Anwort von Nuala

Lieber Max,

du klingst sehr verzweifelt! Ehrlich gesagt kann ich dich verstehen, ich wäre es auch. Aber nicht nur, weil die Person ungewollt schwanger geworden sein könnte. Sondern weil sie vor dir und nach dir wahrscheinlich ständig an Menschen gerät, die unverhütet in ihr zum Orgasmus kommen und sie dadurch immer wieder der Gefahr ausgesetzt ist, schwanger oder krank zu werden. Vermutlich würde dann gar nicht ersichtlich sein, wer der Vater ist. Sofern sie das Kind behalten würde/dürfte.
Es geht hier also nicht nur um dein persönliches Dilemma, sondern auch um ihr Schicksal, das eingebettet ist in ein krankes System hier, in dem Menschen wie Ware zum Sex angeboten werden.

Und ich glaube, dass dein Problem tiefer liegt, als dass es "nur" um Sex geht. Dein Erlebnis mit dem ungeschützten Geschlechtsverkehr hat wohl etwas in dir ausgelöst, das vorher schon in dir "gegärt" hat - vielleicht generelle Schuldgefühle. Oder auch, dass du einen abhängigen Menschen, der sich aller Wahrscheinlichkeit rein aus wirtschaftlicher Not prostituiert hat, für deine Befriedigung genutzt hast.
Du solltest darüber nachdenken, ob eine therapeutische Aufarbeitung sinnvoll für dich wäre. Ich kann nicht einschätzen, ob das wirklich nötig ist. Aber aktuelle scheinst du Hilfe zu brauchen, denn dein Körper zeigt dir schon eindeutige Warnsignale!

Dafür kann ich dir meine Meinung rund um das auslösende Ereignis mitteilen.
Ich will dir kein unnötig zusätzliches schlechtes Gewissen einreden. Nur finde ich es sehr bedeutsam, dass du die Sache mit der Prostitution genau für dich reflektierst: Warum bin ich genau zu ihr gegangen? Weil es so einfach war? Weil sie keine Forderungen an mich gestellt hat und ich einfach "machen konnte"? - Ich denke, dass ist das Grundproblem der Prostitutionskultur. Dass es viel zu wenig Einvernehmlichkeit, Freiheit in der Entscheidung und wahre Freude an dem Job gibt. Sondern viel Schein, viel Selbsttäuschung, Übergehen der eigenen Bedürfnisse - und einfach Zwang. Zwang, Geld zu erwirtschaften, Zwang von Anderen, psychische Beeinträchtigungen und Erkrankungen, die das Annehmen anderer Jobs erschweren.
Es wird in den Medien gerne behauptet, dass es ja soo viele selbstbestimmte und leidenschaftliche "Sexarbeiterinnen" gibt. Ich glaube an dieses Märchen nicht. Da spricht einfach zuviel dagegen. Und deine Schilderung ist ein gutes Beispiel dafür.

Ich hoffe, du wirst in Zukunft, wenn du noch zu Prostituierten gehen willst, andere Angebote nutzen. Von Menschen, die sich nicht in einer Notlage befinden. Die deine Sprache sprechen. Mit denen du vor dem Sex absprechen kannst, was gewollt ist und was nicht. Dass du immer im Kopf hast, dass Frauen keine Objekte sind, sondern fühlende und denkende Wesen, die in diesem Gewerbe oft sehr viel ertragen müssen und leider viel Demütigung und Gewalt ausgesetzt sind. Dass dir klar ist, dass du kein Recht auf den Körper eines anderen Menschen hast. Und wie wertvoll es ist, dass sich dir eine fremde Person derart hingibt, dich so intim an sie heranlässt.
Das alles sollte in einem Rahmen geschehen, der von der Person selbst gestaltet und gesteuert wird. Was auch heißen muss: Dieser Mensch MUSS das letzte Wort haben dürfen!

Was kannst du außerdem tun?
Zum Einen kannst du diese Frau erneut besuchen. Und dich bei ihr entschuldigen. Sprich doch auf Englisch mit ihr. Und selbst wenn die Sprache hapert, kannst du dir sicher eine Möglichkeit einfallen lassen, um ihr zu zeigen, was dir zu schaffen macht. Und dass es dir wichtig ist, dass es ihr gut geht.
Wenn du das Gefühl hast, dass sie dort ausgebeutet wird, solltest du überlegen, ob du ihr da raushelfen kannst. Lade sie ein! Geh mit ihr spazieren, zeige ihr etwas Schönes. Das wäre in meinen Augen zumindest eine sehr gute Option, um deine Schuldgefühle in eine wirklich edle Tat umzuwandeln.
Natürlich ist das alles schwer und die Person will sich vielleicht gar nicht helfen lassen. Dann hast du aber dennoch den entscheidenden Schritt auf sie zugemacht und den Bestes zur Wiedergutmachung gegeben.
Sollte es dir gelingen, einen näheren und regelmäßigen Kontakt mit der Frau aufzubauen und sollte sie tatsächlich schwanger sein, kannst du einen Vaterschaftstest finanzieren. So könntest du zumindest für dich Klarheit erhalten und deiner Verantwortung nachkommen, sofern du wirklich der Vater wärst.

Darüber hinaus finde ich persönlich, dass es genug Wege gibt, mit wirklich freiwilligen Menschen kostenlos Sex haben zu können. Portale im Internet gibt es genug. Denn es gibt doch auch andere Männer und Frauen, die es lieben, viel Sex zu haben. Such doch genau nach diesen Kontakten. Und glaube nicht, dass du da nur wenig Frauen finden kannst. Es gibt natürlich genauso Frauen, die unglaublich viel Lust auf Sex haben und dies auch gern mehrmals am Tag haben wollen. - Wer weiß? Vielleicht findest du sogar eine Liebespartnerin, die diesbezüglich auf deiner Wellenlänge liegt. Wenn ihr dann noch eine offene Beziehung führt, ist Sex mit weiteren Leute möglich und kann euch bereichern.

Ich wünsche dir alles Gute!
Nuala