Problem von Tine - 21 Jahre

Ausgrenzung und niemand der mich versteht

Hi ich musste leider meine Arbeitsstelle wechseln da meine alte abgebrannt ist und meine ehemalige Firma somit ausgestellt hat. Das Problem ist oder die Probleme sind das ich in meiner neuen Arbeit nicht angenommen werde und dadurch sehr stark ausgegrenzt werde was natürlich auch an mir selbst liegt da ich allgemein mich sehr schwer irgendwo integrieren kann und eine Sozialphobie habe. Was mich aber in meiner alten Firma nicht gestört hat da habe ich mich sehr schnell eingefunden und mit so ziemlich jeden verstanden. Ich habe hauptsächlich Frauen Ü50 als Kollegen und verstehe mich mit denen überhaupt nicht. Es ist mittlerweile normal für mich alleine in meine Pause zu gehen und meine Arbeit still schweigend zu erledigen. Es macht mich fertig das hier über jeden geschimpft wird und der Ton im allgemeinen sehr rau ist mir gegenüber. Ich fühle mich zu meinen Schulzeiten zurückversetzt (Außenseiter ,starkes Mobbing).Das ganze geht soweit das ich nachts nicht mehr schlafen möchte und mich das Gefühl verfolgt dort nicht mehr hin zu wollen. Mit meinem Freund versuche ich über das Thema zu reden aber er meint ich solle durch die momentane Situation froh sein das ich überhaupt noch Arbeit habe. Den Job zu wechseln habe ich versucht aber durch Corona gibt es so gut wie keine Stellen und mir bleibt wohl oder übel nichts anderes übrig als durchzuziehen. Allerdings merke ich wie meine Kraft langsam schwindet und die Laune immer schlechter wird am liebsten würde ich mich den ganzen Tag in eine Ecke verziehen und dort die ganze Zeit weinen. Ich fühle mich schwach und nutzlos weil ich es nicht schaffe da einfach drüber zu stehen, mir schlicht und ergreifend es nicht gelingt mir ein dickes Fell zuzulegen. Ich bemerke wie von Tag zu Tag meine Gedanken dunkler werden und ich das erste mal seit Jahren das Bedürfnis habe mir die Haut aufzuschneiden. Ich dachte ich hätte es geschafft und meine Probleme von damals wären Geschichte doch nun sind sie mit aller Gewalt zurück und niemand kann mich verstehen.

Lan Anwort von Lan

Liebe Tine,

danke, dass du uns geschrieben hast.
Ich hoffe du verzeihst mir, dass meine Antwort an dich verspätet kommt. Ich hoffe dennoch, dass du etwas aus meiner Antwort mitnehmen kannst.

Das stimmt mich sehr traurig, dass deine alte Firma abgebrannt ist und du dich auf deiner neuen Arbeit ausgegrenzt und unverstanden fühlst. Du machst gerade eine sehr schwere Zeit durch, fühle dich von mir gedrückt, wenn du magst.


Du bist nicht schuld

Ich lese heraus, dass du dir auch selbst die Schuld dafür gibst, dass du nicht angenommen und ausgegrenzt wirst. Aber stimmt das wirklich? Denn du schreibst auch, dass es bei deiner früheren Arbeit nicht so war, da hat es dich nicht gestört und du hast dich dort mit fast allen verstanden. Darum würde ich dich zum Nachdenken anregen. Hinterfrage, ob es wirklich an dir liegt. Ich denke, dass da niemand schuld dran ist. Ob wir uns mit jemandem verstehen oder nicht, das haben wir meist gar nicht in der Hand. Da kann keiner etwas dafür. Ich finde, dass du dich deswegen nicht schuldig fühlen musst, du bist auf keinen Fall daran schuld, dass dir das jetzt widerfährt.


Dass du dich deswegen so schlecht fühlst, kann dir keiner verübeln. Das ist auch hart und du darfst auch mal schwach sein, weinen. Aber auf keinen Fall solltest du dich schlecht machen deswegen: Du bist nicht zu sensibel! Jeder Mensch geht eben anders damit um. Aber da gibt es kein richtig oder falsch. Fakt ist, dass Ausgrenzung jedem weh tun würde, egal ob selbstbewusst oder nicht. Das ist einfach nicht schön und sollte nicht getan werden. Das hat auch keiner verdient. Und glaub mir, du auch nicht. Und du bist deswegen nicht nutzlos oder schwach, bitte rede dir das nicht ein. Du solltest dich nicht davon definieren lassen. Schau auf das, was du gut kannst, was du an dir magst, was auch Freunde oder dein Freund an dir mögen. Du hast ganz sicher viele Stärken und gute Eigenschaften! Die können oder wollen deine Kolleginnen nicht sehen. Aber da sind sie dran schuld und nicht du. Du bist nicht schuld daran, dass du ausgegrenzt wirst, das darfst du nicht denken.

Auch wenn ich denke, dass du nichts konkret für die Ausgrenzung aktiv kannst, kann es vielleicht auch sein, dass du dich selbst von alleine unbewusst zurückziehst? Du hast mit Sozialer Phobie zu kämpfen, die das auch fördern kann. Du schreibst, du gehst alleine in deine Pause und erledigst deine Aufgaben still schweigend. Ist es so, dass die Kollegen dich nicht fragen, ob du mit ihnen in die Pause gehen willst? Und wenn ja, wäre es eine Möglichkeit, einfach zu fragen, ob jemand mit dir die Pause verbringen will?

Es ist natürlich belastend, wenn man sich mit den Kollegen nicht versteht. Und noch schlimmer, wenn du dich ausgegrenzt fühlst. Das sollte eben nicht sein, auch wenn man sich nicht versteht, finde ich.


Arbeitsstelle und Kollegen passen einfach nicht

Du bist in Ordnung, wie du bist. Nur passt du wahrscheinlich nicht zu deinen Kollegen, was aber nicht bedeutet, dass du dich deswegen schlecht fühlen und dich klein machen muss.
Du weißt, dass es auch anders gehen kann. Du konntest erleben wie es ist, im Beruf ankommen zu dürfen. Du hattest ja gut in deine frühere Arbeitsstelle gepasst. Bewahre dir diese Erfahrung, denke daran zurück, sie wird dich stärken.

Ich habe das Gefühl, dass die Arbeitsstelle an sich und auch die Kollegen einfach nicht gut zu dir passen. Auch das ist nichts, wofür du dich schlecht machen solltest. Das ist eben so. Du hast anscheinend viel besser zu deiner früheren Arbeitsstelle gepasst. Also siehst du: Es geht auch anders. Es passt eben vermutlich einfach nicht.

Ich lese heraus, dass es vor allem das Arbeitsklima ist, was dich belastet. Wie soll man sich wohlfühlen, wenn dort nur geschimpft wird, alles negativ ist und man dich auch harsch behandelt? Manche kommen damit klar, manche eben nicht. Auch das ist normal. Für dich scheint das aber eben nicht das richtige Arbeitsklima zu sein. Und das ist okay so. Ich glaube, so würden es eben auch vielen gehen, ob nun mit sozialer Phobie oder nicht. Aber vor allem mit ist es noch viel schlimmer, damit zurechtzukommen, weil du es vielleicht auch auf dich beziehst.
Ist denn der Ton nur dir gegenüber rau oder auch gegenüber anderen oder allen? Das wäre auch wichtig zu wissen, um das einzuordnen und zu bewerten.

Ich darf vielleicht aus Erfahrung sprechen, da ich selbst unter sozialer Phobie gelitten habe und das ein Stück weit auch nachempfinden kann, was du schreibst. Darum habe ich mir deine Zuschrift vorgenommen, in der Hoffnung, dass ich dich da besser verstehen kann.

Man muss dann noch dazu sagen, dass zwischen dir und den Frauen ein großer Altersunterschied liegt. Die Frauen gehören eher der Generation deiner Mutter vermutlich an. Da kann ich es nur verstehen, dass da Lebenswelten aufeinander prallen, man andere Lebenserfahrungen gemacht hat, anders denkt. Auch ein weiterer Grund, weswegen ihr nicht zueinander finden könnt.
Ich kenne das auch von meiner Arbeitsstelle ein wenig, da ich mit Ende 20 sozusagen die Jüngste bin unter all den Kollegen, die meist zwischen Mitte 40 bis Mitte 50 sind. Ich komme mit ihnen zurecht, aber wir haben eben keine enge Beziehung zueinander, sind einfach nur Kollegen, nicht mehr und nicht weniger. Und dass deine Kollegen tatsächlich rau im Umgangston sind, kann das vielleicht auch nicht persönlich sein, sondern sie kennen es vielleicht auch nicht anders? Wäre das eine Möglichkeit?

Es tut mir leid zu lesen, dass dich das an deine eigene Vergangenheit und dein erlebtes Mobbing erinnert. Das muss sehr schwer für dich sein, wenn alles wieder hochkommt. Fühle dich von mir gedrückt, wenn du magst.


Wie zeigt sich die Ausgrenzung?

Ich würde dir gerne noch einige Fragen zum Nachdenken mit auf den Weg geben und wenn du magst, kannst du darauf antworten, musst du aber nicht:
Inwiefern fühlst du dich nicht angenommen? Was genau bewirkt das in dir? Wie zeigen das die anderen? Sind sie auf Distanz oder sagen sie etwas nicht schönes zu dir? Inwiefern wirst du ausgegrenzt? Oder fühlst du dich eher ausgegrenzt? Versuche da mal bitte drüber nachzudenken. Und notiere dir auch die Situationen, in denen du ausgegrenzt wirst, in einem Tagebuch, das hilft das ganze zu ordnen und auch als Beweis zu haben.

Perspektive wechseln

Vielleicht versuchst du es auch aus einer anderen Perspektive zu betrachten: Du bist die Neue sozusagen und die anderen befinden sich bereits in ihrer festen Gruppe. Es ist immer schwer, als Neuling Zugang zu finden. Manchmal klappt es, manchmal nicht. Und wenn es nicht klappt, liegt es aber meist nicht an einem selbst. Vielleicht ist es nicht einmal Böswilligkeit der anderen, sondern sie sind einfach schon so fest in ihrer Gruppe und vergessen vielleicht, dich da zu integrieren. Vielleicht ist es also nicht mal persönlich gemeint. Ob es so ist, kann ich nicht sagen, das müsstest du herausfinden.


Gespräch mit Kolleginnen suchen

Ich weiß, es fällt besonders schwer, so etwas unangenehmes anzusprechen, wenn man unter sozialer Phobie leidet: Aber bitte, versuche mal deine Kolleginnen vorsichtig darauf anzusprechen. Vielleicht so: "Ich habe das Gefühl, dass ich nicht so richtig bei euch reinpasse. Ich fühle mich nicht angenommen und ausgegrenzt. Ich möchte mich aber gern mit euch verstehen. Ich würde gerne wissen, ob mein Eindruck stimmt und wenn ja, was wir daran ändern können, damit die gemeinsame Arbeit besser läuft." Vielleicht könntest du es ja in der Richtung formulieren. Es könnte sein, dass sie Annäherungsversuche abblocken. Dann heißt es: Durchhalten und dranbleiben. Auch wenn es dir schwer fällt, weil es jedes Mal auch ein Gefühl von Ablehnung mit sich bringt. Versuche es immer wieder.

Wenn man mehr unter dem Job leidet als ohne Job

Ich finde es toll, dass du dich deinem Freund anvertraut hast. Weniger gut finde ich, wie er darauf reagiert hat. Vielleicht meint er es nur gut und versucht dir die Arbeit schönzureden, aber er scheint deine Probleme und Sorgen dahingehend nicht ernst zu nehmen. Und das ist eben auch nicht gut. Klar kann man dankbar sein einen Job zu haben. Aber manche Menschen leiden mehr unter ihrem aktuellen Job und wären erleichtert, wenn sie den nicht mehr hätten und arbeitslos wären. Es kommt eben darauf an. Und für manche ist es einfach besser keinen Job zu haben, als einen, der einen so belastet wie dich.


Unterstützer suchen

Gibt es vielleicht unter den Kolleginnen auch einige, mit denen du dich verstehst oder hast du bei allen das Gefühl, dass sie dich ausgrenzen? Wenn ja, könntest du bei ihnen Hilfe suchen, fragen wie sie darüber denken, was die anderen an dir vielleicht stört oder wie du dich verhalten kannst.

Ich finde es toll, dass du versuchst, aus der Situation rauszukommen und nach anderen Stellen suchst. Das ist natürlich jetzt gerade sehr schwer und wenn es wirklich keine offenen Stellen gibt, müsstest du dich weiter durchkämpfen.


Es gibt jetzt verschiedene Möglichkeiten, wie du vorgehen kannst:

1. Du bleibst in dem Job und versuchst mit deinen Kolleginnen das zu klären. Und wenn du dich da nicht traust, kannst du dich vielleicht an deinen Chef oder Vorarbeiter wenden? Du solltest die Fälle, in denen du dich ausgegrenzt fühlst, unbedingt deinem Vorgesetzten schildern. Der kann auch entsprechend handeln und hoffentlich das Fehlverhalten der anderen unterbinden. Gäbe es für dich auch eine andere Vertrauensperson? Oder auch einen Betriebsrat? Die müssten ja auch dafür zuständig sein, wenn du mit etwas auf Arbeit unzufrieden bist.

2. Du suchst weiter nach Jobs und bleibst bei der Arbeit. Der Punkt wäre vergleichbar mit dem ersten Punkt, aber wenn du etwas findest und sich die Arbeitsbedingungen nicht ändern, dann wäre der Jobwechsel am besten.

3. Gäbe es auch die Möglichkeit, vielleicht in einen anderen Bereich innerhalb der Firma zu wechseln? Eine andere Abteilung? Auch da würde ich das Gespräch mit deinem Vorgesetzten suchen und schildern, wie es dir damit geht. Wenn es vor allem so ist, dass du ausgegrenzt wirst, dann solltest du das unbedingt mit ansprechen.

4. Wenn all das nicht möglich ist, du im Job nicht bleiben kannst und willst, was ich verstehe, aber auch kein neuer in Sicht ist: Dann bleibt nur die Kündigung. Du musst für dich dann die Grenze ziehen, bis wohin du gehen kannst. Aber ich merke, dass du bereits jetzt schon an deine physischen und psychischen Grenzen kommst.


Unbedingt jemanden zum Reden suchen

Der letzte Part deines Textes gibt mir sehr zu denken. Es scheint, als würden deine früheren Probleme wieder aufkommen. Hast du damit mit Freunden oder deinem Freund gesprochen? Wenn nicht, finde ich, wäre es gut, wenn du das tun würdest. Das klingt für mich besorgniserregend, professionelle Hilfe wäre für dich vielleicht am besten, um da wieder rauszukommen.

Vielleicht würde es dir auch helfen, dich an jemanden zu wenden, der eine professionelle Distanz wahrt, so jemand wie ein Psychologe oder Therapeut? Bist du gerade in Behandlung? Und wenn nicht, wird es vermutlich schwer sein, jetzt einen Therapieplatz zu finden.
Aber es gibt weitere Möglichkeiten, jemanden zu finden, wenn du Probleme hast und darüber reden willst. Vielleicht wendest du dich an eine Beratungsstelle oder den Sozialpsychiatrischen Dienst in deinem Ort? Auch dein Hausarzt könnte ein erster Ansprechpartner für dich sein.

Falls du vielleicht aktuell niemanden zum reden hast, aber jemanden dringend zum Reden brauchst, empfehle ich dir als Akut-Ratgeber die Nummer gegen Kummer (116 111 oder unter https://www.nummergegenkummer.de/und die Telefonseelsorge (0800.1110111 oder 0800.110222 oder unter der Webseite https://www.telefonseelsorge.de). Beides geht auch ganz anonym und die geschulten Zuhörer können dich auch beraten.


Hier habe ich dir noch einige informative Beiträge zum vertieften Nachlesen verlinkt:
https://www.spiegel.de/lebenundlernen/job/mobbing-psychologe-meine-kollegen-grenzen-mich-aus-a-1175881.html
https://www.karrieretipps.de/karriere/von-den-kollegen-ausgegrenzt-so-werden-sie-teil-des-teams.html


Ich hoffe, dass ich dir ein wenig weiterhelfen konnte. Ich wünsche dir ganz viel Kraft, Mut und Durchhaltevermögen und alles Gute für die Zukunft. Ich glaube an dich und dass du das schaffen und deinen Weg finden wirst.
Wenn du noch etwas auf dem Herzen hast oder etwas unklar sein sollte, schreib uns doch gerne.

Beste Grüße,
Lan