Problem von Anonym - 26 Jahre

Ernster Vertrauensverlust gegenüber meinem Freund

Schon seit längerem fällt es mir immer schwerer meinem Freund zu vertrauen. Wir sind schon seit 6 Jahren zusammen und ich habe das Gefühl, dass ich ihm nicht mehr vertrauen kann. Seit ungefähr 2 Jahren benimmt er sich (ähnlich wie seine und meine Mutter) ziemlich dominant und zum Teil sehr unfair. Mir ist aufgefallen dass er zwanghaft lügt, wenn er etwas will oder nicht will, wenn ich etwas anderes will als er, muss ich mir seine Ausreden und Lügengeschichten anhören. Er versucht es manchmal auch mit Angstmache und seinen schlecht durchdachten Schauermärchen. Jedesmal wenn ich ihm sage dass ich weiß dass er mich (mal wieder) belügt, versucht er entweder mit seinen Lügen aus der Situation rauszukommen oder mein Mitleid zu bekommen. Aber jedes Mal wenn ich ihm anbiete, ihm mit seinen Problemen zu helfen, geht er nicht darauf ein, suhlt sich lieber im Selbstmitleid, und erzählt mir wie schlecht es ihm (angeblich) geht.
Er hat schon mehrfach versucht, mich von meinen Freunden und Hobbys zu isolieren. Auch wenn er weiß dass ich von seinen Spielchen die Nase gestrichen voll habe, versucht er es immer noch.
Vor einigen Wochen hat er mir eine besonders dreiste Lügen über meine Freunde erzählt, als wir zusammen zu einer Veranstaltung gegangen sind. Kurz nachdem wir einen Treffpunkt vereinbart hatten, hat er mir erzählt, dass sie uns sitzen lassen würden, was definitiv nicht stimmte. Er wollte mich von ihnen isolieren. Das war der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte. Solche Spielchen sind mir in den letzten 2 Jahren häufiger aufgefallen und haben mein Vertrauen in ihn nachhaltig geschädigt. Inzwischen kann ich ihm nicht mehr vertrauen und weiß nicht, ob ich eine gemeinsame Zukunft noch will. Inzwischen fühle ich mich nicht mehr wohl in seiner Nähe und die Wochenenden, an denen ich zu ihm komme, sind nicht mehr schön. Ich habe auch das Gefühl dass mich die gemeinsame Zeit mit ihm auslaugt. Zum Glück wohnen wir nicht zusammen. Für mich fühlt es sich schon länger nicht mehr wie eine Beziehung zwischen 2 Partnern an, sondern es fühlt sich für mich so an, als wäre ich sein Kindermädchen. Ich ärgere mich sehr über sein sich wiederholendes Verhalten und ich ärgere mich sehr darüber, dass ich es nicht früher erkannt habe und so blind vor Liebe war.
Auch wenn ich hart daran arbeite, auf mich selbst aufzupassen, legitime Grenzen zu setzen (wie zum Beispiel dass ich zu Treffen mit meinen Freunden nur noch alleine hingehe, oder mir mehr Zeit (offline) für mich nehme), mich nicht von seiner Negativität runterziehen zu lassen, schmerzt der Vertrauensverlust sehr.
Soll ich ihm weiterhin helfen, und wenn ja, wie soll ich ihm helfen?

Adriano Anwort von Adriano

Hallo, liebe Zusenderin!

Zunächst einmal bedanken wir uns für dein entgegengebrachtes Vertrauen und bitten es zu entschuldigen, dass die Antwort ein bisschen länger gedauert hat als üblich. Wir hoffen natürlich, dass wir dir mit einer Antwort trotzdem noch ein bisschen helfen können, gerne kannst du auch nochmal eine Antwort zurücksenden, insofern sich deine Situation (bereits) geändert haben und deinerseits eine neue Einschätzung gewünscht sein sollte!


Wie ich es i.d.R. immer für mich halte, habe ich mir nun auch deine Zusendung zwei Mal durchgelesen. Es wird dich vielleicht nicht überraschen, dass ich zwei Mal zu einem im Wesentlichen identischen Ergebnis in folgenden Punkten gekommen war:

Ich empfinde die Situation eurer Partnerschaft bedauerlich und hege großes Mitgefühl für deine geschilderten und zwischen den Zeilen zu lesenden Gefühle. Ich kann mir lebhaft vorstellen, dass dich die Charakterzüge deines Freundes sehr belasten und muss zugeben etwas überrascht gestaunt zu haben, dass ihr bereits seit sechs Jahren eine Beziehung miteinander führt.

Dieses Durchhaltevermögen deinerseits, dass du also, so meine Wahrnehmung der Beschreibung deines Freundes, seine narzisstisch wirkenden Charakterzüge über diese lange Zeit ausgehalten hast, ohne die Beziehung bereits beendet zu haben, spricht in meinen Augen in allererster Linie für zwei Dinge: a) dass dir augenscheinlich viel an ihm liegt, und b), dass du meiner Wahrnehmung nach eine große innere Stärke hast.


Einen weiteren Teil meiner Einschätzung möchte ich jetzt jedoch deutlicher formulieren:

Verliere dich nicht in dem möglicherweise bitter endenden Versuch, seine Charakterzüge zu ändern! Du selbst hast es bereits erschreckend deutlich formuliert: "Zum Glück wohnen wir nicht zusammen.", "Für mich fühlt es sich schon länger nicht mehr wie eine Beziehung zwischen 2 Partnern an."

Es liegt auf der Hand, ganz deutlich sogar, dass seine Charakterzüge es nie zu einer Beziehung gemacht haben. "Formell" vielleicht, ja. Aber nie dem eigentlichen Sinne nach, wofür zwei Menschen eine Partnerschaft eingehen.

Ich möchte dir zusätzlich eindringlich raten, dich von folgendem Gedanken so schnell wie möglich zu lösen: "Kann ich ihm helfen, sich doch noch zu ändern?" Hier ist meine Antwort ziemlich klar: nein, das kannst du nicht! Es ehrt dich, dass du dich mit dieser Frage beschäftigst, denn das zeigt, dass du viel Güte besitzt. Doch du würdest sie verschwenden und höchstwahrscheinlich nur noch bitterer enttäuscht werden.

Mein Ratschlag an dieser Stelle ist, anhand deiner geschilderten Situation, dass du dich von ihm trennen solltest. Und zwar schnell, deutlich und selbstbewusst darin, den Kontakt vollständig abzubrechen.

Zum Abschluss: jeder hat eine zweite Chance verdient! Aber keine dritte. Die hat er ganz offensichtlich bereits überschritten.


Viel Kraft & alles erdenklich Gute wünscht dir,
Adriano