Problem von Anonym - 17 Jahre

Dauertraurig durch Entfernung

Hallo,
als Austauschschülerin war ich für eine Zeit lang in Australien und um es kurz zu sagen, habe ich mich dort verliebt.
Kurz nach dem es zu einer Beziehung gekommen ist, musste ich wieder zurück nach Deutschland.
Er kam nach ca. einem Monat zu Besuch in meine Heimat und 3 Wochen nachdem er wieder zurück nach Australien geflogen ist, flog ich noch einmal nach Australien un ganze 5 Wochen mit ihm zu verbringen.
Natürlich dadurch, dass ich erst 17 Jahre alt bin mag es bestimmt nur nach einer "kleinen Jugendliebe" klingen, aber in meinen Augen steckt so viel mehr Liebe drinnen als in einer "Jugendliebe".
Auf jeden Fall verbrachte ich ganze 5 Wochen bei ihm und seiner Familie und vor kurzem musste ich dann schweren Herzens wieder nach Deutschland wegen meiner schulischen Ausbildung.
Der Abschied war unglaublich schlimm, so viel geweint habe ich noch nie und jetzt wieder in Deutschland zu sein ist einfach nur hart für mich.
Der eigentliche Grund weshalb ich schreibe ist der, dass ich nur noch traurig bin. Ich weine sehr viel. Tag ein - Tag aus. Kleinste Fehler, wie, Dinge fallen lassen, machen mich unglaublich fertig und bringen mich zum weinen. Es passiert auch gerne mal dass es mir "normal" geht und ich an nichts weiter denke und auf einmal macht es *zack* und ich fange an schrecklich zu heulen und vermisse ihn und Australien dann wieder so unglaublich doll.
Nomalerweise bin ich immer ein positiver Mensch und lebensfroh aber ich möchte im Moment nichts mehr lieber als wieder zurück nach Australien. Ich fühle mich hier in Deutschland in eine Ecke gedrängt und bin hier einfach fehl am Platz.
Ich möchte nichts mehr machen, habe die Lust zu meinen Lieblingsaktivitäten verloren und würde mich am liebsten in einem Loch vergraben bis zu dem Tag, an dem ich wieder nach Australien fliegen kann. Aber nun kostet so ein Flug leider keine 50€. Appetitlosigkeit und Schlafmangel sind auch mein großes Problem..
Er wird zwar im Dezember wieder nach Deutschland kommen, mit seiner Familie (Urlaub), aber es wird nicht so wie diese 5 Wochen bei ihm sein und das ist, was ich so unglaublich vermisse.
Ich finde es so schrecklich in Deutschland zu leben, allgemein - auch wenn ich keine Beziehung hätte würde ich so denken. Ich fühle mich extrem unwohl und alleine. So unglaublich alleine..
Keiner kann so richtig verstehen wie es mir geht und mit meiner Familie möchte ich nicht so gerne darüber sprechen, obwohl sie mich unterstützen, aber sie verstehen mich einfach nicht und Mitleid brauche ich nicht.
Alles was ich mache hat eine Erinnerung an meine Zeit mit ihm und dann kommen die Tränen hoch und schlafen konnte ich seit meiner Ankunft auch nicht so wirklich. Immer wenn ich versuche einzuschlafen, denke ich, dass ich wieder neben ihm aufwachen werde und um zu sehen ob ich wirklich wieder neben ihm aufwache, wache ich auf aber muss dann feststellen, dass ich alleine bin und er am anderen Ende der Welt sitze. Dann fange ich auch wieder an stark zu weinen und fühle mich als würde eine Welt zusammenbrechen. Und so läuft es immer und immer wieder ab. Wie ein ewiger Kreislauf.
Ich fühle mich so hilflos. Ich kann nicht zurück weil ich einfach kein Geld für weitere Flüge habe und auch wegen der Schule ist es schwierig. Skypen und Nachrichten schreiben ist einfach nicht das Gleiche (Zeitverschiebung ist auch so schlimm) und macht es fast nur noch schlimmer weil ich seine Stimme und mit ihm von Person zu Person reden noch viel mehr vermisse.
Ich weiß einfach nicht mehr weiter.. Ich erkenne mich selber nicht mehr wieder.. Ich versuche es wirklich so gut es geht positiv zu bleiben und keine großen Gedanken zu haben aber diese ewige Trauer kommt einfach immer wieder zurück.
Ich hoffe jemand kann mir irgendwie weiterhelfen, was ich gegen die tiefe Trauer und dem starken Vermissen/Heimweh nach Australien tun kann.

Anna Anwort von Anna

Liebe Anonyme,

vielen Dank für Dein Vertrauen uns gegenüber und für Deine lange Nachricht. Ich bin beendruckt davon, wie gut Du Deine Gefühle in Worte fassen kannst und finde, Du hast einen sehr guten Überblick über Deine Situation.
Zunächst einmal möchte ich Dir gratulieren: Trotz all dem Schmerz und der Sehnsucht, die Du seit Deiner Zeit in Australien und Deiner Beziehung aushalten musst, freue ich mich sehr für Dich, dass Du einen Freund gefunden hast, mit dem Du eine so feste und intensive Beziehung aufbauen konntest und von dem Du behaupten kannst, dass Du ihn richtig liebst. Ich glaube, dass das eine Erfahrung ist, die sehr tiefgehend ist, sehr prägend und ob er nun in Australien, in Frankreich oder vielleicht nur einige Kilometer von Dir entfernt lebt - die Liebe ist die selbe.
Und damit möchte ich zum nächsten Punkt kommen - die Entfernung. Du schreibst, dass Du ihn furchtbar vermisst, dass ihr euch nur selten sehen könnt und dass Dein alltägliches Leben, das Du bis dahin gekannt hast, Dir nun furchtbar trist und leer vorkommt. Irgendwie erinnert mich das an eigene Erfahrungen mit frischer Liebe oder wie ich sie auch bei Freundinnen schon mitbekommen habe. Und irgendwie glaube ich, dass die Entfernung es zwar noch schlimmer macht, das Vermissen, die Sehnsucht und der leere eigene Alltag aber immer dazu gehören, wenn man einen Mann kennen gelernt hat, von dem man einfach nur hin und weg ist. Dass er in Australien wohnt, macht das Ganze noch komplizierter, aber ich glaube, es spielt für die Gefühle schon fast keine große Rolle. Eine Fernbeziehung ist immer absolut kräftezehrend, ob zwischen einem 3000km oder 300km liegen. Je näher man beinander wohnt, desto mehr Zeit kann man miteinander verbringen und desto mehr Leben und Alltag teilt man miteinander. Je weniger Zeit man miteinander hat, desto weiter driften die beiden Alltagswelten auseinander und desto mehr vermisst man sich und fühlt sich isoliert vom anderen. Und je mehr man sich vom anderen isoliert fühlt, desto stärker ist der Wunsch danach beieinander zu sein - desto leerer, trister und unnötiger kommt einem das eigene Leben vor.
Und so muss Dir Dein Leben vorkommen. Nach der tollen Zeit in Australien, die auch noch von einem so großartigen Abschluss gekrönt wurde, wie soll man sich da auf zuhause freuen? Wie soll man sein altes Leben wieder aufnehmen, wenn man durch weiteren Kontakt nach Australien immer wieder spürt, dass das Leben DORT auch ohne einen weiterläuft? Das war für mich immer das Schlimmste, wenn ich von meinem Freund nach Hause gefahren bin. In Telefonaten habe ich dann die ganzen Alltäglichkeiten von seinem Leben mitbekommen. Es gab weiterhin um die gleiche Uhrzeit essen, er ging weiterhin mit seinem Hund spazieren, er hat sich auch ohne mich weiterhin mit seinen Freunden getroffen. Das Gefühl so ausgeschlossen zu sein, war furchtbar und ich habe immer einige Zeit gebraucht bis ich mich wieder auf MEIN Leben konzentrieren konnte.

Ich denke, dass es besser wird, sobald Dein Freund nach Deutschland kommt. Denn dann kommt ER in die Position hier DEIN Leben besser kennenzulernen und merkt dann in Australien wie es hier weitergeht, auch ohne ihn. Nicht, dass ich ihm schlechte Gefühle wünsche, so meine ich das nicht. Aber ich denke, dass es für Dich dann leichter wird zu realisieren, dass es auch ihm ohne Dich schlecht geht, dass er sich genauso sehr wünscht, ein Leben mit Dir zu teilen und nicht diese Entfernung zwischen euch zu haben.
Wie geht er denn bisher mit eurer Entfernung um? Könnt ihr offen über eure Gefühle sprechen, wenn ihr euch schreibt oder skypt? Es ist zwar nicht dasselbe wie sich persönlich zu sehen, aber hast Du das Gefühl, dass es Dir irgendwie besser geht, sobald ihr euch richtig austauschen könnt?
Ich könnte mir vorstellen, dass es Dir vielleicht helfen würde, ein kleines Projekt zu starten - nimm Dir vor, ihm so viel wie möglich über Deine Heimat zu erzählen und ihm zu zeigen. Dafür kannst Du Fotos machen, Videos aufnehmen, Geschichten schreiben, Zeichnungen anfertigen von Dingen, von Orten, von Menschen oder Tieren, die Dir hier viel bedeuten. Versuche aber auch, das alles so schön und positiv wie möglich einzufangen - sodass er sehen kann, was die Dinge sind, die Dir hier richtig gefallen, die Du ernsthaft vermisst, wenn Du lange auf Reisen bist. Zum einen bekommt er dadurch einen besseren Blick auf Dein Leben, aber zum anderen kannst Du Dich mit Deinem Leben hier nochmal richtig auseinander setzen, ganz bewusst die schönen Seiten hervorheben, zeigen, was Dich hier ausmacht, vielleicht nochmal alte Geschichten von früher auspacken. Für ihn und für Dich. Ich denke, damit könnte es Dir leichter fallen, diesen scheinbar unüberwindbaren Abgrund zwischen DORT und HIER ein wenig zu über-brücken.

Diese Traurigkeit von der Du sprichst, sie ist quälend, aber ich glaube, in der Situation, in der Du Dich da gerade befindest, ist sie eine ganz normale Konsequenz. Mir kommt das Gefühl irgendwie vertraut vor und nach dem, was ich von Freundinnen weiß, kennt es da auch die eine oder andere. Mit der Zeit alleine wird es besser, so viel kann ich aus Erfahrung sagen.
Aber was auch wirklich hilft, ist gemeinsames Planen. Ihr beide wollt sicher nicht für immer getrennt leben. Was spricht dagegen, nun schon zu überlegen, wie es in der Zukunft weitergeht? Wenn Du Deine Schule fertig hast, könntest Du doch ein WorkandTravel-Jahr nach Australien machen. Informiere Dich über alle Möglichkeiten, die Du in die Richtung hast. (Da Dir Australien sowieso so gut gefällt, gehe ich mal davon aus, dass es Dir lieber ist, dorthin zu gehen, als dass Dein Freund nach Deutschland käme, oder?)

Auf jeden Fall wünsche ich Dir alles alles Gute und bin sicher, ihr werdet im Dezember eine wunderschöne Zeit miteinander verbringen. :) Und so schön und so liebevoll, wie eure Beziehung klingt, da bin ich auch sicher, dass ihr damit sogar die Entfernung irgendwie meistern werdet.

Viele liebe Grüße,

Anna