Problem von Egle - 13 Jahre

Agression

Ich, weiblich 13, habe seit mehreren Jahren schon Agressionsprobleme. Habe mich nie an Psychologen gewendet, weil meine Mutter mir das verbiet. Ich fange aber von vorne an. Warum ich denke, dass ich Agressionen habe? Weil ich seit vielen Jahren durchgehend beim Streit schreie, beleidige und im Extremsfall Sachen rumschmeiße/kaputt mache. Ich beleidige meine Mutter auch, ich bin nicht stolz drauf, denn ich liebe sie ja, aber sie versteht nicht, dass ich ein echtes Problem habe. Sie meint jedesmal "Das wird schon wegehen" aber sobald ich agressives Verhalten zeige, sagt sie mir was ich für eine schlimme Tochter bin und dass ich nicht mehr ihre Tochter sei. Nach einem bis drei Tagen, freunden wir uns wieder an, aber dann dauert es auch nicht mehr lange, bis wir uns wieder zersstritten haben. Meine Eltern leben seit ungefähr 3 Monaten jetzt getrennt, und mein Vater ist Alkoholiker. Er kam oftmals alkoholisiert nachhause, und zeigte mir gegenüber auch öfter agressives Verhalten. Wenn solche Situationen bei mir kommen, dann vergleicht sie mich mit meinem Vater, und das hasse ich. Ich fühle mich einfach einsam, ich lebe mit meiner Mutter und meinem Hund alleine jetzt. Und meine Mutter versteht einfach nicht, dass ich ein ernstes Problem habe. Meine Geschwister sind alle erwachsen und leben wo anders. Ich habe schon eine Vermutung, dass ich seit einem knappen Jahr auch depressiv bin, da jegliche Symptome zu mir und meinem Verhalten passen. Am liebsten würde ich zu einem Psychologen gehen, und darüber reden, aber meine Mutter verbietet mir, über diese Thema zu reden, weil ich dann eine Bedrohung für mich selbst, und Leute um mich herum bin. Ich verstehe das auch, aber ich will ja gar nicht so sein, es fällt mir sehr schwer mich zu ändern. Genauso verletzte ich mich seit knapp 3 Jahren selber. Und leide oft an Suizid-Gedanken, ich hatte auch schonmal 2 Suizid-Versuche, die leider nicht klappten. Gibts da noch eine Lösung bei mir? Ich fühle mich verloren und wie eine Versagerin.

Arvid Anwort von Arvid

Liebe Hilfesuchende,


vielen Dank für das Vertrauen in den Kummerkasten. Es ist schön, dass Du Dich an uns gewandt hast.

Ich verstehe nicht, weshalb Deine Mutter gegen eine Therapie ist. Gerade bei Aggression, selbstverletzendem Verhalten und depressiven Phasen ist das oftmals der einzige Weg, sein Leben wieder in den Griff zu bekommen. Zumal Du mit Suizidgedanken- und Versuchen zu kämpfen hast. Spätestens hier sollte Deine Mutter einer Therapie zustimmen.

Du brauchst dringend Hilfe! Das sollte ihr doch klar sein.

Wenn Deine Mutter nicht aktiv wird, musst Du es eben selbst werden. D.h. dass Du Dir selbst Hilfe suchen musst.

Dafür gibt es viele Möglichkeiten:

Du könntest mit Dem Vertrauenslehrer an eurer Schule sprechen. Er hat die Aufgabe, den Problemen und Sorgen seiner Schüler ein offenes Ohr zu bieten. Wenn es bei euch keinen geben sollte, kannst Du auch mit Deinem Klassenlehrer darüber sprechen. Auch Deine älteren Geschwister können Dir bestimmt helfen, je nachdem, in welchem Verhältnis ihr zueinander steht.
Vielleicht gibt es an eurer Schul auch einen Sozialarbeiter. An den kannst Du Dich auch wenden.

Bei vielen Problemen in der Familie kann Dir auch das Jugendamt helfen, z.B. indem ein Familienhelfer zur Verfügung gestellt wird, der zu regelmäßigen Gesprächen zu euch nach Hause kommt.
Die Kontaktaufnahme ist relativ einfach: Auch mit 13 Jahren kannst Du Dich jederzeit an das Jugendamt wenden, um um Hilfe zu bitten. Es kommt oft vor, dass die Eltern dies nicht machen, sodass ihre Kinder sich selbst Hilfe suchen müssen.

Hier kannst Du nach dem Jugendamt in Deiner Nähe suchen, indem Du Dein Bundesland und dann Deine Stadt oder Deinen Landkreis auswählst: https://jugendamt.org
Dort kannst Du dann anrufen, eine E-Mail schreiben oder direkt hingehen und das Problem erklären. Deine Mutter wird dann zu einem Gespräch eingeladen. So kann euer schwieriges Verhältnis endlich angegangen werden und Du kannst Hilfe bekommen. Das muss Deiner Mutter nicht gefallen. Aber es ist die beste Lösung für Dich.

Zwar kannst Du Dich auch an einen Therapeuten wenden, aber in Deinem Alter wirst Du die Zustimmung des Erziehungsberechtigen benötigen. Deswegen wäre es ganz gut, wenn Du Dich ans Jugendamt oder einen Vertrauenslehrer/Lehrer wendest.

Du kannst aber bei einem passenden Therapeuten oder einer Therapeutin auch direkt nachfragen und Dir Ratschläge einholen. Möglicherweise wird der Therapeut dann auch das Gespräch mit Deiner Mutter suchen. Wenn es ein Erwachsener macht, klappt es sicher besser. Therapeuten findest Du hier: https://www.therapie.de/therapeutensuche/


Auf einen Punkt in Deinem Anliegen möchte ich noch zusprechen kommen:

Du hast geschrieben, dass Deine Suizid-Versuche "leider" gescheitert sind.

Weshalb bist Du nicht glücklich darüber, dass Du noch lebst? Warum denkst Du, dass der Tod Probleme lösen würde?

Ja, manchmal ist das Leben hart und ungerecht. Manchmal machen wir Fehler und verhalten uns falsch. Und manchmal denken wir, die Probleme würde uns erschlagen. Wir glauben, es nicht zu schaffen.

Aber damit liegt man so falsch.

Das Leben besteht aus Höhen und Tiefen. Das ist ganz normal. Und Probleme zu bewältigen, ist ein Herausforderung. Und solche wirken sich immer positiv auf das zukünftige Leben aus. Man wächst durch die Bewältigung seiner Probleme und wird ein besserer Mensch.

Und was Du gerade durchmachst, hat absolut nichts mit Versagen oder Verlorensein zu tun. Auch wenn das Leben für Dich jetzt gerade nicht gut läuft, gibt es keinen Grund, an sich selbst zu zweifeln. Denn Du bist, wer Du bist. Das heißt nicht, dass Du Dich nicht ändern kannst. Aber ich möchte Dir sagen, dass Du einzigartig bist. Wie jeder Mensch auf der Welt. Jeder hat seine Stärken und Schwächen. Und jeder Mensch hat auch seine unschönen Seiten. Das Gute ist, dass man Schwächen abbauen kann und Stärken aufbauen kann.

Es ist nichts verloren. Nie. Und es ist auch kein Versagen.



Liebe Hilfesuchende,
Deine Welt mag momentan aus den Fugen geraten sein. Aber das ist kein Zustand, der so bleiben sollte. Du hast die Möglichkeit, viel zu verändern. Wichtig ist, dass Du nach Hilfe suchst, wenn Du von Deiner Mutter keine bekommst. Das erfordert Mut. Aber die Veränderungen durch die Hilfen sind viel wert. Und dafür bitte ich Dich, dass Du Dir ein Herz fasst und Dich so schnell wie möglich an den Vertrauenslehrer, Klassenlehrer oder ans Jugendamt wendest. Und mit deren Hilfe wirst Du einen Verhaltenstherapie und Psychotherapie machen können und bald ein anderer Mensch sein.

Und bitte denk daran: Du hast noch Dein ganzes Leben vor Dir. In wenigen Monaten oder einem Jahr kann es schon wieder ganz anders sein. Du kannst glücklich sein, Deine Aggressionen abgelegt haben, neuen und tollen Hobbies nachgehen, tolle Freunde haben. Wäre es nicht toll herauszufinden, wie Dein neues Ich ist?


Wenn Du Fragen hast, kannst Du Dich jederzeit wieder an uns wenden.


Ich wünsche Dir alles Gute!

Arvid