Problem von Anonym - 16 Jahre

Antwort und Tipp an Lisa (Problem vom 19.05.2015)

Feedback zu http://mein-kummerkasten.de/318328/Schlafproblem-wegen-der-Schule-und-meine-Lehrerin-macht-sich-Sorgen.html

Hallo Lisa,
Ich bin mir nicht sicher, ob du dieses Feedback je lesen wirst und hoffe mal nicht, dass dein Problem noch aktuell ist, aber ich dachte mir, ich erzähle dir einfach einmal meine persönliche Erfahrung mit Schlafstörungen und Schulproblemen und einen kleinen Tipp, wie ich teilweise bisher immer wieder ab und an damit fertig wurde.
Bis vor etwa einem halben Jahr sah es bei mir mit dem Schlaf genauso aus, wie bei dir: Im Durchschnitt habe ich etwa 3-4 Stunden die Nacht geschlafen, oft sogar noch weniger. Tagsüber war ich völlig fertig, kaputt, ausgelaugt, musste aber dennoch in die Schule, in die Stadt, Hausarbeiten erledigen, Hausaufgaben und Lernen. Das ganze begann etwa Anfang 2013, mit der siebten Klasse und der Pubertät, ich kann nicht mehr genau sagen, womit genau das ganze angefangen hat, aber ich weis genau, was die Schlafstörungen verursachte. Es war Angst, und zwar Angst vor dem Tag, besonders vor der Schule, um genau zu sein. Eigentlich war ich immer ein braves Kind, eine Spitzenschülerin, immer gute Noten, nur unfähig im Umgang mit anderen.
Mit Eintritt der Pubertät änderte sich das, ich war zwar trotzdem brav, doch wie in einer Wasserrutsche sackten meine Noten plötzlich ab, ich bekam Angst vor Schulaufgaben und Exen, Abfragen wurden zur absoluten Hölle, ich begann, mich vor den Hausaufgaben und dem Lernen zu drücken, obwohl ich immer gerne lernte. Ich bekam Zitteranfälle, wenn ich nur an die Schule dachte, wenn ich nur an den nächsten Tag dachte. Nachts begann ich, mit meinem Handy das Internet zu durchforsten, immer voran Youtube ubd Google, twitter, fratzenbuch und co. waren so gar nicht meins, ich informierte mich über allerlei Dinge, sah mir stundenlang(e) Videos aller Art an. Das passte auch gerade Recht, denn zu diesem Zeitpunkt hatte ich bereits mit Panikattacken zu kämpfen, die des Nachts nur noch schlimmer wurden, das Internet bot mir eine herzlichst willkommene Ablenkung. Umso näher der nächste Tag rückte, desto mehr spürte ich die Angst in mir, nicht selten wurde sie zu Panik.
Irgendwann begann ich, mich selbst dazu zu zwingen, wach zu bleiben, schlafen schien mir sinnlos, immerhin hatte ich doch noch so viele Dinge zu tun? Hausarbeiten, Hausaufgaben, die ich aus Angst aufgeschoben hatte, Duschen, Zähne putzen,... Wie sollte ich das alles nur schaffen? Nicht selten kam es vor, dass ich gaf nicht mehr schlief, denn wachte ich am Morgen auf, so ging es mir immer noch schlechter, als am Abend zuvor, schlief ich nicht, so hatte ich am Morgen wenigstens nicht das Gefühl, Zeit sinnlos verschwendet zu haben. So wurden aus anfänglichen 7 Stunden Schlaf pro Nacht 5 Stunden und immer weniger. In einer ganz schlimmen Phase hatte ich seit Monaten nur 1-2 und alle 12 Tage mal mehr geschlafen, dann hatte ich eine Woche mig gerade einmal 6 Stunden Schlaf. Ich war müde, noch abwesender als sonst, sogar zu müde, um reizbar zu sein, seit Monaten stand ich unter Dauerstress, Druck kam von überall. Irgendwann bekam ich Krampfanfälle, Nervenzusammenbrüche, ich wurde häufiger krank, manchmal ritzte ich mich auch, einfach, weil nichts anderes mehr helfen wollte, um dem Stress zumindest für den Augenblick zu entfliehen.
Mein Umfeld? Nunja, das existiert nunmal, die Lehrer machten sich Sorgen um mich, Freunde und Klassenkameraden bekamen am Rande Dinge mit, meine Eltern wussten von gar nichts und das war es dann auch schon. Ich redete nicht und wurde auch nie konkret auf etwas angesprochen, bis auf ein einziges Mal, an dem ich vor einer Lehrerin unter vier Augen in Tränen ausgebrochen war, wir redeten ein paar mal, doch weiter konnte sie mir auch nicht helfen. Reden hilft oft, es ist schön zu lesen, dass du jemanden hast, der aufmerksam ist, dir zuhört, für dich da ist und hilft.
Wie ich da wieder herausgekommen bin? Nun, ich möchte dir keine Ängste bereiten und hoffe inständig, dass es dir mittlerweile wieder besser geht. Ich persönlich bin bis heute nicht vollständig aus dieser Situation heraus gekommen, im Gegenteil, sie wurde nur noch schlimmer. Heute schlafe ich im Durchschnitt wesentlich mehr als damals, habe morgens aber auch kein sonderlich gutes Gefühl. Ich glaube, das liegt daran, dass mein Körper dem ganzen nicht mehr so recht Stand halten kann und obwohl ich nicht schlafen will, tue ich es unwillkürlich, Krampfanfälle habe ich immernoch, zwar unregelmäßiger, aber heftiger als damals.

Der Tipp, von dem ich am Anfang gesprochen habe: Persönlich habe ich davon schon oft profitieren können und hoffe, dir hilft er vielleicht auch. Bist du denn eine Träumerin? Liest du gerne, magst du vielleichr Filme und Serien? Denkst du viel nach? Wenn du Nachts im Bett liegst und alles komplett still und dunkel ist, tauche in deine eigene Welt ab, du kannst alles tun, was du nur willst, so ähnlich wie träumen, nur in wach. Du magst ein Buch besonders gerne, oder wolltest schon immer einmal in einer Serie mitspielen? Dann schließe deine Augen und tue das, denn des Nachts alleine funktioniert das besser als am Tag auf der Straße, man muss nicht aufpassen, von einem Bus überfahren zu werden oder die nächste Haltestelle zu verpassen.
Wenn man ersteinmal im Bett liegt und einen Grund hat, die Augen zu schließen, ist es plötzlich viel einfacher, den Stress für einen winzigen Moment zu vergessen und über den Tag hinweg habe ich mich schon oft auf die Nacht gefreut.

Liebe Grüße, Anonym


PS: Ich hoffe, es ist in Ordnung, dass ich hier eine Geschichte aus meinem eigenen Leben erzähle. Ich dachte mir nur, manchmal hilft es, zu hören, dass man nicht der einzige Mensch mit ähnlichem Problem ist und dass einem zugehört wird.

JuliaG Anwort von JuliaG

Hallo liebe Anonyme,

vielen Dank für deinen wertvollen Erfahrungsaustausch!
Ich kann mir gut vorstellen, dass Betroffene, die ähnliche Probleme mit Schlafstörungen und Panikattacken haben, sich nun besser verstanden fühlen, weil (wie du vollkommen richtig sagst) es einem das Gefühl gibt, nicht der einzige Mensch mit diesen Schwierigkeiten zu sein. :) Es ist schön zu lesen, dass du so gut nachfühlen kannst und selbst gerne helfen möchtest, indem du von dir ein bisschen erzählst.

Ich werde deine Antwort an Lisa weiterleiten. Ich bin mir sicher, dass sie sich von dir verstanden fühlt.
Und falls sie das Problem nach einem Jahr bereits lösen konnte - umso schöner!
Wenn du einmal in einer erneut schwierigen Situation nicht weiter weißt, Redebedarf hast oder einfach nur jemanden brauchst, der sich deinen Sorgen annimmt und dir zuhört, bist auch du herzlich dazu eingeladen, uns zu schreiben. :)


Vielen Dank für deine Unterstützung und alles Gute und viel Kraft für deinen zukünftigen Lebensweg!

Sonnige Grüße,

JuliaG