Problem von Katrin - 19 Jahre

An PaulG: Bericht von meinem Gespräch mit meiner Lehrerin

Hallo Paul

ich hatte heute( 17.01) das Gespräch mit meiner Lehrerin. Das Gespräch lief anders wie ich es erwartet habe. Ich bereue es sehr, dass ich mit ihr über meine Suizidgedanken gesprochen habe. Sie hat zu mir gesagt, dass sie mir nicht helfen kann, weil sie für sowas nicht geeignet ist. Jetzt weiß ich nicht wie ich mit ihr in der Schule im Unterricht umgehen soll. Ich hätte vielleicht doch besser mit jemanden gesprochen, die sich da wirklich auskennen. Das sind beides Pädagogen und ich kenne die beiden schon seit 4 Jahren. Aber das wollte ich erst nicht, weil ich Angst hatte was passiert. Ich hatte Angst, dass die mich vielleicht zwangseinweisen, wenn ich ihnen das erzähle. Das habe ich auch immer noch. Und deswegen habe ich das Gespräch mit meiner Lehrerin gesucht. Ich wünschte, dass man die Zeit wieder zurückstellen kann.

Liebe Grüße
Katrin

Nuala Anwort von Nuala

Liebe Katrin,

bitte wundere dich nicht, dass ich dir schreibe - Paul und ich haben das so vereinbart. Ich soll dich lieb von ihm grüßen und er denkt an dich! Gerade habe ich mehr Kapazitäten bezüglich deines Anliegens, weswegen ich dir gerne schreiben möchte, bevor deine Mail gelöscht wird.

Ich habe einen groben Einblick erhalten, was dich in den vergangenen Jahren bewegt hat und auch jetzt noch das große Thema ist. Suizidgedanken sind etwas sehr, sehr Ernstes, weswegen ich es gut finde, dass du dich deiner Lehrerin anvertraut hast. Dass euer Gespräch nicht so verlaufen ist, wie du es dir erhofft hattest, tut mir leid. Allerdings sehe ich darin auch Gutes, denn deine Lehrerin war ehrlich und hat sich selbst geschützt. Das ist professionelles Handeln! Streng genommen bist du ja wahrscheinlich auch nicht davon ausgegangen, dass sie sich tatsächlich mit der Suizid-Thematik auskennt. War es vielleicht noch etwas Anderes, was dich erschreckt und enttäuscht hat? Das könntest du für dich einmal reflektieren.

Ich sehe das Ganze auch als Chance: Dass du dich nun in die Hände von Profis begibst, wie du selbst auch schon angedeutet hast. Es kann wahre Wunder wirken, sich in einer Klinik einmal vollständig aus dem bedrückenden Alltag ausklinken und sich ganz auf sich konzentrieren zu können. Zudem gibt es dort fachkundiges Personal, das deine Sorgen von vielen Anderen kennt und sich darauf spezialisiert hat. Da ist also ein gemeinsames Arbeiten ohne Scham und Überforderung möglich, weil diese Personen nicht nur dafür ausgebildet sind, sondern auch durch die tägliche Arbeit viel Erfahrung und Wissen mitbringen. Das kann dir sehr dienlich sein!

Ich kenne dich nicht als Person und kann nur schwer abschätzen, was dir alles helfen könnte. Nur denke ich, dass du in deinem aktuellen Leben einige "Brocken" liegen hast, die deine Suizidneigung nicht gerade verringern, sondern vielmehr aufrecht erhalten und eher noch verstärken. Da sehe ich vor allem diese drei Bereiche:

1. deine soziale Situation
2. deine familiären Erfahrungen
3. deine ungeliebte Ausbildung

Am leichtesten finde ich die Nummer 3 auszumerzen - weg damit. Du denkst jetzt vielleicht, das geht nicht so einfach! Und ich sage: Doch, das geht. Weil du ein freier Mensch bist, dessen Bedürfnisse und Interessen wichtig sind. Und wenn die Ausbildung diesen nicht entspricht, passt sie nicht. Du hast von verschiedenen Menschen gehört, du könntest dies oder jenes nicht. Das finde ich fatal. Es muss darum gehen, deine Stärken und Talente zu entdecken - die du auf jeden Fall hast - und diese konsequent zu fördern! Wie wäre es mit einer Berufsberatung? Lies gerne auch hier: https://mein-kummerkasten.de/331244/Meine-Traumberuf-wird-nicht-zu-erfuehlung-gehen.html
Übrigens kann ein stationärer Klinikaufenthalt auch hier etwas bringen, weil du viel mehr in dich "hineinhorchen" kannst, was du beruflich alles kannst, ob du vielleicht doch an eine Wunsch-Ausbildung herankommen kannst (wenn auch über Umwege!) und dich selbstsicherer in deinen Fähigkeiten und Fertigkeiten machen kannst.

Zu deiner mangelnden sozialen Unterstützung möchte ich dir sagen: Auch das ist kein Schicksal. Du kannst weitere Menschen finden, die mitunter mehr Zeit für dich haben. Außerdem kannst du gezielt bei deinen bestehenden Kontakten gucken, dass ihr mehr miteinander teilt. Wenn jemand aufrichtig mit dir befreundet ist, kannst du sie:ihn sicherlich bitten, sich öfter mit dir zu treffen, weil es dir sehr gut tun würde.
Oder wenigstens öfter chatten oder telefonieren...
Ich habe an anderer Stelle immer weder rund um Einsamkeit/Freund:innen finden geschrieben und möchte dir diese Links zeigen: https://mein-kummerkasten.de/330646/Keine-Freunde.html und auch hier: https://www.mein-kummerkasten.de/330941/Trennungsprobleme.html

Zugegebenermaßen ist es nicht mal eben auszubügeln, was dir deine Mutter angetan hat. Diese Narben wirst du dein Leben lang tragen. Aber: Du kannst lernen, sie nicht mehr allzu stark zu spüren. Auch hier wieder der Verweis auf Therapie und/oder psychiatrische Klinik, denn da kann das Leben mit der schmerzenden Vergangenheit angebahnt werden, sodass die Schmerzen bestenfalls immer schwächer werden. Es ist ja schon viel gewonnen, wenn man nicht mehr permanent darüber nachdenken muss, was alles miserabel gelaufen ist!

Liebe Katrin - ich möchte mich abschließend kurz halten. Wahrscheinlich könnte ich noch sehr viel darüber schreiben, weswegen eine Therapie oder eine stationäre Behandlung passend wären in deiner Situation. Ich denke jedoch, ich habe dir viel zum Nachlesen und Nachdenken an die Hand gegeben, was du erstmal sacken lassen musst. Ich würde vorschlagen, du fühlst in dich hinein, ob du nun tatsächlich den Schritt in Richtung Therapie gehen kannst und willst. Und natürlich kannst du uns auch wieder schreiben. Denn du weißt es bestimmt schon: Allein das Niederschreiben der eigenen Gedanken und Emotionen bringt schon etwas. Ich finde das sehr wesentlich!

Ich wünsche dir alles erdenklich Gute!
Nuala