Problem von Lucie - 28 Jahre

Angst vor Nähe

Liebes Kummerkasten-Team!

Mein Freund (28) hat Angst vor Nähe in einer festen Beziehung. Seit sechs Monaten habe ich eine lockere Beziehung mit ihm und liebe ihn sehr. Wir sind schon seit mehr als drei Jahren befreundet und zwischen uns hat es im Grunde schon von Anfang an sehr gekribbelt. Leider ist bis vor einem halben Jahr nichts daraus geworden, weil zunächst ich nicht bereit für eine Beziehung war (mochte ihn sehr, es war aber keine Liebe) und er dann eine Freundin hatte, mit der er zwei Jahre zusammen war. Die Beziehung zu dieser Freundin war zunächst eine Fernbeziehung, dann zog sie in unsere Stadt und er hat sich mehr und mehr von ihr distanziert (wollte keine gemeinsame Wohnung etc.). Als wir dann etwas miteinander anfingen, hat er mit ihr Schluss gemacht. Mein Freund ist nach eigener Aussage sehr entscheidungsschwach (er hat so z.B. lange gebraucht, bis es ihm gelungen ist, seiner Freundin zu sagen, dass er die Beziehung beenden möchte), was sich soger in kleinen Details des täglichen Lebens (Menuauswahl im Restaurant etc.) äußert.
Nachdem er die Beziehung mit seiner Freundin beendet hatte, hat er mir (wieder nach langem Zögern) mitgeteilt, dass er nicht direkt in eine neue feste Beziehung gehen könne. Um seine Gedanken und Gefühle zu ordnen ist er dann sechs Wochen mit Freunden in den Urlaub gefahren. Als er wiederkam, ist er mir (und vor allem Situationen, in denen es zu Sex kommen könnte) bewusst aus dem Weg gegangen. Das hat mich sehr verletzt, ich habe ihm das mitgeteilt und es ist zu einer Aussprache gekommen. Bei eben dieser Aussprache, hat er mir erzählt, dass er gehofft hatte, nach seinem Urlaub und dem räumlich-zeitlichen Abstand bereit für eine feste Beziehung zu sein. Er hätte sich geschämt, dass dies nicht so gewesen sei und sich daher von mir distanziert.
Er sei der Meinung, ich hätte da etwas besseres verdient, als so eine halbseidene Affaire. Als er mich nach dem Urlaub gesehen hat, hätte er sehr viel Lust auf mich bekommen und ist mir dann bewusst aus dem Weg gegangen, weil er mich nicht sexuell ausnutzen wollte. Er könne so viel Nähe, wie sie eine feste Beziehung mit sich bringt jetzt nicht zulassen. Er habe das Gefühl, es sei nach all den Jahren der flasche Zeitpunkt und das ärgere ihn sehr. Ich habe ihm gesagt, dass ich ihn nicht verlieren möchte und mich daher mit unserer lockeren Beziehung arrangieren werde.
Ist das dumm von mir? Will er mir nur nicht weh tun und sagen, dass nur ich nicht die Person bin, mit der er etwas Feste möchte? Er ist sehr lieb zu mir, sehr zärtlich und wir reden viel und gut miteinander. Der Sex ist immer sehr befriedigend und auch hier ist er vorher und nachher sehr lieb und fürsorglich. Er übernachtet regelmäßig (1-2x in der Woche) bei mir, wir küssen uns auch außerhalb des sexuellen Kontextes viel. Ich glaube nicht, dass er keine Gefühle für mich hat. Wieso also diese Näheverweigerung/Verweigerung einer festen Beziehung? Gerade dann, wenn wir einen sehr schönen Tag miteinander hatten, meldet er sich danach oft tagelang nicht. Dann wiederum drückt er mich so fest an sich, das ich keine Luft mehr kriege :). Ich denke nicht, dass ich ihn emotional erdrücke. Wie kann ich also mit diesem Näheproblem umgehen? Wie und wann soll ich ihn noch einmal genauer darauf ansprechen? Ich denke, er hat da persönliche Probleme, die er verdrängt, nicht anspricht etc. Er leidet unter Schlafmangel (schläft oft erst gegen vier Uhr nachts ein, wenn er allein zu Hause ist), kaut Nägel (was ihn selbst sehr ärgert), sein Vater ist vor zwei Jahren gestorben und seine Mutter hatte vor einem Jahr Brustkrebs, er kommt trotz hoher Intelligenz mit seinem Studium nicht voran, er hat eine Menge Geld von seinem Vater geerbt und muss sich um dessen Nachlass kümmern, er hat sehr viele Freunde überall in der Welt und ist daher ständig unterwegs/auf der Flucht... Wie gesagt, ich liebe ihn sehr und würde ihm gerne helfen. Allerdings möchte ich bei meinen Hilfeversuchen nicht selbst auf der Strecke bleiben. Ich hoffe, dass er einfach nur Zeit braucht, erkennen muss, dass Nähe in einer Beziehung positiv sein kann (die Ex muss sehr geklammert haben). Er sagt selbst, dass er einmal Familie und Kinder will und ist also Beziehungen gegenüber nicht per se negativ eingestellt. Er will, kann aber nicht. So sehe ich das. Das war jetzt eine sehr lange Mail. Ich hoffe, sie können uns/mir ein wenig weiterhelfen.

Liebe Grüße,
Lucie

Dana Anwort von Dana

Grüße Dich, Lucie!

Ich kann nicht beurteilen, wie tief sein Problem geht - und auch nicht, ob es wirklich tief geht. Was spricht dagegen, dass er die Wahrheit über sich und seine Gefühle sagt? Seine Ex hat sehr geklammert, die Trennung liegt noch nicht allzu lang hinter ihm usw. - Kann es nicht sein, dass er einfach noch keine neue feste Bindung möchte? Und das nicht, weil etwas an Dir nicht passt, weil das Drumherum gerade stressig ist, sondern einfach, weil der die Trennung noch nicht ganz verarbeitet hat und noch nicht wieder bei sich selbst angekommen ist? Ist das nicht auch eine Möglichkeit?

Was kannst Du jetzt tun? Kommst Du denn mit der jetzigen Situation gut klar? Oder schmerzt es zu sehr? Die Zeit wird einiges zeigen; ihr kannst Du kaum etwas vorausnehmen, was ihn nicht zu einer Entscheidung drängen könnte. Und Entscheidungen, zu denen man gedrängt wird, sind oft Notlösungen, die niemand wollte. Schaffst Du es, die Situation weiter so hinzunehmen und einfach für ihn da zu sein?

Vielleicht entwickelt sich das zwischen euch von selbst zu dem, was Du Dir wünschst? Muss man aussprechen, dass man eine Beziehung führt? Dann wird er sich eines Tages in seinem Leben umschauen, und erkennen, dass er mit Dir zusammen ist, ohne Einengung, ohne die negativen Seiten, die er mit seiner Ex kennengelernt hat. Kann das ein Weg für Dich sein?

Wenn nicht, dann spreche ihn darauf an. Sage ihm, was Du Dir mit ihm vorstellst, wie Du Dir die Zukunft ausmalst - und dann schaut gemeinsam, ob es wahr werden kann.

Alles Gute!
Dana