alles probiert -und nun ?
Ich habe in den letzten zwanzig Jahren viel gemacht : langjährige Psychotherapie, Selbsthilfegruppe, zwei intnsive psychosomatische Klinikaufenthalte..
Alles mit guten Erfolg und spürbaren Fortschritten. Seit 3 Jahren suche ich wieder professionelle Therapie, aber ich werde (bis jetzt 8 Mal) immer nur weitergeschickt.
Meine Vermutung : Sie sind hilflos oder die Kasse zahlt nicht das, was ich bräuchte. Auserdem ist es vielleicht schwieriger, mit einem 'Fortgeschrittenem' Therapie zu machen, als mit einem , der noch anfängt und sich in den Problemen des Alltags verfangen hat, aber keine Probleme mit seiner seelischen Basis hat.
Ich bin nach aussen hin selbstständig und absolut fit, naja, vielleicht etwas depressiv oder mit wechselnden Stimmungen nach innen, was andere ja nicht abkriegen, aber mitbekommen. Man hält mich für sehr klar, intuitiv, mitfühlend, kreativ und gebildet.
Eine Diagnose kann ich nicht bieten, es ist kein Borderline, vielleicht eine Mischung aus PTBS und Persönlichkeitsstörung- sicher ist da auch Missbrauch auf sexueller, emotionaler und Gewaltebene gewesen -aber auch frühkindlicher Krankenhaushospitalismus und andere Traumen. Früher hat man mich so der schizoiden-narzistischen PS zugeordnet, aber da bin ich eigentlich schon draus entwachsen, vielleicht mit gelegentlichen Rückfällen, die ich aber reflektieren kann- gefühlskalt bin ich sicher nicht mehr, weder zu anderen noch zu mir.
Tatsache ist , das ich mich so fühle, als müsste ich schon längst tot sein, als sei meine Zeit eigentlich abgelaufen und bin jetzt nur noch ein Zombie, dem es leid tut, das er sich solange hoffnungsvoll bemüht hat, sicher weiterzuentwickeln, nur um jetzt noch physisch am Leben zu sein.
Ich habe viel Handwerkszeug bekommen, um mit mir umzugehen, aber ich habe einen riesigen Bereich an Unterbewussten, vor dem ich mich schütze und da auch -weder alleine noch begleitet- nicht ran darf. Der Preis ist ein Leben mit sehr geringer Qualität, wo ich selbst für kleine Aktionen sehr viel Zeit brauche, intensive Kontakte zu guten Freunden- die aber nicht zu nahe kommen dürfen- pflege, eine Neigung zu autodestruktiver Sexualität, kurz das Gefühl 'Ich bin viel, ich kann viel, aber weder mit mir noch mit anderen kann ich stabil was anfangen, was soll ich hier noch ? ' Es gibt kaum einen Tag, wo mir in meinen spontanen Selbstgesprächen nicht der Satz 'Ich kann nicht mehr' herausfährt.
Ich weiss aus meiner Selbsthilfegruppe für Missbrauch, das das 'Marsmenschengefühl' sehr bekannt ist, aber mir stösst auf, das ich nach aussen so alles unter Kontrolle habe, konstruktiv und so wenig hilfsbedürftig bin und nach innen jederzeit alles kaputtschlagen möchte, weil da keine innere Basis ist, die erhaltenswert wäre.
Ehrlich, warum darf man nicht sterben, wenn man weiss, das man alles versucht hat , aber eben Heiling nicht immer für jeden möglich ist.
Was ich jetzt habe ist jedenfalls die grössere Qual- ungestorben leben.
Hallo!
Danke, dass Du uns geschrieben hast und Dich uns anvertraut hast. Dennoch habe ich lange überlegt, ob ich Dir überhaupt schreiben bzw. antworten soll. Du hast in Deiner Mail geschrieben, dass Du in langjähriger Behandlung bist und viele Therapien mitgemacht hast. Alles ohne Erfolg. Was soll ich Dir jetzt schreiben? Was soll ich Dir sagen. Die Menschen, mit denen Du gesprochen hast, sind erfahrene Kräfte. Ich bin jedoch nur ein ganz normaler Mensch, dem Du Dich jetzt gerade anvertraut hast. Ich bin kein Psychologe und auch kein Arzt.
Dennoch möchte ich Dir gerne etwas zu Deiner Mail schreiben. Du schreibst, dass Du viele Dinge an Die festgestellt hast und Du schreibst auch, dass Du es ändern möchtest. Du weißt nur nicht wie. Richtig? Habe ich das richtig verstanden?
Um von Fachkräften Hilfe annehmen zu können, sollte man in den Sitzungen immer ehrlich sein und wirklich über alles sprechen, was einem im Kopf vorgeht. Nur so können sie Dich verstehen und an Dich herankommen. Nur so können sie an der richtigen Stelle anfassen.
Wichtig ist, was Du willst und was Du erreichen willst. Du hast hierzu die Möglichkeit fachlicher Unterstützung. Du solltest sie nutzen. Nicht jeder bekommt diese Gelegenheit. Deine Wünsche, Deine Träume. Du kannst das alles erreichen. Den ersten wichtigen Schritt hast Du doch schon getan. Du hast festgestellt, dass sich was ändern muß und Du hast festgestellt, dass Du was ändern willst. Dein Wille ist stärker als alles andere und gibt Dir mehr Kraft als irgendwas. Mit dieser Voraussetzung kannst Du es schaffen.
Lieben Gruß
Sabine
und ein frohes Weihnachtsfest