Problem von Tessa - 26 Jahre

Theraphie nach Vergewaltigung

Hallo,
ich wurde vor ca fünf jahren vergewaltigt, hatte davor ein schönes leben. Ich war sehr selbstbewusst und liebte mich selbst und konnte lachen. Nach dem mir das passiert ist, hat sich mein leben schlagartig geändert. Alles war wie glöscht. Musste ein jahr eine therapie machen. Und gott sei dank, habe ich so vieles wieder neu erlernen und aufbauen müssen.
Mein problem ist, das ich bis heute niemanden mehr vertrauen kann und manchmal auch menschen die mir eigentlich nichts böses wollen, unbewusst verletzte. Ich wirke so sagen es viele sehr hart und irgendwie sensibel. -will das aber nicht. Ich bekomme viele komplimente aber annehmen will ich sie nicht. Grund: ich glaube es nicht, weil ich denke das es nicht mit mir ehrlich gemeint war. Und deshalb stelle ich denjenigen dumm hin. Was bewusst nicht meine absicht war.
Wenn ich zb in der stadt alleine zum shoppen gehe, dann habe ich das gefühl das alle männer mich als sexobjekt sehen. Neulich, war ich nach langen mit meiner schwester in der disco, da haben mich ein paar typen sowas von blöd angemacht, das ich keine lust mehr habe überhaupt jemals eine disco zu betreten. Anstatt darüber hinweg zu sehen (was mit sicherheit jede frau mal erlebt) und zu sehen das auch nun mal negative erfahrungen zum leben dazu gehören, nein ich nehme es einfach zu ernst. Ich hab es satt, das ich noch immer folgen der vergewaltigung trage.
Ich rufe manchmal meine therapeutin an, und schilderte ihr was in mir vor geht. Sie meinte das weitere theraphiesitzungen nicht mehr nötig wären.
Ich will damit nicht mehr leben müssen und weiß echt nicht, was ich dagegen tun muss damit das endlich aufhört. Denn im inneren sehne mich nach all so schönen dingen und will sie ausleben können ohne dabei jemanden ünbegründet zu verletzten.
Wer hat leider so eine ähnliche efahrung erleben müssen und könnte mir ein paar tips geben?
Für jeden rat wäre ich sehr dankbar!
Grüß, Tessa

Anwort von Sabine

Hallo Tessa!

Es tut mir leid, was Dir damals passiert ist und es ist traurig, dass die Therapie nicht den Erfolg gebracht hat, den Du Dir erwünscht hast. Ich habe das Gefühl, dass Du immer noch in jedem Mann einen Täter siehst und glaubt, dass jeder Dir etwas antun möchte. Ich kann es verstehen und gehe mal davon aus, dass es ein Fremder war, der Dich damals vergewaltigt hat und keiner aus Deinem Bekanntenkreis.
Um ein wenig Vertrauen in die anderen Menschen zu bekommen, solltest Du Dir immer wieder sagen, dass nicht alle Menschen gleich sind. Nicht alle Menschen sind schlecht. Es gibt auch viele nette Menschen und die keine bösen Absichten haben. Nur leider, wenn man so etwas erlebt hat, erkennt man sie nicht mehr, weil man immer zuerst davon ausgeht, dass sie einem ja was Böses antun könnten, sowie man es erlebt hat. Diesen Gedanken, den kann ich nachvollziehen, aber man sollte, wenn man lernen will mit der schlechten Erfahrung umzugehen sich auch sagen können, dass nicht alle gleich sind.
Klar, fragt man sich immer wieder, ob man anderen noch vertrauen kann oder ob wieder enttäuscht wird. Das ist eine ganz normale Reaktion, aber ich sage mir auch, wenn man es nicht versucht und mal in das kalte Wasser springt, dann wird man es auch nicht herausfinden. Nach einem solchen Erlebnis muß man oft in das kalte Wasser springen, wenn man vorankommen will.
Als ich mir mal selber die Frage gestellt habe, wem kann ich denn jetzt noch vertrauen, wer meint es denn ehrlich mit mir, da sagte mir mal eine andere Person (ihre Worte liegen mir heute noch im Ohr) "wenn Du etwas über einen anderen Menschen erfahren möchtest, dann achte mal darauf, wie er mit seinen Eltern umgeht. Daran kann man oft erkennen, wie ein Mensch sein kann oder wie er ist oder wie er mit Dir umgehen kann oder wird". Irgendwie fand ich, war da etwas dran. Die vertrautesten Personen sind doch oft die Eltern, die einen großgezogen haben und denen man nie etwas vormachen kann, da sie einen von klein auf kennen.
Eine Zeit lang war ich der Meinung, dass alle Männer eine Führungszeugnis tragen sollten. Blöde Idee, ich weiß, aber ich glaubte, es könnte mich vor weiteren Enttäuschungen schützen. Oder einen Stempel auf der Stirn, dass man gleich erkennen kann, dass sie keine guten Menschen sind. Aber heute weiß ich, dass all diese Dinge nichts bringen würden, denn jeder sieht einen Menschen anders. Wen Du vielleicht als total lieb einstufen würdest, den findet ein anderer z.B. total blöd oder unumgänglich. Also, weiß ich heute, es würde nichts bringen.
Ich kann mir vorstellen, dass Du Dich vor weiteren Enttäuschungen schützen möchtest und deshalb niemandem mehr vertrauen magst und niemanden mehr an Dich herankommen lassen magst, aber gehören Erfahrungen, ob negativ oder positiv, nicht zu unserem Leben dazu? Ob mit oder ohne schreckliche Erfahrungen? Klar, sind die, die so etwas erlebt haben vorsichtiger denn je, aber sie müssen auch aufpassen, dass sie sich nicht abkapseln von den anderen Menschen und nicht einsam werden.
Wenn Du wieder normal mit anderen Menschen umgehen möchtest und wieder leben möchtest, wie Du es schon einmal getan hast, dann versuche mit dem schrecklichen Erlebnis zu leben. Je mehr man darüber spricht um so mehr befreit es und Stück für Stück verschwindet aus dem Kopf. Gespräche mit vertrauten Personen, die helfen in solchen Situationen sehr.
Nicht alle Menschen sind gleich, aber ich muß auch eingestehen, dass man einige Erfahrungen sammeln muß, bis man erkennen kann, ob es nette Menschen sind, oder Menschen, die nichts gutes im Schilde führen.
Du hast jetzt ein größeres Wahnsignal in Dir durch den Vorfall. Du achtest jetzt mehr auf Kleinigkeiten am Verhalten anderer Menschen, als eine Person, der soetwas nicht passiert ist. Das ist etwas, was Dich schützt, aber nicht distanzieren sollte.
Sprich ruhig mit anderen und versuche sie kennenzulernen. Von mal zu mal immer etwas mehr, aber auch nur so weit, wie es Dir gut geht und Du damit klarkommst.
Ich hoffe, Du hast ein wenig verstanden, was ich Dir damit sagen wollte und ich hoffe auch, dass es Dir ein wenig geholfen hat.
Viel mehr kann ich Dir leider auch nicht dazu sagen.
Das Du weiterhin Kontakt mit Deiner Therapeutin hast, dass finde ich gut, denn sie kennt alle Einzelheiten und weiß auch, wie es in Dir aussieht. Eines Tages wirst Du sie nicht mehr brauchen und lernen damit umzugehen.

Lieben Gruß.