Problem von Anonym - 18 Jahre

Ich komme nicht mehr weiter (7)

http://mein-kummerkasten.de/45208/Ich-komme-nicht-mehr-weiter-6.html

Hallo!

Wow, du schreibst so vielen Menschen und erinnerst dich an mich? Danke!

Ja, ich bin auch froh, den ganzen Kram hinter mich gebracht zu haben. Den Kontrolltermin beim Frauenarzt habe ich nun auch hinter mir, er meinte er wüsste selbst nicht genau, wo das Problem gelegen hätte. Sollte mein Zyklus nun geregelt weiter gehen, hat dieser Gestagentest seine Arbeit getan und "das System genügend angekurbelt". Sollte meine Periode nun wieder ausbleiben, werde ich wohl auf lange Zeit hin nicht um Hormone herumkommen. Na das sind doch mal Aussichten...
Weißt du zufällig, ob Hormone irgendwelche Nebenwirkungen haben (können)? Was sie im Körper machen weiß ich im Groben.

An die Depression glaube ich noch nicht wirklich. Es gibt so Momente, in denen mir buchstäblich die Decke auf den Kopf fällt. Jeden Morgen zum Beispiel. Mein erster Gedanke: "Scheiße, schon wieder ein Tag, an dem du aufstehen musst."
Aber so gegen Nachmittag gehts mir eigentlich ganz gut. Allerdings wirds gegen Abend wieder schlechter. Ich hasse es, wenn ich mit mir allein bin. Ich hör nur noch irgendeine Musik und sitze 8-10h vorm PC, selbst in der Woche. Schlaf kommt da "ein wenig" zu kurz.
Ich sollte mal für mein Abi lernen - habe ich auch bis vor 2 Wochen ganz gut hinbekommen. Dann kamen die Vorabiklausuren und ich habe mich darauf "konzentriert" und nun komm ich nicht wieder ins lernen fürs eigentliche Abi rein.

Ich weiß, dass eine gute Psychologin Gold wert ist. Ich hatte allerdings erst mein Erstgespräch, der nächste Termin liegt Anfang Mai, zwischen den schriftlichen und der mündlichen Abiprüfung(en).
Vor einigen Tagen gings mir richtig mies, ich habe mit meiner Lehrerin gemailt und sie sagte, dass ich mir doch schon früher einen Termin bei der Psychologin besorgen soll. Sie ist allerdings nun eine Woche im Urlaub (so wie ich das mitbekommen habe).

Ich bin für jede Minute außerhalb dieses Hauses dankbar. Ständig zoffe ich mich mit meiner Mutter. Letztens wegen eines Stückchens Käse! Ich habe es am Vortag aufgegessen und sie kam die Treppe hochgestürmt und klopfte mir wutentbrannt gegen die Tür, es fielen Sätze wie "Wenn du im Moment deine Fressphase hast, musst du doch nicht gleich Käse stückchenweise auffuttern", etc..
Sie kritisert alles an mir, fühlt sich bei allem, das ich sage, angegriffen und wird sehr schnell beleidigend. Als würde hinter allen meinen Handlungen irgendeine böse Absicht stecken.

Meine Freundin geht bald wieder in die Psychiatrie. Sie sagte mir das beim letzten Training. Erzählte mir, dass sie nur noch irgendwelche sterbenden Strichmännchen malt und manchmal völlig die Orientierung verliert und nicht mehr weiß, wo sie gerade ist. Sie sagte sie wäre völlig fertig und es würde nichts mehr funktionieren. Langsam glaube ich nichtmal mehr, dass da "nur" die beiden Vergewaltigungen hinter stecken. Aber ich werde da auch nicht weiter nach fragen, ich will ihr nicht wehtun. Heute treffe ich mich noch einmal mit ihr, wir gehen was essen und spazieren. Danach wird sie für höchstwahrscheinlich ein ganzes Jahr (!) in die Klinik gehen. Ich hoffe, dass ich sie da besuchen kann. Immerhin habe ich nun meinen Führerschein und borge mir das Auto meiner Eltern, das dürfte schon klappen. Trotzdem finde ich es erschreckend, wie sehr sie leidet und anscheinend jegliche Medikation für die Katz ist, weil sie mir wörtlich sagte, sie sei mittlerweile resistent gegen diese Medikamente.

So, das wärs erstmal. Sowohl Psychologin als auch Lehrerin schlugen mir neben dem Training und den Spielen Jogging vor, um meine Wut und den Rest da hinein zu packen. Müsst ich mich nur zu aufraffen können...

Mit dem Ritzen hast du natürlich recht. Allerdings habe ich den Ritz (bzw. mittlerweile die Ritze, ich habe ein Pflaster drüber und immer mal wieder dran "rumgeritzt") an der Innenseite meines linken Handgelenks. Nicht da, wo sich Pulsadern und Co. befinden, sondern an der Seite, die nach innen zeigt, wenn ich mein Handgelenk auf den Tisch lege. Ich hoffe das ist jetzt irgendwie rübergekommen...

Ich passe schon auf, dass ich nirgends ritze, wo es gefährlich werden könnte. Ich weiß, sagen viele, aber ich denke ich habe es gut unter Kontrolle. Ok, das sagen auch wieder viele...

Danke für dein Gehör bzw. deine Augen,

Viele liebe Grüße zurück!

Anwort von Michaela

Hallo,

schön, wieder von dir zu lesen! Inzwischen ist zwar über eine Woche vergangen, seit du die E-Mail geschrieben hast, aber ich hoffe, dass du deine Stabilität bewahren konntest.

Hormone: Klar, jedes Medikament hat Nebenwirkungen. Deshalb ist es immer ratsam, noch mal einen anderen Arzt aufzusuchen, wenn es um Hormoneinnahmen geht, besonders, wenn man noch so jung ist wie du. Denn es werden immer mehr Stimmen in Fachkreisen laut, die auf alternative Medikamente aufmerksam machen, soweit möglich, nicht zuletzt wegen des erhöhten Zellwachstums, das zu Krebs führen kann. Welche Nebenwirkungen es da im einzelnen gibt, kann dir der behandelnde Arzt sagen. Jedenfalls können Hormone massive Veränderungen im psychischen UND physischen Körperhaushalt bewirken, also Achtung.

Was du derzeit genau mit dir herumträgst, ob es nun eine Depression oder eine Verstimmung oder oder oder... ist, kann letztlich nur deine Psychologin genau feststellen. Depressionen zu haben bedeutet übrigens nicht, dass man die ganze Zeit traurig oder apathisch ist. Es geht dabei um die Grundstimmung, die alle Handlungen beeinflusst. Zwischendurch gibt es immer wieder einen "Sonnenstrahl", egal was nun tatsächlich vorliegt.

Du schreibst, dass du nicht gerne mit dir allein bist. Was hindert dich daran, das zu ändern? Mal rauszugehen und Leute zu treffen?

Was dein Abi und das Lernen angeht, könnte ja auch einfach die Luft raus sein, oder? Irgendwann kann man nicht mehr lernen, wenn der Kopf randvoll ist. Es muss nicht immer unbedingt mit einem Problem zusammen hängen. Und wenn nix mehr geht, dann ist es eben so. Natürlich schweigt das Gewissen dazu auch nicht und piesakt, dass man doch was tun müsste. Ich schätze dich jedoch inzwischen so ein (auch weil du öfter auf deinen Perfektionismus hingewiesen hast), dass du irgendwann lernen wirst, spätestens dann, wenn es brenzlig wird. Es fehlt momentan wahrscheinlich die Motivation, die Initialzündung. Hast du dir eigentlich schon mal Gedanken um die Zeit "danach" gemacht? Berufspläne geschmiedet? Das kann manchmal einen richtigen "Schub" geben :-)

Familienkäse: Ich erinnere mich da an einige ebenso absurde Begebenheiten bei mir zu Hause, über die ich heute nur noch den Kopf schütteln kann (wie meine Eltern auch). Natürlich war ich damals stinksauer und habe alle in Grund und Boden verwünscht, und meine Eltern sahen mich irgendwo an der Straße stehen und betteln, weil ich mich in ihren Augen "seltsam" benahm. Insgesamt hing das aber alles mit dem Ablösungsprozess zusammen, der zu dem Zeitpunkt angelaufen ist, und der macht natürlich Angst, wie alle Veränderungen. (Schließlich müssen die Eltern mit sich selbst klarkommen, wenn die Küken flügge geworden sind.). Ich weiß, dass du damit jetzt nicht sehr viel anfangen kannst, und ich kann dir auch wieder nur sagen, dass hier die Devise "Durchhalten, bis es vorbei ist!" das einzige ist, was dich weiterbringt. Vielleicht suchst du dir wirklich ein Ziel, das du dir vor Augen halten kannst, wenn es gar nicht mehr geht, oder du gehst weg, um dich mit etwas anderem zu beschäftigen.

Auf was für eine Station kommt deine Freundin? Wenn es nicht gerade die geschlossene Abteilung ist, kannst du sie sicherlich besuchen. Allerdings ist eine stationäre Therapie noch um einiges härter als eine ambulante, wie du sie gerade machst, und es kann passieren, dass sie gar nicht aufnahmefähig ist, weil ihr so viel im Kopf herumgeht. Es ist auch nicht gesagt, dass sie wirklich wieder Medikamente bekommt. Soweit ich weiß, wird z. B. auf offenen Psychotherapiestationen darauf geachtet, dass die Patienten "clean" sind, um so auch wieder leichter ins richtige Leben zu finden. Und ein Jahr in der Psychiatrie mag anfangs sehr lang klingen, ist es aber im Nachhinein nicht, wenn es um Vergewaltigungen geht. Ich kenne nichts, was damit vergleichbar ist, was Intensität und Zerstörung der Persönlichkeit betrifft. Das soll dich jetzt nicht abschrecken. Es ist auch sehr schwer zu begreifen, wenn man es nicht selbst erlebt hat. Auf jeden Fall wird es gut für dich und deine Freundin sein, wenn sie es für sich klärt. Ich wünsche euch dabei alle Kraft der Welt.

Hast du derweil mit dem Jogging begonnen? Es gibt inzwischen fast überall Lauftreffs. Da könntest du dich zusätzlich ncoh mit anderen Menschen ablenken; natürlich nur, wenn du dich aufraffen kannst :-) Evtl. hilft dir auch hier ein Ziel, z. B. den Kopf frei zu kriegen. Und du bist, solange du joggst, nicht zu Hause. Wäre das eine Möglichkeit...?

"Ich passe schon auf, dass ich nirgends ritze, wo es gefährlich werden könnte. Ich weiß, sagen viele, aber ich denke ich habe es gut unter Kontrolle. Ok, das sagen auch wieder viele..."

... also ritzt du nicht um des Ritzens willen, sondern um deine Wut unter Kontrolle zu bekommen?

Ich wünsche dir noch einen schönen Abend und eine gute Woche!

Liebe Grüße & bis bald,

Michaela