Problem von Anonym - 22 Jahre

ich schaffe es nicht loszulassen

Liebes Kummerkasten-Team,
wie ich mich kenne wird das wohl eine sehr lange Nachricht, aber ich bemühe mich, mich halbwegs kurz zu halten.
Vor 2 Jahren habe ich in einem Praktikum meinen Freund kennengelernt, er 15 Jahre älter als ich. Er ist mein erster Freund und auch so der erste, der sich in die Richtung für mich interessiert hat. Wir kamen sehr schnell zusammen, obwohl ich damals schon ein ungutes Bauchgefühl bei der ganzen Sache hatte. Der Altersunterschied, ganz unterschiedliche Lebenssituationen, komplett unterschiedliche Einstellungen, sowohl politisch, als auch in so ziemlich allen anderen Bereichen unserer Leben. Er ist sehr antriebslos, steckt seit Jahren in einem Beruf, der ihm keinen Spaß mehr macht und der ihm alles abverlangt, arbeitet jedoch "nur" Teilzeit.
Man könnte ihn als richtigen Griesgram beschreiben, sehr faul, immer zuhause, keine Lust für Unternehmungen, keine Hobbys, Kettenraucher und Alkoholproblem (mindestens 5 Bier täglich, in meinen Augen höchst bedenklich). Ebenso hat er sehr wenig Geld und hohe Schulden, was er immer als Ausrede verwendete, nichts mit mir unternehmen zu können. Anfangs verband uns eigentlich nur der Sex. Ich begann, mich komplett für ihn aufzuopfern. Lud ihn häufig zum Essen ein, bezahlte ihm Dinge, die er sich nicht leisten konnte, in der Hoffnung, ihn so glücklicher zu machen. Fuhr immer zu ihm, weil er meinte, er kann es sich nicht leisten, zu mir zu kommen. Ging mit zu Familienfeiern, wobei ich mich dort nie wirklich willkommen gefühlt habe. Ignorierte komplett meine eigenen Bedürfnisse.
Anfangs redete ich mir ein, ich wäre so glücklich, und dass mir dies reichte im Leben. Doch nach einiger Zeit veränderte sich auch sein Wesen, er wurde immer fauler und abweisender, wollte nicht einmal mehr Sex haben, war nur noch genervt von mir und lies mich dies auch spüren. Wenn ich ihn darauf ansprach meinte er immer, ich bilde mir diese Probleme ein, ich habe zu hohe Ansprüche und er tue doch so viel für mich, nur dass ich dies nicht sehen würde weil ich in meinen eigenen Vorstellungen gefangen war.
Nach dem auch der Sex ausblieb (ich versuchte es immer, bekam jedoch in 90% der Fälle einen Korb), fiel die einzige Sache weg, die uns verband. Ich fühlte und fühle mich auch überhaupt nicht unterstützt von ihm. Zum Beispiel bekam ich vor einigen Wochen mein Türschloss in meiner Wohnung nicht auf, da mein Schlüssel irgendwie klemmte, und rief ihn an und bat ihn, zu mir zu kommen (Wir wohnen etwa 10 Minuten auseinander) um mir mit der Tür zu helfen. Er war an dem Abend nur zuhause, teilte mir dann jedoch mit, dass ich doch lieber gleich den Schlüsseldienst rufen solle da er jetzt müde sei und eigentlich nicht mehr herfahren möchte. Ich musste ihn 10 Minuten überreden, mir mit der Tür zu helfen, während ich verzweifelt und wie ein Depp in meinem Wohnhaus vor meiner verschlossenen Wohnung stand. Gott sei Dank kam dann ein Nachbar nach Hause und half mir mit der Tür, mein Freund war sehr glücklich darüber, nicht mehr zu mir kommen zu müssen.
Ein weiteres Beispiel: Vor einigen Monaten ging mir mein Auto ein, und ich rief den Abschleppdienst an, der brauchte jedoch 2 Stunden. Ich bin eine junge Frau und habe keine Ahnung von Autos, und wollte einfach, dass jemand da ist, wenn der Abschleppdienst kommt, der mich dann auch mitnehmen kann, da ich nicht mit dem Abschleppdienst mitfahren wollte. Ich rief meinen Freund an, der an dem Tag zuhause war und nichts vor hatte, erklärte ihm die Situation, und bat ihn, zu meinem Auto zu kommen. Er murrte wieder ewig lang rum, bis er dann doch kam. Als er da war, sagte er zu mir, ich solle nun in sein Auto steigen er bringt mich heim. Ich sagte dann drauf:" Was nein, ich habe ja gesagt der Abschleppdienst kommt, ich muss auf den warten, ich wollte nur, dass du da dabei bist und ich hier nicht so doof alleine stehe" worauf er dann entgegnete:" Ich warte hier jetzt sicher keine Stunde bis der kommt", sich wieder in sein Auto setzte, und nach Hause fuhr. Er ließ mich dort wie einen Trottel mitten auf der Straße stehen. Eine Freundin musste mich dann abholen kommen.
Wenn er dann doch mal etwas für mich macht, wird er sofort aggressiv und lässt mich spüren, was er davon hält. Ich wurde operiert und bat ihm, mich aus dem Krankenhaus abzuholen. Ich hatte nach der Operation starke Schmerzen und er fuhr sehr wild mit mir im Auto herum, bis ich zum Weinen anfing weil ich solche Schmerzen hatte. Er schnauzte mich nur an ich solle mich nicht so anstellen und er hätte mich ja eh abgeholt, was jetzt mein Problem wär und mehr oder weniger ich solle jetzt aufhören zu heulen.
Ein weiteres Mal musste ich in meinem Auto Öl nachfüllen. Das mag jetzt zwar lächerlich erscheinen, aber ich habe das davor noch nie gemacht und habe meinen Freund gefragt, ob er mir das einmal zeigen könne. Er bejahte dies, also fuhr ich Öl kaufen und danach zu ihm. Der Motor war noch heiß, und er leerte beim Nachfüllen alles daneben, sodass der komplette Motor zum Dampfen anfing. Er wurde darauf extrem wütend, motzte mich an warum ich mit solchen Problemen nicht gleich in die Autowerkstatt fahren würde, und warum er immer alles ausbaden müsse. Ich entgegnete dann, dass ich ihn extra gefragt habe, ob er sowas könne, und dass er mir einfach sagen hätte sollen dass er selber keine Ahnung hat. Darauf hin wurde er so wütend, dass er mich mit dem dampfenden Motor alleine stehen hat lassen und einfach zurück in seine Wohnung ging. Ich wartete dann alleine auf der Straße 10 Minuten bis das Auto zum dampfen aufhörte und fuhr wortlos nach Hause.
Das sind so Situationen die mir ganz klar im Kopf geblieben sind, es waren jedoch weitaus mehr solche Situationen.

Ab diesem Zeitpunkt ging es rasant bergab, ich versuchte, mich mehr auf mich zu konzentrieren, als ich merkte, dass von ihm nicht mehr kommt. Fuhr nicht wie selbstverständlich zu ihm, in der Hoffnung, er würde aufwachen und sich mehr um mich kümmern. Doch dies blieb aus. Häufig führte ich Gespräche, in denen ich auch seinen Alkohol- und Zigarettenkonsum thematisierte, doch er meinte, er wäre nicht bereit diesen zu ändern.

Nach einem Jahr Beziehung war ich fix und fertig und trennte mich von ihm. Die Trennung war furchtbar, er sah es überhaupt nicht ein, beschimpfte mich, beteuerte seine Liebe und warf mir vor, ihn aus dem Nichts heraus und ohne Vorwarnung verlassen zu haben. Er bestand darauf, meine Ansprüche wären zu hoch und könnten niemals von jemandem erfüllt werden und es tat ihm doch so weh, dass ich seine Liebe zu mir nicht erkennen konnte.
Anfangs ging es mir sehr gut mit der Trennung, doch nach 3 Monaten begann ich, ihn furchtbar zu vermissen. Ich blendete all die negativen Dinge aus, weshalb ich mich getrennt hatte, und malte mir in meinem Kopf aus, was für ein wunderbarer Mann er nicht sei und was er nicht alles für mich getan hatte. Ich war nicht stark genug, und meldete mich wieder bei ihm. Anfangs einigten wir uns auf eine Freundschaft plus, doch schon bald steckten wir wieder in einer Beziehung.
Dies geht nun wieder seit fast einem Jahr so, und die alten Probleme werden immer präsenter. Ich bin zutiefst unglücklich und merke schon, dass ich komplett aufgegeben hab. Ich bin eine unglaublich hilfsbereite, humorvolle, positive und glückliche Person, doch sobald ich ihn sehe verwandle ich mich in einen Schatten meiner selbst- ich werde, so wie er, still, negativ, schlecht gelaunt, und richtig aggressiv. Wir zicken uns nur noch an, kein Tag vergeht an dem wir nicht streiten. Ich ziehe mich immer mehr zurück weil ich merke, wie schlecht mir diese Beziehung insgeheim tut, und ertappe mich bereits, wie ich mich nach anderen Männern umsehe. Das ist ihm gegenüber doch auch nicht fair.

Im Großen und Ganzen weiß ich, dass ich mich trennen muss, um ihm, sowie mir eine Möglichkeit für einen Partner zu geben, der zu uns passt. Nur mir tut es so weh. Einerseits fühl ich mich so verantwortlich für ihn, weil seine Mutter früh verstorben ist und ich mich wohl manchmal in dieser Rolle sehe- z.B. habe ich ihm seinen Lebenslauf neu geschrieben, weil er dies alleine nicht konnte, ich koche für ihn, putze etc. Auf der anderen Seite aber habe ich auch furchtbare Angst davor, alleine zu sein. Er war mein erster Freund und wie bereits erwähnt hatte ich davor nie das Gefühl, dass sich jemand für mich interessiere, und ich habe Angst, einfach niemanden mehr zu finden. Meine Mutter ist seit 14 Jahren alleinstehend und ich sehe, wie schwierig das für sie ist. So möchte ich einfach nicht sein.
Natürlich weiß ich, dass es nichts bringt, bei meinem Freund zu bleiben. Mittlerweile haben wir uns Garnichts mehr zu sagen, wir haben auch keinen Sex mehr, sehen uns nur alle 2-3 Wochen, da ich es einfach aufgegeben habe, immer zu ihm zu fahren (er kommt jedoch auch nicht zu mir, wir sehen uns dann einfach nicht bis ich mich dann doch wieder überwinde, hin zu fahren).
Das ist nicht das Leben, dass ich mir für mich selbst wünsche, und doch fühle ich mich so gefangen in der Situation. Ich habe es schon einmal geschafft, ihn zu verlassen, doch nun fühlt es sich noch schwieriger an. Aber wenn ich so darüber nachdenke, fühle ich mich fast bereits so, als hätte ich keinen Freund mehr, da wir uns kaum noch schreiben oder uns sehen.
Ich weiß nicht, was ich jetzt hören will. Aber es tut auch einfach nur gut, alles einmal hier niederzuschreiben. Ich glaube meine größte Angst ist das alleine seien oder das "Überbleiben", beziehungsweise, dass ich in 3 Monaten nach der Trennung dann wieder bei ihm "angekrochen" komme, sowie das letzte Mal. Das möchte ich auf keinen Fall. Ich möchte mich endlich komplett von diesem Mann lösen, um mein eigenes Glück wieder zu finden, doch es fällt mir so schwer.

Ich weiß jetzt nicht ganz, wie ich das Schreiben hier beenden soll. Ich schätze vielen Dank für all die, die sich das durchgelesen haben!
Liebe Grüße

JuliaZ Anwort von JuliaZ

Liebe Ratsuchende,

Erst einmal vielen lieben Dank für deine Zuschrift! :)

Sicher würde man all solche Schwierigkeiten mit fehlenden Gemeinsamkeiten und den ganz anderen Lebensplanungen dem Altersunterschied zuschreiben. Aus deinen Erzählungen, geht Es allerdings gar nicht so viel darum. Es geht um die Abhängigkeit zu einem Menschen, der selbst in ganz großen Krisen und Schwierigkeiten lebt und wohl auch wenig Motivation zeigt, sich zu verändern. Zu einem solchen Menschen eine Distanz zu bekommen, stellt sich oft als schwer dar, jedoch ist es mehr wie nachvollziehbar, das die jetzige Situation nicht der Vorstellung entspricht, die Du von deiner Zukunft haben möchtest. Wo siehst Du dich in seinem Alter? Das kann sehr viel Aufschluss darüber geben, was Du dafür brauchst und was Dir fehlt. Er scheint kaum Interesse an Gemeinsamkeit mit dir zu haben. Es ist in der Liebe oft nie so wie am Anfang, sobald einige Zeit vergangen ist - aber die gegenseitige Liebe und das gegenseitige Gefühl, füreinander da sein zu wollen. Und sich zu unterstützen, das sollte in jedem Fall bleiben. Und wenn nicht, dann sollten beide es mindestens gleich sehen, wie es ist und sich dann arrangieren. Deine Bedürfnisse passen jedoch in keinster Weise zu dem, was Du dir wünscht.

Man merkt, das Es dir sehr um die Nicht-Materiellen Dinge geht. Für Ihn scheint dies nicht mehr viel zu bedeuten. Das hast Du selbst erkannt. Nun kann man natürlich nicht einfach sagen: Schluss. Aus. Alles vorbei. Vor allem wenn man selbst so emotional an diesen Menschen gebunden ist, dem man ja auch Hilfe geben möchte. Eine Freundschaft + nach eurer Trennung war zum Scheitern verurteilt - denn dies kann nur funktionieren, wenn es für beide auch nicht mehr ist.

Eine Trennung ist selten für beide schön und es bringt viele neue Gedanken und Fragestellungen mit sich. Für dich selbst weißt Du aber, das es besser ist. Viel besser. Er tut dir überhaupt nicht gut. Du hast es auch schon einmal geschafft. Nun beim zweiten Mal geht es darum durchzuhalten. Du hast Ihn ja mit 20 Jahren kennengelernt und dich in Ihn verliebt. Es muss nicht sein, das Du danach alleine bleibst, auch wenn Du vorher nicht viele Anfragen hattest. Du bist nun ein Schritt weiter und weißt mehr, was Du möchtest. Du bist auch nicht deine Mutter, sondern Du selbst mit deinem eigenen Lebenslauf. Dich weiter in die Gedanken zu flüchten was negatives danach sein könnte, also nach der Trennung - stoppt dich nur! Es geht eben jetzt genau darum, das Du voran kommst. Nicht in den Rückwärtsgang gehst und nicht auf die Bremse für dein Leben drückst. Es soll besser weitergehen und das hast eben jetzt nur Du in der Hand. Diese Trennung wirst Du durchhalten.

Auch ohne Ihn, bist Du nicht weniger alleine. Ganz im Gegenteil - ohne Ihn hast Du mehr Möglichkeiten dich auf dich, deine Gefühle und Lebensplanung zu konzentrieren. Du schreibst von einer Freundin, die dich abgeholt hatte, als Er dich mit dem Auto alleine hat stehen lassen. Alleine bist Du also nie - sondern hast durchaus Menschen die für dich da sind, wenn Du es brauchst. Er hat für dich keinen Mehrwert mehr und Du fühlst dich überhaupt gar nicht wohl!

Du wirst diese Trennung durchhalten - alleine deshalb, weil Du es wirklich willst und die Kraft dazu auch hast. Du hast nun 2 Mal erfahren, das er sich aus seiner jetzigen Situation nicht befreien kann. Gebe ihn eine Adresse für eine Beratungsstelle an die Hand, die Ihn bei seinem Alkoholproblem unterstützen und lass Ihn damit selbst entscheiden. Du lässt Ihn damit nicht im Stich, sondern gibst Ihm genau das was er vielleicht braucht - den nötigen Abstand um etwas in seinem Leben zu verändern. Und wenn nicht, dann ist es für Ihn auch einfach grade nicht umsetzbar. Das siehst Du selbst bisher, was ist, wenn Er überhaupt zu keiner Änderung bereit ist - ob nun in seinem Alkoholproblem oder dem Verhalten Dir gegenüber. Er scheint das nicht umsetzen zu wollen/zu können, derzeit. Das sollte man ebenso akzeptieren und abhaken, damit Du für dich weiter kommen kannst. Du hast es versucht - jetzt liegt es dann bei Ihm selbst. Du hast Die Kraft dafür! Konzentriere dich auf das, was Du brauchst.

Niemand hat behauptet, das derartiges einfach ist - aber Es soll dich voran bringen!


Ich wünsche Dir Alles Liebe und Gute,
Julia