Problem von Timo - 20 Jahre

Verzweifelt: Angst und Panik vor HIV Infektion

Liebes Kuka Team,

Mein Name ist Timo, ich bin 20 Jahre alt und Student. Meine Geschichte besteht aus zwei Teilen und ich hoffe, ihr könnt mir weiterhelfen, bin echt verzweifelt.

In den letzten Tagen hatte ich ein einschneidendes Erlebnis, was mich bis heute extrem belastet.
Zum Deutschlandspiel am Dienstagabend gegen Italien haben meine Freunde und ich eins der Public Viewing Angebote in unserem Bundesland genutzt. Als wir nach den unerwarteten Toren gesenkten Hauptes auf den Weg zum Parkplatz begaben, saß am Straßenrand mehr oder weniger im Gebüsch ein sehr traurig aussehender Typ, der grad dabei war sich eine Zigarette zu drehen. Stabil, herkunftsmäßig Deutscher, Anfang, Mitte, Ende 30 - ich weiß es nicht mehr - und mit kurzen abrasierten Haaren. Meine Freunde und ich hatten schon einiges getrunken, und Alkohol erhöht ja bekanntlich die Kontaktbereitschaft. Wie auch immer, war ich schon fast an diesem Typen vorbei als ich mich spontan in diesem kolletiven Gefühl der Enttäuschung auf ihn zubewegte, ihm an die Schulter klopfte und sagte, dass Deutschland ja 2008 Europameister werden könne. Daraufhin fasste er mich an meinen Hinterkopf und umarmte mich, und wir wünschten uns alle gute. Danach hatte ich ein echt gutes Gefühl, wie sehr diese WM zusammenschweißt. Einer meiner Freunde, meinte dann, dass "der Typ so aussah, als hätte er sich heut abend schon geprügelt" und er anscheinend eine (getrocknete) Wunde - vielleicht war sie noch frisch, wer weiß das schon - an der Stirn hatte, woraufhin bei mir die Alarmglocken läuteten, und es bis heute tun. Ich hatte nämlich auch eine errötete Stirn weil man sich vorher die ganze Zeit den Schweiß von der Stirn gewischt hat und ich auch zu trockener Haut neige.

Was mich in den letzten Tagen beschäftigt ist jetzt einfach, dass es einen Blut-zu-Blut Kontakt gegeben haben könnte, auch wenn sich unsere Stirnen nicht berührt haben (oder doch?).

Der zweite Teil meiner Geschichte ist, dass ich unter einer agoraphobischen und sozialen Angststörung habe und zu dem Thema Krankheiten sensibler eingestellt bin, als "normale" Menschen, die sich darüber keine Gedanken gemacht hätten... ABER WAS BIN ICH FÜR EIN IDIOT EINFACH JEMAND FREMDES ZU UMARMEN UND ANZUSPRECHEN
Ich habe letzte Woche eine Therapie wegen diesen o.g. Problemen angefangen, und meinem (sehr guten) Therapeuten auch gestern von dieser Geschichte am Dienstag erzählt. Er meinte, dass es keinen Grund zur Sorge gebe, da sich erstens unsere Stirnen nicht bewusst berührt haben, durch eine gerröte Haut keine HIV Übertragung stattfinden kann und ich wenn dann schon übers ganze Gesicht hätte bluten müssen. Das leuchtete mir ein, doch abends kam die Angst wieder.

Im Sinne von: Was wäre wenn?

... Ich eine unentdeckte Verletztung an der Stirn hatte und sich unsere Stirnen doch berührt haben?
... durch meine erröte Stirn eine Übertragungsrisiko ausging
... er eine Verletztung an der Stirn hatte (mir ist am Dienstag nichts aufgefallen, aber ich war auch angetrunken, mein Kollege aber auch)
... ich eine Verletzung an der Wange oder sonst an einer Stelle im Gesicht hatte und er auch
... oder ich mich sonst irgendwie angesteckt haben sollte, sofern er HIV positiv ist


Ich habe nämlich auch gelesen, dass ein einziger Tropfen Blut schon ausreicht. und ein kleiner Riss in der Haut. Ich könnte mich so sehr darüber aufregen, dass ich Dienstag auf diesen Kerl zugegangen bin. Die Angst frisst mich auf, ich wollte doch mein Leben in den nächsten Wochen mit diesem tollen Therapeuten verändern und meine Kindheits- und Jugendgeschichte aufarbeiten, und irgendwann auch wieder die von mir gefürchteten Situationen aufsuchen können, weil ich Angst und Panik in den Horsäalen und Seminarräumen habe (Reizdarm). Und jetzt hat diese Scheiße von Dienstag mich komplett gebremst. Nach frühestens 3 Monaten kann man einen verlässlichen Antikörpertest machen, eine schier unendliche Zeit der Ungewissheit.

Das Problem ist, dass man es nicht 100% ausschließen kann, dass Dienstag was passiert sein könnte, und ich ja auch nciht mehr weiß, was er da für eine Verletzung an der Stirn hatte und ob ich nciht auch irgendwo eine hatte.

Ach ja ich habe shcon die Suchfunktion zum Thema "HIV" und "Aids" benutzt und alle von euch angegeben Links gelesen, oder besser gesagt studiert. Also diese Informationen sind mir nciht neu. Vielleicht sollte ich mich an eine Aidsberatungsstelle oder an einen Arzt wenden??

Ich schäme mich für mich und diese Sorgen!!!!!

Bitte helft mir, ich wäre euch sehr dankbar, euch alles gute!
Timo

Dana Anwort von Dana

Grüße Dich, Timo!

Niemand muss sich für Ängste und Sorgen schämen. Das lass Dir gleich einmal gesagt sein. Manchmal sind sie begründet, manchmal nicht - aber das ändert nichts daran, dass sie da sind.

Ich kann Deinem Theapeuten nur recht geben: Es ist unwahrscheinlich. Natürlich können wir keine Gewissheit geben. Ich war nicht dabei, habe nichts gesehen und kann keine Garantie für irgendwas übernehmen.

Wenn Du möchtest, (und Dein Therapeut das vielleicht auch befürwortet)dann sprich noch einmal mit einem Arzt. Er wird Dir die genauen Risiken noch einmal deutlich darlegen können.

Ich kenne die Zeit der Ungewissheit gut und kann die Angst nachfühlen. Habe mich in der Praxis mal an einer benutzten Kanüle verletzt, wobei man nicht mehr nachvollziehen konnte, von welchem Patienten sie stammte. Alles gut gelaufen - und das wünsche ich Dir auch; könnte fast sagen: ich gehe bei der geschilderten Situation nahezu davon aus. Nur wie gesagt: keine Garantie.

Ich habe damals meine Angst so gut es ging verdrängt. Immer dieses "wird schon nichts passiert sein" hatte ich im Kopf, habe es einfach weggeschoben. Vielleicht schaffst Du das auch, bis Du das Resultat hast.

Alles Gute!
Dana