Problem von Anonym - 20 Jahre

Angst

Guten Tag,

ich habe, wiel viele andere wahrscheinlich auch, sehr lange überlegt, ob ich hier hinein schreibe.

Tja, wie soll ich nun anfangen. Vielleicht einfach von vorne, auch wenn es eine Zeit ist, die ich für immer vergessen möchte. Ich hatte eigentlich bis zu meinem 8. od. 9. Lebensjahr trotz Trennung meiner Eltern eine gute Kindheit. Ich weiß nicht mehr genau zu welchem Zeitraum es damals geschehen ist, jedenfalls kam mein Bruder auf die Idee sich als Chef aufzuspielen (war halt das einzige männliche Wesen in unserer Familie). Ich musste mit ihm immer "Karate" spielen, klingt jetzt nicht sonderlich schlimm evtl. auch etwas komisch, wenn es doch aber nur dabei geblieben wäre...

Irgendwann wollte er dann mehr, ich konnte mich nicht wehren... Ich hatte zu viel Angst. Was ich damit sagen will ist, dass mich mein eigener Bruder (3 Jahre älter) sexuell missbraucht hat und das über mehrere Jahre. Es war (kann ich sagen zum Glück?) nur Analverkehr. Meiner Mutter konnte ich es nicht erzählen, weil ich zu große Angst hatte. Ich war total eingeschüchtert. Hinzu kam, dass meine Mutter einen neuen Freund hatte. Der war nett, hat mir niemals etwas angetan aber für ihn waren seine beiden Söhne das allerwichtigste. Wir sind dann auch zu ihm gezogen -von einer Stadt in ein Dorf- fand ich mega sch... von meiner Mutter. Zu diesem Zeitpunkt hatte ich sie sehr doll gehasst. Ich wollte nicht in einem Dorf leben. Ich hatte keine Freunde mehr und habe seit dem auch schwer daran gearbeitet meinen Freundeskreis wieder neu aufzubauen. Ich war so weit unten im Keller, dass ich mir meine Arme geritzt habe....Ich wollte sterben, habe aber dann doch zu viel Angst vor dem Tod gehabt! Ich habe in dieser Zeit mit niemandem darüber gesprochen. Ich hatte keine Vertrauensperson. Ich hatte auch nicht den Mut zu einem Psychologen zu gehen. Mein Problem besteht nun darin, dass ich gerne eine Beziehung mit einem Mann haben würde, aber so bald mir jemand näher kommt, mache ich dicht. Ich kann nicht einmal eindeutig sagen, dass ich mich nur für Männer interessiere. Das ist auch noch ein Problem. Vielleicht stehe ich auf Frauen. Ich bin es satt, meinen Freunden immer etwas vorzuspielen. Von meiner Vergangenheit kann ich ihnen nicht erzählen, ich habe mir immer irgendetwas ausgedacht (...ich hatte schon nen Freund und Sex usw...) Den hatte ich auch schon. Ein einziges Mal. Und ich fand es absolut nicht schön. Ich habe mich danach so benutzt und verbraucht gefühlt. Ich habe manchmal Tage an denen ich derbe Depressionen habe. Meine WG-Mitbewohnerin fragt mich dann auch meistens was ich habe aber ich bring es nicht über die Lippen. Was soll ich tun? Ich kann den Schritt nach Vorne nicht wagen, weil ich zu große Angst habe alles kaputt zu machen...

Könnt ihr mir vielleicht helfen?

Anwort von Sabine

Hallo!

Du hast den ersten Schritt schon gemacht und ich danke Dir für Dein Vertrauen. Gut, dass Du darüber sprichst. So schaffst Du auch den zweiten Schritt.

Es tut mir leid zu hören, was du in Deiner Familie erlebt hast. Dein Bruder gehört angezeigt. Auch, wenn es Jahre zurückliegt. Sexueller Missbrauch ist strafbar.

Das es Dir schwer fällt eine "normale" Beziehung zu führen, kann ich mir denken. Du hast Jahre nicht darüber gesprochen und versucht es immer wieder zu verdrängen, ohne es richtig zu verarbeiten. Ich finde, so staut es sich nur auf, aber verarbeitet wird es nicht. Vielleicht solltest Du doch einmal mit einem Psychologen darüber sprechen. Ich weiß, dass es sehr hilfreich sein kann, um sich von solchen Dingen zu lösen. Nur, weil man einen Termin bei einem Psychologen wahr nimmt, bedeutet das nicht, dass man geistig krank ist. Nein, er hat nur Erfahrung damit solche Dinge in Angriff zu nehmen, damit Du damit besser umgehen kannst. Das Erlebnis, welches Du hattest, wirst Du wahrscheinlich aufgrund der Dauer, nicht so schnell vergessen können. Ich will Dir nichts vormachen, vielleicht wirst Du es nie ganz vergessen können, aber Du kannst gewiss lernen damit zu leben und besser damit umzugehen. Doch, da bin ich mir ganz sicher.Es wird Dir helfen darüber zu sprechen und Dich auf diese Art davon zu lösen.

Wie gesagt, den ersten Schritt hast Du gewagt. Du hast Dich uns anvertraut. Ich bin mir sicher, dass Du jetzt auch den zweiten Schritt schaffen wirst, um Dich endlich davon lösen zu können und bald wieder in Ruhe leben kannst. So, wie Du es Dir wünscht. Nur, Du wirst auch die Hilfe an Dich heranlassen müssen, damit es funktioniert.

Schreibe, wenn Du magst und rede. Wir sind gerne für Dich da. Doch in erster Linie möchte ich Dir auch zu fachlicher Hilfe raten.

Lieben Gruß