist unendlich belastbar. Und es ist zwar löblich, sich einzuhängen, sich zu engagieren - und auch nur, sich darüber seine Gedanken zu machen. Aber die eigentlichen Lösungen, so hart das ist, die werden von der Politik gefunden. Oder müssen von ihr gefunden werden. Und hier braucht es ein Stück weit auch einfach Vertrauen, dass die Geschichte - wie schon gesagt - eben nicht kontinuierlich ist, dass die Lage im Moment äußerst vielschichtig ist, es nur bedingt "Gut" und "Böse" gibt, und dass sich nicht immer alles wiederholt. Als mündige und erwachsene Leute sollten wir Stellung beziehen, jedoch lohnt es sich kaum, Leute mit seiner Meinung zu bombardieren, die eh nicht darauf eingehen. Reife ist eben nicht nur, Verantwortung zu übernehmen, sich einzumischen, sondern auch die Begrenztheit der eigenen Möglichkeiten zu erkennen. Jeder kommt an den Punkt, an dem er entscheiden muss, wie er zu all diesen Themen steht. Aber Panikmache in jede Richtung ist zu vermeiden. So wenig, wie es nur "Nationalstaat" und "Islamisierung" als Wahlmöglichkeiten gibt, so wenig gibt es nur "Dritter Weltkrieg" und "Weltfrieden". Wenn jemand schreibt "No nation, no border!", dann ist das ein schöner Wunschtraum, aber für die Realität taugt es nicht. Die Wahrheit, wenn es die gibt, liegt irgendwo zwischen diesen ganzen Extremen. Weder leben wir in einer Diktatur, in der wir um unser Leben fürchten müssen, noch droht uns Überfremdung, noch sind die Terroranschläge wesentlich gefährlicher als Autounfälle. Eher viel weniger. Wir müssen uns des Ernstes der Lage bewusst sein, aber entsprechend unserer Zeit. Wir sind nicht so sehr in Gefahr, wie wir glauben, die Lage nicht so drastisch, wie uns glauben gemacht wird. Sie ist ernst - aber nicht so, dass es für jeden von uns um Leben und Tod geht. Für uns beide zum Beispiel nicht. Wir sollten uns daher nicht auf irgendwelche wilden Verschwörungstheorien und Schreckensszenarien einlassen, sondern anerkennen, dass sich seit dem letzten Weltkrieg tatsächlich vieles verbessert hat. Was nicht heißt, dass es perfekt wäre. Was aber durchaus heißt, dass der Mensch auch noch so etwas wie Vernunft hat.

Alles Gute und Liebe Grüße,

Paul