Problem von Anonym - 29 Jahre

verwirrt/enttauscht nach Familienereignis

Hallo, und herzlichen Dank dafuer, dass ich mein Problem hier aussprechen kann.
Es ist nicht leicht, die Situation zu beschreiben aber ich werde es versuchen.
Zunaechst :ich bin fast 30, verheiratet und im grossen und ganzen ein optimistischer Mensch. Zwar mit einer Neigung zur Sensibilitaet aber bis neulich doch optimistisch.
Die Beziehung zu meinen Eltern und meinem Bruder war seit meiner Kindheit fast ideal und sowohl die Ehe meiner Eltern, als auch die meines Bruders galt als Vorbild fuer mich. Bei Problemen hielten wir immer zusammen. Meine Mutter hatte in ihrem Leben 3-4 depressive Anfaelle, worauf wir mit viel Liebe und Geduld reagierten (dabei war mein Vater diejenige, bewunderswerte Person, die alles bewaeltigen konnte und meiner Mutter in ihrem Problem beistand).
Mein Bruder hatte mit 23 seinen ersten manisch-depressiven Anfall, den ich mit 15 Jahren sehr intensiv erlebt habe. Es war wieder eine schwierige Phase, die wir gemeinsam "angepackt" und ueberstanden haben. Er lernte schon damals seine Frau kennen, die fuer mich ein weiteres Vorbild ist, da sie niemals daran dachte, meinen Bruder alleine zu lassen. Auch mein Bruder schaetzte, bewunderte sie und auch Freundinnen sagten mit staendig, dass sie als Paar ein ideales Partnerbild abgaben. Sie hatten eine tiefen , gegenseitigen Respekt und eine wahre Liebe. Ich erinnere mich noch, wie ich mir wuenschte in Zukunft einen so tollen Partner zu finden, mit dem ich alles gemeinsam und in einem ruhigen Ton diskutieren kann, um zu Loesungen zu gelangen. Aus Lebensgeschichten Andererer u.a. aus Talk-shows (jedocht nicht aus meiner unmittelbaren Umgebung) waren mir unglueckliche Partnerschaften zwar bekannt, irgendwie glaubte ich aber daran, dass Menschen gluecklich sein koennen und dass zerstoerte Partnerschaften eher selten vorkommen.
In meiner eigenen Partnerschaft wurde ich erstmals etwas enttauscht, weil mein Mann u.a. wenn er sich aufregt nicht "gescheit" diskutieren kann, weil er mit seinen Eltern keine idyllische Beziehung (wie ich) hatte, weil er eher Realist ist.
Nun sind innerhalb des letzten Monate Dinge passiert, die mich aus meinem "Winterschlaf" geweckt haben. Mein Bruder hatte nach so vielen Jahren erneut eine maniche Episode. Er war sich zwar nicht darueber bewusst (ich meine es sind Krankheitssymptome und es waere unfair ihn fuer sein Verhalten waehrend der Episode verantwortlich zu machen), jedoch habe ich erfahren, dass er besonders seiner Frau gegenueber unheimlich agressiv war, sie fuer Vieles verantwortlich gemacht hat, dass seine Tochter (aelter als der Sohn) das alles miterleben musste. Fuer mich kam zuerst der Schock mit der Feststellung, dass Gesundheit, Familienglueck, Karriere vom einen Tag auf den anderen zerstoert werden koennen. Ich empfand Angst. Angst um ihn, Angst um die Kinder, seine Frau. Mitleid fuer ihn, fuer seine Familie. Mitleid fuer meine Eltern, die das, in so grossem Alter noch mal erleben mussten. Und schliesslich Hilflosigkeit. Was tun??? (falls es jemand in seiner Familie schon mal erlebt hat, weiss er genau wovon ich spreche).
Nun ist diese Phase Gott sei Dank vorbei-inzwischen ist eher eher wieder in deprassiver Stimmung und macht sich Vorwuerfe.
Gestern kam fuer mich noch eine Schockoffenbarung. Meine Schwaegerin (der ich sehr beigestanden bin, sie steht selbst vor einer Depression und ich hab ihr auch geraten einen Psychologen um Rat zu bitten) hat mir Folgendes anvertraut: mein Bruder hat ihr gestanden, dass er vor einigen Monaten (damals war er kerngesund) zu einer Prostituierten gegangen ist. Sie meinte ich sei die Einzige, die ihre Meinung fuer ihn nicht aendern wuerde. Fuer mich brach jedoch eine Welt zusammen. Nicht nur glaubte ich daran, dass er viel "anstaendiger" als mein Mann, als ueberhaupt andere Menschen ist, sondern auch das Bild des idealen Paares platzte nach Jahren wie eine Seifenblase. Ich habe seitdem das Gefuehl, dass man ABSOLUT nichts vom Leben und von anderen erwarten kann, dass jegliches Glueck einmal vorueber geht. Auch mache ich mir Gedanken, wie "wenn das mein Bruder schon gemacht hat, dann muss ich es in Zukunft selbst, von meinem Mann erwarten". Mein Bruder war naemlich seit eh und je konservativ, mein Mann hatte im Alter von 18-30 ein viel grossere Erfahrung und ist in seinen Ansichten insgesamt viel "radikaler'. Das koennte man zwar auch so deuten, dass er es nicht mehr noetig hat, sein Leben auszuleben. Ich vertraue meinem Mann, nur dass ich seit gestern denke"ich vertraue ihm JETZT". Fuer immer, dass kann ich jetzt mit Gewissheit gar nicht mehr und fuer niemanden behaupten.
Ich weiss im Moment nicht weiter und bin ziemlich entmutigt. Ich bin von natur aus ein praktischer, optimistischer Mensch. Nicht romantisch in dem Sinn, dass ich durch die "rosarote Brille" sehe, aber ich vertraue Menschen, die ich ehrlich finde (mein Bruder war ja auch ehrlich zu seiner Frau!). Nun muss ich aber zusehen, wie mein Vertrauen in Allem und Allen schwindet. Staendig frag ich mich, ob Leben und Liebe ein Mythos ist. Soll ich in Zukunft so realistisch bleiben? Oder ist alles nur eine Phase?

Anwort von Elaine

Hallo,

ich kann gut verstehen das ales was passiert ist sehr hart für dich ist und zu begreifen, das alles nicht so ist, wie du es eigentlich gedacht oder gehofft hast, ist schlimm für dich.
Vielleicht hast du schon immer gewusst, das die Welt nicht im großen und ganzen Perfekt läuft, aber es verdrängt, da die Welt um dich herum sehr gut verlief.
Alles im Leben KANN vergänglich sein, muss es aber nicht und nur weil das eine vergeht bedeutet auch noch lange nicht das das, was danach kommt schlechter ist. Du kannst immernoch von jedem das erwarten, was du von dir selbst erwartest und was du selbst bereit zu geben bist.
Ich kann mir ein wenig davon ein Bild machen, was passiert wenn Menschen Depressive Anfälle haben, auch wenn in meiner Familie so etwas nicht vorkommt, ist die Mutter meiner besten Freunden schwer Depressiv und so lange ich mich zurück Erinnern kann, habe ich immer wieder mitbekommen was diese Depressionen mit der Mutter meiner Freundin machen und vor allem habe ich erlebt, was diese Depressionen meiner Freundin antun.
Es ist sehr hart damit zu leben, aber wie du schon sagst er ist krank und man kann ihn nicht dafür veratnwortlich machen.
Ich denke nicht das du das Glück als eine Phase sehen solltest denn das ist sie auf garkeinen Fall, die schlechten Zeiten sind Phasen, die wieder verübergehen, so wie die Depressionen deines Bruders Gott sei Dank nun nicht mehr da sind.
Du sagst das du die Liebe zwischen deinem Bruder für etwas wundervolles und perfektes gehalten hast, da ist es nur verständlich das die vorstellung das dein Bruder zu einer Prostituierten geht dich aus dem Hocker wirft.
In einer Beziehung kann nicht alles perfekt laufen, was nicht bedeutet, das die Liebe selbst nicht perfekt ist. Zwei unterschiedliche, selbstdenkende Menschen werden durch ein sehr festes Band miteinander verknüpft, doch das ist keine Garantie dafür das der Knoten perfekt sitzt, es wird immer etwas geben, das einem daran nicht so sehr gefällt, aber solange man bereit ist gemeinsam daran zu arbeiten, kann man auch wieder glücklich werden und das gemeinsam. Und ich denke das alles perfekt ist, wenn man glücklich ist.

Alles Gute und liebe Grüße