Problem von Anonym - 27 Jahre

Vergewaltigung

Ich habe mir lange überlegt, ob ich mit meinem Problem überhaupt Hilfe im Internet suchen soll? Doch da es schwer ist, Leute zu erreichen, denen das gleiche passiert ist, denke ich dass es der richtige Weg ist.

Ich bin im Mai vergangenen Jahres von einem früheren Freund vergewaltigt worden. Seither hat sich mein leben extrem verändert. Ich hatte und habe immer wieder schwere Depressionen und nehme seit diesem Zeitpunkt auch Medikamente, um im Alltag und Beruf einigermaßen bestehen zu können (zusätzlich stecke ich nun auch noch bis Pfingsten in Prüfungen). Außerdem mach ich seit Sommer eine Therapie.

Wenn ich tagsüber abgelenkt bin, geht es mir einigermaßen gut. Sobald ich jedoch zur Ruhe komme ändert sich das. Ich habe Angstzustände, Probleme beim Essen und Alpträume. Seit dem Ereignis schlafe ich in meinem Wohnzimmer, weil ich in meinem Bett nicht mehr schlafen kann. Das Vertrauen zu anderen Menschen ist nur noch sehr gering vorhanden. Anfangs konnte ich keinerlei Körperkontakt ertragen, weder von guten freunden noch meiner Familie. Von meinem Freund habe ich mich im Sommer fast getrennt. Ich konnte nichts mehr für ihn empfinden bzw. hatte ihm gegenüber, wie allen anderen Männern gegenüber auch, nur ablehnede Gefühle. Ich fühle mich oftmals elend, so als hätte ich einen schwerden Stein im Magen liegen. Die Freude an vielen meiner Hobbies ist verloren gegangen. Schwer ist auch, dass ich oftmals nicht alleine sein möchte, jedoch auch nicht unter Menschen gehen kann. Alles erscheint mir so sinnlos. Im Gegensatz zu früher habe ich plötzlich auch keine wirklichen Ziele mehr. Vielleicht ließt Du (Tessa) ja meine Mail. Es wäre gut, wenn man sich austauschen könnte. Was mindestens so schlimm ist, wie die "Sache" an sich ist, dass mir diejenigen Menschen, die ebenfalls mit der besagten Person befreundet waren, keinen Glauben schenkten /schenken. Sie machen es sich leicht, indem sie sagen, sie könnten nichts dazu sagen, weil sie nicht dabei gewesen wären. Das tut verdammt weh. Sie treffen sich auch nach wie vor mit der Person. Ich habe nur noch wenig Kontakte, da ich natürlich nie dabei bin, wenn solche Treffen stattfinden.

Anwort von Sabine

Hallo!

Es tut mir leid, was Du erleben mußtest und ich kann sehr gut nachvollziehen, was in Dir vorgeht und wie es sich anfühlt. Mir erging es vor einiger Zeit ähnlich wie Dir und ich weiß, dass dieses Erlebnis einen nicht loslässt. Wie sagte mal jemand zu mir: vergessen kann man es leider nie, aber man kann lernen damit zu leben. Diese Person hatte Recht mit ihren Worten. Und ich bin fest davon überzeugt, dass Du es auch kannst oder schaffen wirst. Du wirst vielleicht nicht 100 % wieder die sein, die Du einmal gewesen bist, aber Du wirst es bestimmt zu 98 % schaffen, davon bin ich überzeugt.
Das Du kein Verrauen mehr in andere Personen stecken kannst, wie Du es vielleicht früher getan hast, ist gut nachzuvollziehen. Man kann den Menschen leider nur vor den Kopf gucken und nicht in sie hinein, wie sie wirklich sein könnten. Die Angst, dass es einem wieder passieren könnte, verfolgt einen immer. Doch ich weiß aus eigener Erfahrung, dass man lernen kann damit umzugehen. Ich kann Deine Angst sehr gut nachvollziehen. Es ist gut, dass Du darüber sprichst und danke, dass Du es uns anvertraut hast. Es ist immer ein kleines Stück mehr, wo Du es verarbeitest.
Du schreibst, dass Du in Behandlung bist und Medikamente bekommst. Gut, dass Du fachliche Hilfe annimmst.
ich kann Deiner Mail leider nicht entnehmen, was damals nach dem Vorfall passiert ist. Ist es zur Anzeige gekommen? Hat es ein Verfahren gegeben? Wurde er dafür bestraft, was er getan hat? All diese Dinge sind auch wichtig, damit man es ein Stück weiter verarbeiten kann. Man muß sich dann immer mal wieder mit diesem Erlebnis auseinandersetzen, aber es hilft auch beim Verarbeiten des Erlebten. Was er Dir angetan hat, ist strafbar und er sollte dafür bestraft werden, damit er auch weiß, dass er falsch gehandelt hat. Damit es keinem anderen wieder passiert. Lässt man ihn so davonkommen, dann denkt er vielleicht, dass es ok war, da ja niemand etwas unternommen hat. Wird es dann vielleicht wieder tun. Solchen Menschen, die einem anderen soetwas antun, müssen dafür bestraft werden. Es ist zwar ein harter und schwerer Schritt, aber es wird Dir auch ein wenig helfen um es zu verarbeiten.
Das Du Dich nicht mehr mit ihm triffst, ist doch wohl klar. Niemand wollte diese Person mehr unter die Augen treten wollen. Auch diese Angst kann ich sehr gut nachvollziehen.
Du glaubst gar nicht, wie gerne ich Dir diese Angst nehmen wollte, da ich weiß, wie schrecklich es sich anfühlt, aber leider kann ich es nicht. Es gibt keine Garantie auf das, was in der Zukunft kommt und es gibt auch keine Garantie auf die Liebe oder das Vertrauen in einen Partner. Das sind Dinge, die man riskieren muß, wenn man wieder gelernt hat ein wenig zu vertrauen und zu lieben. Es braucht seine Zeit, bis man wieder vertrauen kann. Es ist wichtig, dass Du darüber sprichst und wenn Du irgendwann mal wieder einen Partner gefunden hast, für den Du etwas empfindest, dann wäre es gut, wenn Du mit ihm darüber sprichst, damit er Dich und Deine Angst auch verstehen kann. Es bringt nichts daraus ein Geheimnis zu machen. Leider ist dieses Erlebnis nun ein Teil Deines Lebens und man kann nur sagen: das bin ich und diese Angst (die immer kleiner werden kann) gehört zu mir. Wenn Du mal einen neuen Partner finden wirst und Du wirst es für immer verschweigen wollen, dann wird Dein neuer Partner nicht verstehen können, warum Du in bestimmten Situationen vielleicht so oder so reagierst. Er wird Deine Ängste nich nachvollziehen können. Daher halte ich es für richtig, wenn Du mal wieder jemanden kennenlernst, dass Du auch mit ihm darüber sprichst. Nur so kann er Dich wirklich kennenlernen und richtig mit Dir umgehen. Du solltest offen und ehrlich mit Deiner fachlichen Hilfe auch über solche Dinge sprechen. Mir hat es damals sehr geholfen und ein wenig Sicherheit zurückgegeben. Ich habe verstanden, dass nicht ich schlecht bin, sondern die Person, die mir das angetan hat ein schlechter Mensch ist. Ich weiß nicht warum sich die Frauen, denen sowas passiert, selber die Schuld geben. Direkt nach dem Vorfall wollte ich auch nur schweigen und habe mir die Schuld gegeben. Nachdem ich mit einer Psychologin darüber gesprochen hatte und auch das Verfahren hinter mir hatte, wußte ich, dass nicht ich die Schuld trage. Vielleicht gibt man sich die Schuld, weil es eine peinliche und sehr intime Sache ist und man lieber nicht darüber sprechen mag. Ich weiß es nicht, warum man sich anfangs selber die Schuld gibt. Fakt ist aber, dass man Opfer ist und dieses Erlebnis Narben hinterlässt, die niemand sehen kann. Narben, die immer bleiben. Man kann aber lernen damit zu leben. Vergessen kann man es wohl nie. Es braucht auch seine Zeit bis man gelernt hat damit zu leben. Auch Du wirst diese Zeit brauchen und Du wirst es auch schaffen bald wieder die zu sein, die Du einmal gewesen bist.
Das Du ihm nicht mehr unter die Augen treten möchtest, dass ist klar. Wie die anderen sich verhalten und immer noch mit ihm zusammen sind, ist auch verständlich. Sie waren nicht dabei. Sie kennen ihn anders als Du. Sie handeln, wie es für sie am besten ist. Jeder handelt, wie es für sich am besten ist und wie er mag. Es ist gut, wenn Du keinerlei Kontakt mehr zu ihm hast.
Suche Deinen Weg auf dem Du glücklich werden kannst. Schaue jetzt nach Dir. Du bist wichtig.

Lieben Gruß