Problem von Tine - 24 Jahre

Ich fühle keine Liebe mehr...

Hallo erstmal!

Es ist das erste mal dass ich so eine Möglichkeit wie den Kummerkasten nutze...ich dachte nie dass ich sowas mal so nötig haben würde, aber ich weiß nicht mehr weiter. Normalerweise löse ich meine Probleme und die meiner Mitmenschen immer selbst (bilde mir ein analytische Fähigkeiten zu haben *lach*), aber das funktioniert momentan nicht mehr.
Kurz gesagt, ich schaffe es nicht mehr mich zu verlieben. Meist werd ich nach einem Monat Beziehung so unruhig, dass ich die Beziehung beende. Im ersten Moment, beim ersten Treffen kribbelts noch, und ich hab das Gefühl, ja es könnte was werden...aber kaum bin ich mit ihm eine Zeit lang zusammen, werd ich total nervös, meine Gefühle verschwinden, ich werde total agressiv, lass mich nicht mehr von ihm anfassen, schnautze ihn an und will am liebsten immer heim in meine Wohnung wenn ich mal bei ihm bin.
Dies ging mir nun schon bei zwei Beziehungen in Folge so. Letzten Herbst, und diesen Herbst. Davor, also bis Ende 2003 hatte ich eine dreijährige Beziehung, die eigentlich sehr glücklich war (Hochzeit und Kinder u.U. geplant), bis er , auf gut Deutsch, Scheiße baute, und ich mich zwangsweise trennen mußte. Über die Beziehung bin ich mittlerweile hinweg, aber seitdem empfinde ich keine Liebe mehr. Es kribbelt mal, es ist auch mal einfach "tierisches" Verlangen da, mit jemandem zu knuddeln und zu knutschen, aber das wars dann auch. Ich versteh das alles nicht. Ich würd so gerne wieder eine rosa-rote Brille an haben, statt dessen seh ich nur noch die Fehler des anderen und steiger mich da böse rein, werde ungerecht.
Ich weiß nicht mehr was ich tun soll. Ich meine es sind jetzt 2 Jahre seit der Langzeitbeziehung her, und ich kann immer noch keine Liebe fühlen, das kann doch nicht sein?! Ich will mein Leben nicht allein fristen...außerdem sind die Männer, mit denen ich diese hässlichen Kurzzeitbeziehungen führe total toll; sind lieb, führsorglich, intelligent und gutaussehend...eigentlich könnte alles so schön sein, und trotzdem klappt es nicht.

Es würde mir ein ganzes Stück weiter helfen, wenn ihr mir helfen würdet. Ich habe auch schon darüber nachgedacht einen Psychologen aufzusuchen, aber da is bei mir die Hemmschwelle noch zu hoch (ich hab ja keinen an der Waffel...)

Vielen Dank schonmal für eure Hilfe!

Grüßle

Tine

Anwort von Sabine

Hallo Tine!

Nein, Du hast bestimmt keinen an der Waffel und man sucht auch nicht einen Psychologen auf, weil man einen an der Waffel hat, sondern weil man sich nicht mehr zu helfen weiß und es oft unerklärliche Dinge gibt, die so tief in die Psyche gehen, dass man einfach fachliche Hilfe braucht. Es ist auch keine Schande mit einem Psychologen zu sprechen und man ist deswegen auch nicht unnormal. Man nimmt nur Hilfe an, wo man sich selber nicht mehr zu helfen weiß. Die Psychologen haben genau deswegen ihren Beruf gelernt, weil sie sich mit der Psyche des Menschen auseinandergesetzt haben und versuchen so Hilfe zu leisten und da zu sein, wo wir wissentlich einfach nicht mehr weiter können.
Ich habe Deine Mail gelesen und ich habe mir so gedacht, dass Du vielleicht eine Menge Angst vor einer neuen Beziehung hast. Angst, dass Du wieder enttäuscht werden könntest, wie Du es nach der 3jährigen Beziehung wurdest. Sowas hinterlässt manchmal tiefe Narben, die nur keiner sehen kann. Manchmal sieht man diese Narben selber nicht immer gleich und sofort. Es könnte sein, dass Du einfach Angst hast, dass es wieder so weh tun könnte, wenn Du wieder jemanden so nah an Dich heranlassen würdest. Die Liebe ist etwas wunderschönes, aber sie kann auch fürchterlich verletzen. Jemandem sein Herz zu schenken ist etwas sehr großes und es ist auch ein mutiger Schritt. Viele wissen gar nicht, was es bedeutet jemanden in sein Herz zu lassen und ihm blind zu vertrauen. Ich kann ein wenig nachvollziehen was Du beschrieben hast. Mir ging es einige Zeit mal ähnlich wie Dir. Ich war verheiratet und habe zwei super liebe Kinder aus dieser Ehe. Meine Ehe scheiterte damals und ich lernte jemand neues kennen. Ich verliebte mich auf ein neues. War glücklich. Dann kam Gewalt. Ich verließ diesen Menschen und fühlte anschließend wie Du. Ja, ich mochte die neuen Männer, die ich kennelernte, aber ich hatte Angst sie in mein Herz zu lassen und mich richtig bei ihnen fallen zu lassen. Ich löste mich oft sehr schnell wieder aus diesen Beziehungen und flüchtete im Grunde vor mir selber und nicht vor den Menschen. Warum? Ich hatte Angst. Große Angst, dass mir das gleiche (betrogen zu werden, Gewalt zu erfahren etc) wieder passieren könnte und das es wieder so weh tun würde. Ich brauchte lange Zeit für mich um im Herzen wieder richtig frei zu werden. Ich glaubte auch, dass ich nie wieder lieben und vertrauen könnte. Ähnlich, wie Du es in Deiner Mail beschreibst. Ich nahm die Männer einfach nicht mehr richtig ernst und sobald jemand zu mir sagte: ich liebe Dich, bin ich einen Schritt zurück und nicht vor gegangen. Deswegen kann ich ein wenig nachvollziehen, was in Dir vielleicht vorgehen könnte. Es muß nicht so sein bei Dir, aber klingt schon ein wenig ähnlich wie das, was ich erlebt habe. Wie es heute bei mir aussieht? Ich habe gelernt alleine zu sein und nach mir zu schauen. Habe Dinge gemacht, die mir gut tun und die mir Kraft geben. An eine Beziehung habe ich gar nicht mehr gedacht. Genau in dieser Zeit lief mir ein Mann über den Weg, der mich einfach aus den Socken gehauen hat. Er hatte einfach alles, was ich mir immer gewünscht hatte. Kannst Du Dir vorstellen, dass ich total durcheinander war und anstatt auf ihn richtig zuzugehen, habe ich ihn einige Zeit erst einmal beobachtet. Diese Angst bleibt. Man schützt sich instinktiv. Ähnlich, wie Du es vielleicht machst. Nur diesmal bin ich nicht weggelaufen. Ich bin stehengeblieben und habe die Zeit, die er mir schenkte genossen. Ich stellte fest, dass ich mich verliebt hatte und die Angst war wieder da. Genau wie Du es beschreibst. Nur, ich streitete mich nicht mit ihm oder zickte rum. Ich fühle mich so wohl bei ihm, dass ich mich eines Tages dazu entschloss ihm zu vertrauen. Blind. Ein großes Wagnis, doch ich wußte, dass ich etwas riskieren muß, wenn ich wieder lieben lernen will. Im Grunde waren es seine Worte, die mich dazu gebracht haben. Wir kamen irgendwann auf das Thema Vertrauen zu sprechen und er sagte mir: ich schenke Dir mein 100 % Vertrauen, obwohl ich Dich erst kurz kenne. Es ist ein Geschenk von mir. Was Du damit machst, das ist Deine Sache". Bisher wußte ich nur, dass Vertrauen wachsen muß. Jetzt bekam ich plötzlich die ganze Portion. Komisches Gefühl sage ich Dir. Aber es war ein Weg, den ich nie zuvor gegangen bin. Trotz meiner Erfahrungen und den Verletzungen entschloss ich mich es gleich zu tun. Komisches Gefühl, aber ich wollte es versuchen. Ich glaube, es geht in der Liebe oft nicht ohne Risiko. Eine Garantie kann man nicht bekommen. So gerne man sie sich auch manchmal wünscht. Vielleicht ist es aber auch gut so, denn dann sind wir stets bemüht den Partner und die Beziehung zu pflegen und darauf zu achten. Wir sind viel Aufmerksamer. Ich denke, dass Du auch wieder lernen wirst lieben zu können und eine Beziehung aufbauen kannst. Es wird noch vielleicht seine Zeit dauern bis der Richtige dabei ist. Du hast nach der Trennung viele neue Bekanntschaften gemacht und bist davon gelaufen, vielleicht aus Angst. Ich weiß es nicht und kann es nur vermuten, aber es klingt so in Deiner Mail. Niemand will Dir was böses. Niemand möchte Dich bewußt verletzen. Deine Freunde wollten Dich lieben und auf Händen tragen, doch sie sollten auch akzeptieren, dass Du noch nicht so weit warst. Erst, wenn man sich selber lieben kann, dann können auch andere einen lieben und erst, wenn man sich selber akzeptieren kann, dann können auch andere einen akzeptieren. Ich bin mir sicher, dass auch Du wieder lieben lernen kannst und sehr bald eine Beziehung haben kannst. Es braucht seine Zeit. Wenn Du Angst hast in einer Beziehung oder wenn Du jemanden kennenlernen solltest, dann solltest Du auch offen und ehrlich mit ihm über Deine Ängste reden. Es nützt nichts diese in Wut umzuwandeln und zu streiten, damit man es nicht erwähnen muß. Dein Gegenüber wird es nicht verstehen und sie werden es nur missverstehen. Stehe zu dem, was Du denkst und fühlst und rede offen darüber, wie Du es hier bei uns getan hast.
Ich wünsche Dir ein frohes Weihnachtsfest und

lieben Gruß
Sabine