Anwort von PaulG

Liebe Anonyme,

ich hoffe, du konntest ein - den Umständen entsprechend - glückliches Weihnachten verleben. Leider kam ich nicht eher zu einer Antwort an dich.

Falls die Situation sich noch nicht gelöst hat, gibt es zwei Punkte, für die eine Lösung gefunden werden muss: Erstens - was ist mit deinem Freund? Und zweitens - was mit deiner besten Freundin? Man könnte auch noch hinzufügen - was ist mit den beiden zusammen?

Wenn dein Freund weiß, dass du im Recht bist, ist es noch verwerflicher, dass er nicht zu dir steht, als es sowieso schon wäre. Selbst wenn er glauben sollte, dass an den Vorwürfen deiner Freundin etwas dran wäre, wäre es immer noch seine Aufgabe, mit dir das Gespräch zu suchen und zu probieren, mit dir gemeinsam eine Lösung zu finden. Es gibt in Beziehungen zwar Meinungsverschiedenheiten - und es kann auch notwendig werden, den Menschen zu kritisieren, den man liebt. Jedoch kommt es immer stark auf das Wie an. Dass dein Freund nicht zu dir steht, ist nicht in Ordnung, und zwar absolut nicht. Selbst wenn er der Meinung ist, dass die Beschuldigungen deiner Freundin stimmen, kann es nicht angehen, dass er zusieht, wie du angeschrien wirst - und sich danach lieber mit der Person trifft, die dich verletzt hat. Das richtige Verhalten hätte zweierlei sein können: Entweder dich in Schutz zu nehmen und dich zu unterstützen - wenn er glaubt, dass du im Recht bist. Oder zu versuchen, den Streit zu unterbrechen, sich mit dir zurückzuziehen und dir zu erklären, was deine Freundin anscheinend nur durch Schreien ausdrücken kann. Es ist eine Sache, anderer Meinung zu sein als die Freundin. Es ist eine andere Sache, nicht daran zu arbeiten. Als Freund hat er die Verpflichtung, daran Anteil zu nehmen, wenn es dir schlecht geht. Genauso gehört es sich, dass er deine Konflikte nicht stehen lässt (nach dem Motto: Was sie mit ihrer Freundin hat, geht mich nichts an), sondern eine Meinung hat und diese dir kommuniziert. Denn was dich beschäftigt, kann ihm nicht egal sein, wenn er dich wirklich liebt.

Dein Freund hat - halten wir das fest - keins von beidem gemacht. Er hat sich sogar mit deiner Freundin gegen dich verbunden. Man muss sich also fragen, ob er wirklich Interesse daran hat, dass es dir gut geht. Jedenfalls verhält es sich nicht so. Und wer kein Interesse am Wohlergehen des Menschen hat, mit dem er angeblich eine Liebesbeziehung hat, der fühlt keine Liebe, sondern Geringschätzung.

Wenn dein Freund sich nicht von sich aus gemeldet hat, um sich zu entschuldigen (was sich gehören würde!), dann gib ihm noch eine letzte Gelegenheit, falls du ihn noch liebst: Ruf ihn an und sage ihm, dass dich verletzt hat, was er getan hat, und dass du gerne mit ihm darüber reden würdest. Setz ihm auseinander, dass du im Recht warst und dass du von ihm erwartest, zu dir zu stehen. Geht er auf dieses Angebot nicht ein oder unterstellt dir gar, ihm Unrecht zu tun, dann vergiss ihn. Denn Liebe ist nicht nur ein schönes Gefühl, sondern Liebe ist auch eine Verpflichtung: Die Verpflichtung, mit dem geliebten Menschen gemeinsam das Leben zu bestreiten. Wenn er nicht für, sondern bewusst gegen dich lebt, ist er nicht der Richtige für dich. Er mag über den Konflikt mit deiner Freundin denken, was er will - wenn er anderer Meinung ist, sollte er zuallererst zu dir gehen und das mit dir klären. Zu deiner besten Freundin sollte er dann gehen, wenn er glaubt, dass das für euch alle das Beste ist, und er etwas zur Lösung beitragen kann. Da er aber zuerst zu ihr gegangen ist, hat er signalisiert, dass er a) auf ihrer Seite ist und b) auch keine Lust hat, etwas für die Lösung des Konfliktes zu tun. Und auf einen Mann, dem dein Wohlergehen nicht wichtig ist, kannst und solltest du verzichten.

Was deine beste Freundin betrifft, müssen wir wohl annehmen, dass sie ihr Verhältnis zu dir klären wird: Wenn sie dich wirklich beschuldigt, ihre Beziehung zu zerstören (und vielleicht gar ein Auge auf deinen Freund geworfen hat?), wird sie dich nicht mehr zur Freundin haben wollen. Und das wirst du dann wahrscheinlich dankbar annehmen, denn was ist das noch für eine Freundschaft, wenn sie dich zu Unrecht beschuldigt, dich anschreit und dir deinen Freund nimmt? Damit ist nichts zu gewinnen. Natürlich wird sie sich im Recht fühlen - jeder fühlt sich im Recht. Wenn sie es aber nicht ist, darfst du von ihr mit gutem Grund eine Entschuldigung erwarten. Falls sie nicht kommt, und falls sie sich weigert, mit dir zu reden, dann kannst du auch diese Freundschaft im Grunde vergessen. Wichtig ist aber vor allem, dass du ein Gespräch anbietest und versuchst, das Problem zu lösen. Geht sie darauf nicht ein, dann kannst du reinen Gewissens weiterleben und musst dir nicht vorwerfen, du hättest es nicht versucht. Soll sie mit ihren ungerechten Vorwürfen so weitermachen, wenn sie mag - es liegt dann nicht in deiner Hand.

Manchmal kann es heilsam sein, Konflikte, die sich nicht im Gespräch lösen zu lassen, für beendet zu erklären: Gut - ihr wollt mit mir nicht kommunizieren und missachtet mich. Dann habt ihr auch keinen Platz mehr in meinem Leben. Das ist hart, aber nur unter einem sauberen Schlussstrich kann etwas Neues entstehen. Und was ein sauberer Strich ist, musst du selbst entscheiden: Vielleicht gibt es dir etwas, beide noch weiterhin in deinem Freundeskreis zu wissen, aber nicht mehr so eng wie vorher mit ihnen zu sein. Vielleicht ist es dir aber auch lieber (und nichts wäre verständlicher als das), wenn du einen Schnitt machst und diese Bindungen kappst. Es empfiehlt sich, vorher noch einmal das Gespräch zu suchen, damit du dich hinterher nicht fragen musst, ob es vielleicht noch andere Möglichkeiten gegeben hätte - und weil es auch keinen Sinn ergibt, sich vorschnell etwas zu nehmen, dass einem eigentlich viel bedeutet. Beides liegt in deiner Hand, und du musst entscheiden, ob du meiner Überlegung zustimmst. Ich bin jedenfalls der Meinung, dass Klarheit besser ist als Unsicherheit, Handeln besser als Abwarten - und darum empfehle ich auch dir, vom Behandelt werden ins Tun zu gehen: Wenn die Kommunikation gescheitert ist, haben deine "beste Freundin" und dein "Freund" dir trotzdem vermittelt, dass du in ihrem Leben nicht den Stellenwert hast, den du verdienst. Dann ist das dir gegenüber ungerecht, aber es wird dich nicht glücklich machen, zu streiten. Sie werden nur noch tiefer in ihre Vorwürfe gegen dich einsteigen, bis ihr am Ende gar nicht mehr reden könnt, ohne euch zu hassen. Das kannst du dir ersparen, indem du erforschst, ob sie überhaupt noch zu einem Gespräch bereit sind. Falls nicht, solltest du - so schwer es auch ist - die Konsequenzen ziehen. Denn eine gemeinsame Wegstrecke ist kein Grund, sie fortzusetzen, wenn ein Mensch nicht mehr zu dir steht, der dich eine Weile begleitet hat. Es ist hart, aber nur auf deiner Vernunft (und deiner Konsequenz gegenüber dir selbst) kann etwas Neues in deinem Leben entstehen.

Ich wünsche dir die Kraft, noch einen letzten Versuch zu starten - und die Stärke, dich zu lösen, wenn dieser Versuch misslingt. Inzwischen ist einige Zeit verstrichen - sie sollten sich also beruhigt haben, wenn sie überhaupt noch an ihren Vorwürfen gegen dich festhalten wollen. Wenn sie in diesem Jahr das Ganze nicht aus der Welt schaffen wollen, dann werden sie es auch im nächsten nicht wollen. Tu dir selbst den Gefallen, und nimm ihnen in diesem Fall die Möglichkeit dazu. Sie haben dann entschieden, dass sie auch ohne deine Zuneigung und deine Liebe leben können - also zeige du ihnen, dass du ihre niemals nötig hattest. Es ist dein Recht und deine Chance auf einen Neuanfang.

Beste Grüße und ein glückliches neues Jahr,

Paul