Problem von Marcel - 24 Jahre

Warum läuft alles falsch

Hallo liebes Kummerkasten Team,

vor mehreren Jahren lief mein Leben noch normal und ich hatte eine für mich ausreichend große Zahl an Freundschaften.Leider sind in Laufe der Zeit durch verschiedene Dummheiten die letzten meiner Freundschaften kaputt gegangen,sodass ich heute überhaupt keine Freunde mehr habe. Egal was ich versuche ich bin beim Technischen Hilfswerk aktiv,ich bin in einem Ruderverein und habe versucht durch das Besuchen von Veranstaltungen die auf einer Internetpräsenz neue Kontakte aufzubauen. Ich habe dadurch zwar neue Leute kennengelernt,es wollen aber einfach keine wirklichen Freundschaften daraus entstehen. Ich sehe um mich rum immer so fröhliche Menschen die sozusagen nur mit dem Finger schnippsen müssen und sofort 10 neue Freunde um sich herum haben. Aber egal was ich versuche es will einfach nicht klappen. Ich bin mittlerweile echt am verzweifeln und fange auch an Depressionen zu bekommen.
Was kann ich noch machen um endlich mal wieder 1 oder 2 Freunde zu bekommen mit denen man wirklich durch dick & dünn gehen kann. Gut ich bin anfangs was schüchtern und zurückhaltend aber es muss doch trotzdem irgendeine Möglichkeit geben.

Ich bedanke mich schon mal herzlich für eure Hilfe.

Christina B. Anwort von Christina B.

Lieber Marcel!

Hm, du erzählst von Freundschaften und davon, dass du viele im Laufe der Zeit durch Dummheiten verloren hast. Was waren denn das für Dummheiten? Gingen die von dir aus? Was ist denn da passiert? Du kannst mir das gerne in einem erneuten Problemtext schildern, wenn du das Gefühl hast, das sei noch von Bedeutung. Oder war es eher wie bei vielen anderen Freundschaften - man lebt sich auseinander, manche ziehen weg, durch Partnerschaften grenzen sich manche ab usw.? Egal, was es war - ich versuche, dir in meinem Text ein paar Tipps zu geben, was du noch tun kannst, um deine Situation zu verändern.

Du wirkst auf mich wie ein sehr aktiver, realistischer, zielgerichteter und nüchterner Mensch. Als du bemerkt hast, dass die Freundschaften immer weniger werden und erkannt hast, dass dich das stört, hast du sofort aktiv etwas dagegen unternommen - bist rausgegangen, einem Ruderverein beigetreten und hast Veranstaltungen besucht, um neue Leute kennen zu lernen. Hut ab, mit realistischer, aktiver "Ich ändere das jetzt."-Einstellung bist du genau richtig an die Sache herangegangen. Zielstrebigkeit ist etwas, das dir im Leben immer wieder weiter helfen kann. Da bringst du schon tolle Eigenschaften mit! Leider hat es anscheinend doch nicht so geklappt, wie du dir das vorgestellt hast. Was könnte der Grund dafür sein? Du schreibst, du hast mehrere Leute kennen gelernt, aber es entstanden keine richtigen Freundschaften daraus. Da kann ich gut verstehen, dass du frustriert bist, weil du ja in all diese Bekanntschaften Zeit und Mühe hineingesteckt hast. Du schreibst, dass um dich herum immer so fröhliche Menschen sind, die scheinbar mit dem Finger schnippen und sofort zehn neue Freunde am Start haben. Woran könnte das liegen? Was machen diese Menschen anders als du? Überlege einmal. Wie treten sie auf? Was sagen sie? Was denken sie? Wie sieht ihre innere Einstellung zu dem Thema aus? Du glaubst scheinbar, dass es ihnen viel leichter fällt, weil sie irgendetwas haben, was du nicht hast. Was könnte das sein?

Ich habe mich gewundert, dass du ausdrücklich von fröhlichen Menschen um dich herum gesprochen hast. Was haben denn deiner Meinung nach fröhliche Menschen an sich, dass man sich zu ihnen hingezogen fühlt? Kann es denn wirklich einfach nur ihre Fröhlichkeit sein? Was denkst du? Ich könnte mir gut vorstellen, dass diese Menschen, von denen du sprichst, denen Freunde scheinbar zufliegen, mit einer gewissen Leichtigkeit, Unbeschwertheit und eben Fröhlichkeit leben und an diese Sache herangehen. Wenn ich deinen Text lese, kommt in mir der Gedanke, dass du vielleicht nicht so unbeschwert bist, da du auch schreibst, jetzt bereits unter depressiven Verstimmungen zu leiden (ich gehe jetzt davon aus, dass du das meinst - Depression ist immer eine diagnostizierte Krankheit vom Arzt und das scheint bei dir, nehme ich an, nicht der Fall zu sein).

Meine Wahrnehmung ist, wenn ich den Text lese, dass du womöglich, als du angefangen hast, aktiv Freunde zu "suchen" schon recht verzweifelt warst. Das spürt dein Umfeld natürlich und ähnlich wie in der Liebe ist es auch in der Freundschaft so, dass man mit verzweifeltem Suchen oft nicht so weit kommt. Es ist schon richtig und auch wichtig, hinauszugehen, aktiv zu werden und sich nicht zuhause zu verkriechen, denn Freunde werden nicht eines Tages an die Tür klopfen. Aber eine lockere Einstellung ist der Freundschaftssuche oft hilfreicher als eine verbissene "Ich muss jetzt sofort Freunde haben."-Einstellung. Versuch's doch einfach mal etwas lockerer zu sehen - wenn du dich mit anderen verabredest, schraube auch ein wenig deine Erwartungen zurück und glaub nicht, dass die Person jetzt dein bester Freund für die nächsten zwanzig Jahre sein wird, sondern sage dir selbst, du genießt jetzt einfach die Gesellschaft mit den anderen Leuten. Nach dem Motto "Im Hier und Jetzt leben" und "Schauen wir mal" kannst du ja in Zukunft ein wenig lockerer an alles herangehen. Das wird auch dein Umfeld spüren und sich gleich mehr zu dir hingezogen fühlen. Fröhlich sein kann man nicht erzwingen, das weiß ich. Es ist auch nicht leicht, wenn man sich bereits einsam fühlt, "locker" zu bleiben, aber man kann es schaffen. Ich sage das,weil ich selbst mal in einer ähnlichen Situation war. Zwar hatte ich nicht alle Freunde "verloren", aber es fühlte sich so an, weil niemand Zeit für mich hatte, da alle mit Studium und Partnerschaften beschäftigt waren. Zu Anfang war ich wütend auf sie, obwohl ich wusste, dass ich ihnen keinen wirklichen Vorwurf machen konnte. Dann begann ich, mich selbst zu bemitleiden und immer wieder zu denken, ich hätte keine Freunde. Und nach einiger Zeit erkannte ich, dass das alles Blödsinn war, dass es an mir selbst lag, neue Freunde zu finden, neue Kontakte zu knüpfen. Ich setzte an bei einer Internetseite - für dich hier der Link: http://www.studenteninserate.at/kleinanzeigen/freunde-freizeitpartner
und fand heraus, dass es noch viele, viele andere Leute gab, denen es genauso ging wie mir. Auf dieser Website kannst Du entweder selbst ein kostenloses Inserat aufgeben, oder aber Dich durch die anderen Inserate klicken und verschiedene Leute anschreiben. So kommst Du ganz unverbindlich mit neuen Leuten ins Gespräch und kannst Dich zum kennen lernen mal auf einen Kaffee treffen. Dann spürt man meist, ob man sich mit dem anderen gut versteht. Manchmal entsteht aus so einer Bekanntschaft eine Freundschaft, manchmal erkennt man, dass man doch nicht so gut miteinander harmoniert. Das gute an solchen Treffen ist, dass Du nicht verpflichtet bist, Dich öfter zu treffen. Du kannst also ganz frei entscheiden, ob Du den Kontakt weiter pflegen willst oder nicht und es kommen laufend neue Inserate und somit neue Chancen, Freunde zu finden.
Ich selbst habe mich mit einigen Leuten getroffen und mit einer davon ist eine richtige Freundschaft entstanden. Außerdem habe ich begonnen, Leute von früher durchzuklingeln, einfach sich mal auf einen Kaffee zu treffen und zu schauen, ob man sich (noch oder wieder) versteht. Auch hier habe ich zwei Freundinnen zurück gewonnen.
Hilfreich sind auch Clubs und Gruppen, ob jetzt Sport oder Musikvereine, was auch immer dir Spaß macht. Bei mir war es die Landjugend, bei der ich auch ein wenig Zugang und Anschluss finden konnte.

Eines möchte ich dir auch noch mitgeben: Schüchternheit und Zurückhaltung sind vollkommen okay! Sie sind das, was du bist und was dich ausmacht, aber gerade beim Knüpfen neuer Kontakte wäre es gut, wenn du dennoch versuchst, offen zu sein und den Leuten auch etwas über dich zu erzählen. Wenn du weiterhin unnahbar bleibst, dann kann es für die andere Seite auch recht schwierig sein. Versuch einfach mal, den schüchternen Jungen in dir bisschen ruhen zu lassen und dafür den offenen, lustigen Jungen in dir heranwachsen zu lassen und in dein Leben einzuladen.

Ein Tipp: Auf der Website der Studenteninserate findest Du auch immer wieder Leute, die jemanden zum spontanem fortgehen suchen. Ich möchte Dir sagen, dass es viele Leute in deinem Alter gibt, die sich einsam fühlen und auch auf der Suche nach Freunden sind. Ich kenne da selbst einige. Es ist also nichts, wofür Du Dich schämen musst. Gerade im Erwachsenenalter verändern sich Freundschaften oft sehr. Manche führen feste Beziehungen, ziehen zusammen, heiraten eventuell, andere wollen noch vollends ihre Jugend ausleben und sind nur auf Partys zu finden, andere sind mit ihrem Studium bis zum Hals eingedeckt, viele finden neue Freunde und erleben andere Dinge. Die Lebenswelten verändern sich. Doch neue Freundschaften können auch sehr aufregend sein. Was kannst Du noch tun, um Dich nicht mehr so einsam zu fühlen? Du kannst üben, mit Dir selbst Spaß zu haben. Leichter gesagt, als getan, das ist mir klar, doch ich möchte Dir das Angebot machen, Dich selbst einmal zu verwöhnen und Dir selbst was gutes zu tun. Was tust Du denn gerne? Hast Du Hobbys? Lesen, schwimmen, sporteln, musizieren, malen, schreiben, klettern, fernsehen, nähen, fotografieren, Tiere, Natur, basteln,... Es gibt so viele verschiedene Möglichkeiten, seine Freizeit zu gestalten. Welche passt für Dich? Wo fühlst Du Dich gut? Welche Tätigkeit erfüllt Dich? Macht dir Freude? Probier doch mal aus, deine Zeit mit Dir selbst auch zu genießen.

Eines möchte ich dir noch mitgeben: Ich erlebe es so, dass man im Leben meist zwei Arten von Freundschaften hat. Da gibt es meist einen, zwei oder manchmal auch drei richtig gute Freunde, mit denen man über alles sprechen kann, die immer für einen da sind, die einem in schwierigen Zeiten beistehen und mit denen man regelmäßig Kontakt hat. Und dann gibt es noch einige andere, die allerdings "Fortgeh" und "Spaß" Freunde sind. Man trifft sich mit ihnen, um Spaß zu haben, was auch immer das heißen mag, aber oftmals sind das nicht die Freunde, die man anruft, wenn es einem schlecht geht. Das ist auch vollkommen okay und gut so (: ich wollte dir nur sagen, dass niemand zehn oder zwanzig Freunde hat, die ALLE immer für einen da sind, denen man allen alles anvertraut, die man alle ständig sieht und mit denen man alle Hobbys gemeinsam hat. Das gibt es nämlich einfach nicht.

Ich hoffe, ich konnte Dir mit meinen Impulsen, Gedanken und Ideen ein wenig weiterhelfen. Solltest Du noch Fragen haben, zögere nicht, erneut einen Text an uns zu schreiben.
Alles Liebe wünsche ich dir!
Herzlichst, Christina