Problem von Cherno - 19 Jahre

Noch nie habe ich einen Menschen so geliebt - Mein bester Freund.

Liebes Kuka-Team,
Ich bin männlich und 19 Jahre alt. Eure so wertvolle Arbeit verfolge ich jetzt schon seit einiger Zeit. Nun hoffe ich, von euch eine Einschätzung meines persönlichen Problems zu bekommen. Es geht um meinen besten Freund. Unsere Freundschaft läuft sehr gut und ich bin unendlich glücklich ihn als meinen besten Freund zu haben. Seine Person, seine Art, er ist einzigartig, ich habe mir so einen besten Freund schon immer gewünscht. Wie die Überschrift es auf den Punkt bringt, habe ich einen Menschen noch nie so geliebt. Wenn ich an seine netten Worte in Bezug auf meine Person und die Tatsache, dass ich sein bester Freund bin, denke, bekomme ich in einem ruhigen Moment oft "feuchte Augen".

Doch genau da liegt das Problem, ich mache mich von ihm abhängig. Es geht tendenziell in die Richtung, dass ich auf ihn fixiert bin. Das hängt damit zusammen, dass mein Selbstbewusstsein ziemlich im Keller ist ? ich fühle mich fremd im eigenen Land und als Aussenseiter. Um es zu konkretisieren, ich habe Angst davor ihn zu verlieren, Angst vor der (anstehenden) Veränderung, Angst davor, dass wir uns in 5 Jahren nicht mehr oder nur selten sehen, oder viel schlimmer, wir uns eine längere zeitlang nicht gesehen haben, und plötzlich merken, dass wir komplett andere Menschen geworden sind. Er hat keine Freundin. Denke ich daran, dass sich das vielleicht bald ändern könnte, reagiere ich mit Tränen und Gedanken an eine Flucht, weg von ihm, denn manchmal glaube ich, dass es gar nicht gut ist, dass wir so eine enge Beziehung haben, oder gar, dass ich ihn getroffen habe, und sich so etwas enges erst entwickeln konnte, ohne vorwarnung. Ich bin irgendwie nicht frei, und befürchte z.B., dass wenn ein Mädchen in sein Leben tritt, ich erhebliche Probleme damit haben werde. Was bleibt mir also: die Flucht, Abstand, mich mehr auf mein eigenes Leben zu konzentrieren, oder mich damit abzufinden, dass er jetzt einen anderen Menschen an erster Stelle hat, und für mich weniger Beachtung und Zeit bleibt?! Das einfache wäre auf Abstand zu gehen, ich weiß es nicht, es ist ein totales Gefühlschaos. Er gibt mir die Bestätigung, dass ich ok und gut bin, wie kein anderer !! Dennoch bin ich beliebt bei anderen normalen guten Freunden, aber keiner kann mir dieses Gefühl der Wichtigkeit geben. Ich hasse mich für meine Gefühle, denn eins weiß ich sicher, er hat keine Angst vor der Veränderung, und hätte nicht das geringste Problem damit, wenn ich plötzlich eine Freundin hätte. Sollte nicht so ein bester Freund sein, was bin ich bloß für ein egoistisches Arschloch !!

All das verdanke ich der Gesellschaft mit samt seinen Vorurteilen. So versinke ich oft im Selbstmitleid und denke ich an all die Menschen, denen es so schlecht in der Welt geht, die an Krankheiten leiden, denen unmenschliches widerfährt, die glücklich leben wollten, aber nicht konnten, bringt mich das kein Stück (!) weiter. Und ja ich glaube es ist berechtigt, dass ich unglücklich bin, ich bin Deutscher, sehe aber nicht so aus, jeder deutschaussehende Deutsche hat Chancen (glücklich zu werden), die ich in meinem Leben niemals haben werde, Punkt ! Fremdenfeindlichkeit wird geduldet, die Rechten werden geduldet. Tolles Land, ich bin nicht frei, wegen diesen schizophrenen Glatzen und solchen in denen die körperliche Hülle Demokratie ausstrahlt.

Ich weiß ihr könnt nicht auf Sonderwünsche eingehen, aber ich würde mir wünschen, dass jemand antworten könnte, der um einiges älter ist als ich. Und es wäre toll, dass mein ?Antworter? weiblich ist. Aus einem einzigen Grund: ich würde meiner Mutter so gerne davon erzählen, warum ich ihr schlecht gelaunt begegne, was mich beschäftigt, warum ich Angst vor meiner Zukunft habe, aber ich könnte niemals die Blockade überwinden, mich ihr anzuvertrauen.

Ich bewundere jeden Menschen, der jeden Tag lebt, als wäre es der letzte. Euch wünsche ich alles Gute und bedanke mich im Vorraus!

Cherno

Anwort von Michaela

Hallo Cherno,

es ist bewundernswert, dass du den Mut aufgebracht hast, dein Problem so detailliert zu schildern, und es zeigt, dass du dir auch schon sehr viele Gedanken gemacht hast.
Du schilderst die Beziehung zu deinem Freund als "Abhängigkeit" und benennst damit auch gleich dein Problem: dein schwaches Selbstbewusstsein. Doch die Liebe zu deinem Freund - mit gefällt deine Definition sehr gut - gibt dir Kraft und Mut, den Tag durchzustehen.
Gleichzeitig verurteilst du dich wegen dieser tiefen Gefühle - und ich frage mich, was an deinen Gefühlen so falsch sein kann?
In meinen Augen wäre es nicht richtig, diese Gefühle mit Homosexualität gleichzusetzen, weil diesem Ausdruck so viel Negatives anhaftet (wobei ich nicht weiß, was daran schlecht ist, das eigene Geschlecht zu lieben?). Leider neigt unsere Gesellschaft - auch durch den Medienrummel begingt - vorschnell zu diesem Urteil, und ich glaube, ich kann so etwas auch aus deinen Zeilen herauslesen (bitte korrigier mich, wenn ich mich irre). Das verunsichert natürlich zusätzlich, denn: Wenn man in einer Demokratie nicht ehrlich sein kann, was seine eigene Persönlichkeit angeht, wie soll man dann sein?!

Es ist sehr schwer, man selbst zu sein, doch es ist möglich. Vielleicht kannst du dir deine Ausgangsposition zunutze machen: Dein Freund, den du liebst, ist dein bester Freund, und er hat sich auch schon "nett" über deine Person geäußert. Hast du darüber nachgedacht, mit ihm über deine Gedanken und Gefühle zu reden? Ich kann mir vorstellen, dass auch viel Scham dabei ist, das alles einem anderen Menschen mitzuteilen, doch es lohnt sich in jedem Fall. Zudem stellt sich die Frage, was den besten Freund auszeichnet? Ich denke da an eine vertrauensvolle Basis, die alles zulässt (sonst wäre er nicht der beste, der nächste, der einzige!), also auch diese Dinge.

Falls das für dich nicht in Frage kommt, gäbe es da noch die Möglichkeit, zunächst etwas für dein Selbstbewusstsein, dein Selbstwertgefühl zu tun, was natürlich auf diesem Weg nicht wirklich möglich ist. Dazu könntest du dich an jemanden wenden, der sich professionell damit beschäftigt, z. B. Beratungsstellen, Therapeuten etc. Das bedeutet nicht, dass du krank bist, sondern einfach, dass du dich mit jemandem unterhältst, der sich wirklich damit auskennt und schon einschlägige Erfahrungen gemacht hat. (In vielen Fällen reicht übrigens schon ein einziges Gespräch!) Auf diesem Weg kannst du dein Selbstbewusstsein stärken und für dich klären, wie die Zukunft mit deinem besten Freund für dich aussehen soll.

Ich wünsche dir auf jeden Fall alles Gute und würde mich freuen, noch von dir zu hören!

Viele Grüße,

Michaela