Problem von Anonym - 26 Jahre

Habe ich einen Mutterkomplex?

Hallo liebes Kummerkasten-Team!

Ich bin auf diese Seite gestoßen, weil ich über Google etwas zum Thema "Mutterkomplex" suchte. Ich bin 26, lesbisch und fühle mich fast ausschließlich von Frauen angezogen, die mindestens 10 Jahre älter sind als ich. Meine bisherigen Freundinnen waren auch alle ziemlich genau 10 Jahre älter, ich "interessiere" mich aber auch durchaus für noch ältere Frauen, so ca. bis max. 60, 65. Die Attraktivität macht für mich Reife, Lebenserfahrung und Selbstsicherheit aus, auch gewisse Machtpotitionen (z.B. Lehrerin, Professorin, Richterin) ziehen mich an.

An sich wäre das ja nicht schlimm, ich musste aber feststellen, dass ich z.T. tatsächlich in "kindliche" Verhaltensweisen in einer Beziehung verfalle und meine kindlichen Anteile die Partnerin als Mutter ansehen. Mit "kindliche Verhaltensweisen" meine ich z.B. die Erwartung, dass die Partnerin alle meine Bedürfnisse erfüllt und immer für mich da ist, dass ich weniger Verantwortung für mich übernehme als ich das normalerweise tue, mich nicht (mehr) abgrenzen kann, große Verlustängste und das Gefühl von existenzieller Bedrohung bei vorübergehender oder dauerhafter Trennung bekomme. Meine letzte Beziehung dauerte 3 Jahre und ist nun seit 1 1/2 Jahren vorbei. Ich glaube mittlerweile, dass ich mit einer älteren Frau, die ja auch von vornherein wahrscheinlich dominanter mir gegenüber sein wird als eine Gleichaltrige, vielleicht niemals glücklich werden kann. Gleichzeitig "stehe" ich jedoch einfach nur auf ältere Frauen, sowohl sexuell/erotisch als auch geistig/seelisch interessiere ich mich schlichtweg nicht für Gleichaltrige oder gar jüngere Frauen.

Ich schwanke momentan zwischen den Polen, mir sogar sämtliche Gedanken und Phantasien an die Frau in die ich momentan verliebt bin (niemand, mit dem eine reale Beziehung möglich wäre) zu verbieten, um meinen "Komplex" nicht noch zu verstärken, bzw. um gegen diese Anziehung anzuarbeiten - und andererseits denke ich manchmal wiederum, dass es vielleicht ja gar nicht so schlimm und "gestört" ist, so wie ja auch niemand, der nun mal blonde Haare vorzieht, sich zwanghaft bemühen würde, doch lieber auf Braunhaarige zu stehen. Ich bin mir absolut unsicher, ob das nun eine Verharmlosung ist, ob sich bestimmte Probleme in der Beziehung zu einer älteren Frau für mich einfach nicht lösen lassen. Eine andere Theorie, die ich habe, ist die, dass ich vielleicht innerlich "reifer" als andere Personen in meinem Alter bin und deshalb oft nicht so viel mit diesen anfangen kann. Ich finanziere mein Studium z.B. mittlerweile komplett selbst (nachdem ich meinen Vater 2001 zunächst auf Unterhalt verklagen musste) übernehme die Verantwortung für mein Leben, ohne auf Eltern oder eine Partnerschaft zurückgreifen zu können. Ich kenne Depressionen, Angstzustände etc. und bin therapie- und selbsthilfegruppenerfahren. Meine 3-jährige Beziehung führte ich mit einer Frau, die als Kind in einem Satanskult rituell missbraucht wurde. Kurz: Ich bilde mir ein, schon mehr erlebt und erlitten zu haben als viele andere 26-Jährige und bekomme das auch immer wieder bestätigt.

Als Hintergrundinformationen vielleicht noch folgendes: Mit meiner Mutter habe ich seit ca. 6 Jahren keinen Kontakt mehr, da sich mich nie so akzeptierte, wie ich war und ich ihre Verhaltensweisen mir gegenüber nicht mehr ertragen konnte. Ich habe schon deutlich das Gefühl, dass in meinem Leben etwas fehlt, dass ich nie genug Mutterliebe bekommen habe und dass sie nie so für mich da war, wie ein Kind das braucht. Ich versuche jedoch bewusst, mich selbst um mich und meinen verletzten Kinderanteil zu kümmern, was mittlerweile mit etwas Übung manchmal auch ganz gut klappt.

Ich würde mich über eine Meinung, eine Einschätzung meiner "Theorien" sehr freuen!

Liebe Grüße

Anwort von Sabine

Hallo!

Ich will ehrlich sein:
Du hast in Deiner Mail verdeutlicht, dass es Menschen gibt, die auf Blonde, braunhaarige Frauen oder sonst was stehen, so, wie Du auf ältere Frauen stehst. Im Grunde ist Deine Frage doch damit beantwortet. Ich weiß nicht, ob Dich Deine Denkweise arwöhnisch einstufen würde. Jeder Mensch ist, wie er ist und mit Deiner Denkweise und Fühlweise verstößt Du doch gegen keinerlei Gesetze. Es sind Deine Gefühle und Du verletzt doch niemanden damit. Andere Menschen können sich dadurch abgestoßen fühlen, weil es vielleicht nicht "normal" ist, aber was ist denn schon normal? Ist normal, wenn Mann und Frau zusammenkommen und heiraten und Kinder bekommen? Ja, wenn ich es grob betrachte, dann ist es normal, weil es so vom Staat bzw. vom Glauben bzw. von der Erziehung gedacht ist, aber es ist m.E. nicht strafbar oder gefährlich so zu fühlen wie Du.
Was mir ein wenig Bedenken brachte, ist Deine Erwähnung von Therapien wegen Deiner Depressionen und Angstzustände. Woher kommen sie? Hängt es damit zusammen? Sorry, aber den Part habe ich nicht so ganz verstanden. Falls ja, wäre es vielleicht eine Möglichkeit, wenn es Dir bereits schon einmal Sicherheit gegeben hat in Deiner Denk- und Handelweise, diesen Kontakt und diese Hilfe wieder aufzunehmen. Vielleicht bringt es Dir eine Stütze.

Lieben Gruß