Problem von Corvin - 21 Jahre

Drei Jahre Hölle seit mein Freund verunglückt ist

Hi. Ich hab es mir lange überlegt, ob ich dem Kummerkasten-Team meine Geschichte anvertrauen soll. Nachdem ich gerade mal wieder am absoluten Tiefpunkt bin, hat es sich so ergeben, dass ich es einfach tun werde. Vor ein paar Jahren verlor ich meinen besten Freund. Er starb bei einem Autounfall. Seit damals sind fast drei Jahre vergangen und ich leide immer noch extrem darunter. Wir haben die besten Zeiten miteinander verbracht und ich konnte mit ihm so offen reden, wie ich es nicht einmal bei meinen Eltern gewagt hätte. Wir kannten uns schon seit einer Ewigkeit. Ich stand ihm näher, als irgendjemandem sonst auf der Welt und konnte mir ein Leben ohne ihn gar nicht mehr vorstellen. Das kann ich auch heute noch nicht. Seit damals sind fast drei Jahre vergangen und ich leide noch immer sehr darunter. Sein Tod hat mich so stark geprägt, dass sich alles verändert hat. Ich distanzierte mich von allen, die mir vertraut waren und begann die Menschen regelrecht zu hassen, weshalb ich nichts mit ihnen zu tun haben wollte und mich wo und wann es nur ging aus der Gesellschaft zurückzog. Ich wollte mit meinem Schmerz und meinen Erinnerungen alleine sein. Ich setzte ein Zeichen der Trauer und des Hasses, indem ich mich nur noch schwarz anzog und alles bunte aus meinem Kleiderschrank verbannte. Die Dummheit und Sorglosigkeit der Menschen war Schuld daran, dass ich die wichtigste Person in meinem Leben verlor. Dafür verurteilte ich sie alle. Jeden Einzelnen. Mein Leben wurde zu einem einzigen, nie enden wollenden Kampf. Ich hasse diese Welt so sehr, dass ich am liebsten sterben würde, um ihr zu entkommen. Aber ich habe auch Angst vor dem Tod. Darum setze ich gezwungenermaßen meine einsame Existenz fort. Immer wenn ich mit Situationen oder Erfahrungen konfrontiert werde, die mich an das Geschehene erinnern (sei es in den Nachrichten, in einem Film, usw.), kommen mir fast die Tränen. Tragische Szenen und Berichte machen mich so fertig, als würde es selbst betreffen. Obwohl ich mir immer einrede, dass ich nichts zu verlieren habe (kann mich für nichts mehr begeistern, bin nicht an Geld, Besitz, oder Karriere interessiert), leide ich ständig an Verlustängsten und mache mir große Sorgen um die Zukunft. Die Vorstellung, dass den wenigen Leuten, die ich noch mag, etwas zustößt, oder dass mir selbst etwas zustößt und diese Leute dann um mich trauern werden und mein Tod ihnen auch das Leben zur Hölle macht, das halte ich nicht aus und lähmt mich vollständig. Leben und sterben ist für mich gleich schlimm. Wenn ich darüber reden will, wie es mir geht, fehlen mir meist die Worte, weil ich es nicht beschreiben kann. Auch fühle ich mich kein bisschen besser, wenn ich es wem erzähle. Darum schlug ich auch jeden Vorschlag ab zu einem Psychologen zu gehen. Ich glaube, dass mir niemand helfen kann, egal wie sehr er sich bemüht. Es ändert einfach nichts. Angst und Trauer bleiben meine Grundemotionen. Nur der Zorn ist manchmal stärker, als Beides zusammen. Werdet ihr mir auch raten eine Therapie zu machen, oder gibt es noch andere Wege, um endlich loszulassen und meine Angst und Wut zu besiegen? Ich habe keine Kraft mehr zum kämpfen, jeden Tag aufs neue und ich will mich nicht mehr mit meinem Schicksal abfinden müssen.

Anwort von Susi

Lieber Corvin!

Es ist gut, dass Du zumindest den Weg gefunden hast, hier ein bisschen "dampf" abzulassen.

Dieser immense Verlust, den Du vor drei Jahren erlitten hast, lässt Dich einfach nicht los. Du trägst ein riesen Paket voller angestauter Gefühle mit Dir herum. Die Wut, dass Dein Freund ohne Tschüß gegangen ist, der Hass auf den Schuldigen, die Trauer, die Erkenntnis, dass Du nun ohne ihn durchs Leben gehen musst, das Fehlen Deines Freundes an Deiner Seite - all das sind tiefe Emotionen, die -aus meiner Sicht- nie ans Licht kommen durften. Du hast Dich "rebellisch" gewehrt, das hat Deine Umwelt wahrscheinlich als Spleen abgetan.
Ich habe das Gefühl, dass Du Deine Trauer nie richtig verarbeiten konntest. Hattest Du je die Möglichkeit, Dich mit Deinen Eltern darüber zu unterhalten? Hast Du einmal versucht mit SEINEN Eltern zu reden? Gemeinsam trauern ist nicht leicht, aber es macht die Trauer selbst ein wenig leichter.
Ja ich rate Dir tatsächlich zu einer Therapie. Vielleicht hast Du dann die Möglichkeit, Deine Verlustängste und Zukunftssorgen gestalterisch umzusetzen und Dir so Deine Seele etwas zu erleichtern... Gib Dir eine Chance!

Stell Dir mal vor, wie Dein Freund reagieren würde, wenn er sähe, wie dunkel und fern Du Dich vom Leben versteckt hältst. Was würde er Dir sagen? Ich glaube, er würde erschrecken: ist das sein guter Freund, den er zurückgelassen hat? Setze IHM ein Zeichen, indem Du bist wie Du bist: wütend, traurig, hilflos aber auch lächelnd, wenn Du Dich an gemeinsame Zeiten erinnerst. Ich kenn den wunderschönen Spruch: "Selbst in der finstersten Nacht leuchtet irgendwo ein Stern". Verschließ Dich nicht vor diesem Stern, Corvin. Das Leben besteht nicht darin, sich von dunklen Gedanken oder dummen Menschen runterziehen zu lassen, klar ist es ein Kampf! Aber es gibt soviel Schönes und Helles! Du musst nur anfangen, es sehen zu wollen. Ich rede mich leicht! Aber glaub mir, auch ich habe eine Scheißangst, meinen Sohn, meinen Mann, meine Eltern zu verlieren - dennoch dreh ich es um und sage mir: ich genieße jede Minute meines Lebens! Es ist einfach zu schön, als es zu zerpflücken. Lass nicht zu, dass die Angst und der Zorn Dich auffressen!
Sprich mit einem Therapeuten!

Ich wünsche Dir viel Kraft, einen helleren Weg zu finden und zu gehen!
Du kannst gerne nochmal schreiben, wenn Du möchtest - ich würde mich freuen!

Ganz liebe Grüße
Susi