Problem von Anonym - 19 Jahre

Studium zerstört Stück für Stück mein Leben...

Hey Leute... find ich ja echt mal cool das man hier mal so anonym das Internet es zulässt seine Probleme loswerden kann...

Ich weiß gar nich wo ich anfangen soll. Wunderbar, diese Tatsache wär dann ein weiterer Punkt auf der schier endlos langen Liste der Dinge, zu denen ich nicht tauge.
Es ist echt zum heulen, vor n paar Monaten war ich der glücklichste Mensch der Welt. Ich hatte meinen festen Platz im Leben und in der Welt gefunden, wusste genau wo ich stehe, konnte den Menschen in meinem Umfeld mit Rat und Tat zur Seite stehen. Wenn die Leute komplizierte Fragen, sei es schulischer oder privater Natur, hatten kamen sie gern mal zu mir und fragten mich einfach mal. Vor n paar Tagen wurd ich sogar noch als 'eine Art geistiger Führer' gelobt. Ich hatte echt das Gefühl mal zu was zu nützen, das Gute Gefühl meine Fähigkeiten sinnvoll, auch für andere einsetzen zu können. Das war ohne Zweifel die gottverdammt beste Zeit meines Lebens, die ich nicht für alles Geld der Welt in meinen Erinnerungen missen will.
Klingt wunderbar, WAR es auch. Dann kam aber das lang ersehnte Studium. Schlagartig hat sich eigentlich alles geändert und sich meiner Kontrolle entzogen. Neu anzufangen, absolut ohne Leute, die ich kenne, auf völlig neuem Terrain, darin war ich noch nie n großer Künstler, aber ich hab noch nie das Gefühl gehabt dermaßen verloren zu sein. Ich bin trotz mangelnder Kontaktfähigkeit(ich kenn mich ja mittlerweile...), einfach mal über meinen Schatten gesprungen und hab auch 'ne Handvoll neue Leute kennen gelernt. Das soll auch nicht mein (Haupt-)Problem sein.
Das Problem ist eher, dass ich das Gefühl habe in meinem Studiengang absolut deplaziert zu sein. Ich kam mir noch nie so unfassbar dumm vor wie jetzt. Gut und gerne 90% meiner Kommilitonen haben schon Vorbildung in der Richtung, sei es durch ne abgeschlossene Ausbildung, oder sie waren vorher auf entsprechenden Fachschulen. ICH aber hab n kompletten Stilbruch begangen als ich mich für das Studium beworben habe. Ich habe n völlig anderes Fach genommen als mir jeder geraten hat, nur weil ich seit ich realistische Vorstellung von erreichbaren Berufen habe nur dieses eine Ziel hatte. Es war echt mein Lebenstraum, den ich mir da erfüllt habe. Und jetzt sitz ich hier und will mir am liebsten einfach nur die Kugel geben, damit endlich alles vorbei ist. Es ist doch unglaublich wie sehr ich mich in mir täuschen konnte. Es ist ja nicht der Inhalt des Studiums der mich stört, mit dem habe ich ja gerechnet, es ist nur meine totale Unfähigkeit für die gestellten Anforderungen. Klar muss man sich an die Lernmethoden erst gewöhnen, aber das ist nicht das Problem. Ich scheitere nur an der Umsetzung der erlernten Dinge. Mir fehlt die komplette Art so zu denken, wie es zum Lösen der Aufgaben nötig wäre. Heute hab ich wieder einen der härtesten Rückschläge überhaupt erlitten, ich merke das ich nur einen winzigen Schritt vom Abgrund entfernt stehe und weiß bei bestem Willen nicht, wie ich durch die Prüfungen kommen soll, weil mein Verstand der Art der Aufgaben nicht gewachsen ist.
Was es für mich noch schwerer macht ist, das ich - ich weiß, klingt jetzt komisch - von meiner Familie unterstützt werde wo es nur geht. Nicht genug dass sie mir in ihrer finanziell 'recht wackeligen' Situation(ein Dreiviertelgehalt für die Versorgung von drei Kindern) die scheißteuren Studiengebühren bezahlt haben, jetzt schenken sie mir noch n sauteures Buch damit ich über die Feiertage nachlernen kann. Aber eigentlich sticht es mir noch viel tiefer in die Seele, das man mir allen Ecken und Kanten helfen will, weil ich genau weiß das ich es nicht verdient habe. Eltern hin oder Her, ich will einfach nicht das jemand der ohnehin schon finanziell angeschlagen ist, mich noch finanziell unterstützt.
Scheiße, ich hab seit mindestens 6 Jahren keine Träne mehr vergossen und jetzt gerade schafft es mein einstiger Lebenstraum meine Prinzipien keine Emotionen zu zeigen zu zerschießen...
Mal wieder was positives. Ich hab anderen Leuten wie n allwissender geistiger Führer immer zur Seite gestanden, hab mir gleichermaßen immer gerne ratschläge angehört, darüber das ich mich nicht weiter quälen solle, wenn ich doch sowieso die Hoffnung und den Willen längst aufgegeben hätte in dem Bereich später mal zu arbeiten, aber zu Herzen nehmen konnte ich mir das einfach nicht. Meine Familie hat dafür zu viel in mein Studium und in meinen Weg investiert. Und dann passiert das, was nun wirklich keiner der mich kennt noch für möglich gehalten hätte. Ich treffe ne bezaubernde, junge... egal, ich begegne jemandem, der mir sagt, jeder solle wirklich das machen, was einen erfüllt. Als ob ich den Satz vorher noch nie gehört hätte begreife ich wie dermaßen falsch ich die ganze Zeit gelegen hab, wie schwachsinnig es war mich so lange wirklich zu quälen. Es ist nämlich nicht so, dass das Studium mein restliches Leben nicht beeinflusst hätte. Meine Stimmung ist seit Oktober auf dem absoluten Nullpunkt, ich hab meine 'Fähigkeit zu schreiben' verloren. Früher hab ich hobbymäßig Kurzgeschichten oder auch mal Romane geschrieben, aber die Gabe das die Ideen und die passenden Sätze und Worte nur so aus einem heraussprudeln ist einfach weg. Der Funken erloschen. Dieser jemand hat mir auf jeden Fall wieder Mut gegeben, mein Problem mal wieder in die Hand zu nehmen.
Das Resultat war, das ich mir Gespräche mit n paar nicht unerfolgreichen Leuten aus der Branche organisiert habe(Vitamin B funktionierte zum Glück noch), in der ich eigentlich 'zu Hause' bin. Ich traf auf völliges unverständnis dafür, wie meinesgleichen im Studium überhaupt Probleme haben konnten. Sogar Geschäftsführer mussten sich eingestehen, das mein Abschlusszeugnis (ohne Schwächen in den wichtigen Fächern) ne Rarität war. Die Theorien gingen in stundenlangen gesprächen dahin, dass man im ersten Semester nur 'aussortieren' will, und ich deshalb so am verzweifeln bin. Klar haben mich diese Gespräche wieder positiv gestimmt, wer wird nicht gerne an das beste Zeugnis seines Lebens erinnert und dafür gelobt... Aber das liegt jetzt hinter mir und wie gesagt habe ich heute den wahrscheinlich härtesten Schlag abgekriegt, den das Schicksal bisher für mich bereit gehalten hatte und ich stehe wieder mit dem Rücken zur Wand(und gleichzeitig einen Schritt vor dem Abgrund... na toll...).
Und trotz der jüngsten Triumphe überwiegen die negativen Aspekte meines Lebens, und der Gedanke all dem einfach ein für alle mal ein Ende zu setzen ist wieder da.

Ich weiß ech nicht mehr weiter, ich weiß nicht mehr wohin, ich hab meinen Platz im Leben verloren. Ich weiß nicht ob ich das Studium, in das ich und meine Familie so viel Anstrengung und dazu noch ne beträchtliche Summe gesteckt haben, weitermachen sollte. Aber ich kann mir doch gar nicht mehr vorstellen in dem Bereich mal zu Arbeiten, der Spaß an dem Berufsfeld ist mir ein für alle mal vergangen. Einfach nochmal neu Anfangen? In der Branche aus der ich eigentlich komme? Was wenn ich da wieder scheitere? Ich hab in meinem Leben schon unzählige Höhen und Tiefen überwinden müssen, aber noch nie hab ich sozusagen 'den kalten Lauf der Waffe so dicht an meiner Schläfe gespürt'. Ich glaube nicht das ich noch nen reinfall wie das Studium verkraften würde... Verdammt ich weiß echt nicht wohin. Es kann nicht an meinem Verstand oder an Dummheit liegen, dass ich dermaßen scheitere, aber ich scheitere einfach. Wie konnte ich, der ich im Leben erreicht hatte, was ich immer erreichen wollte, so absteigen und auf voller Linie versagen...
Scheiße ich weiß einfach nicht mehr weiter und bin an dieser Stelle schonmal dankbar dafür, das ich hier meine Gedanken loswerden konnte...

Anwort von Mirjam

Hallo Du,
mal ehrlich, eine mail wie Deine koennte bestimmt von mindestens 3/4 aller Studienanfaenger stammen! Es ist voellig normal, dass man am Anfang des Studiums denkt, dass man der letzte Idiot ist. Das liegt zum einen am "Aussortieren", das Du auch erwaehnst, zum anderen aber auch daran, dass man auf einmal mit neuen Leuten, neuen Methoden etc konfrontiert ist.
Du sagst, Du kommst eigentlich aus einer voellig anderen Branche, aber 90% Deiner Kommilitonen haben Vorbildung in Deinem jetzigen Fach? Wie erwartest Du denn dann, Dich nach weniger als einem Semester mit ihnen messen zu koennen? Da stellst Du doch viel zu hohe Anforderungen an Dich selbst.
Euch ist bestimmt ein Mentor oder Vertrauensdozent oder sojemand zugeordnet worden, sprich doch mal mit dem. Er wird Dir sicherlich die Angst nehmen koennen, fuer Dein Studium ungeeignet zu sein, und vielleicht kann er Dir auch konkrete Tips geben, wie Du Dich verbessern kannst. Ausserdem kann er Dir vielleicht Informationen fuer Finanzierungsmoeglichkeiten zukommen lassen. Wenn Du ein Stipendium o.ae. erhaelst musst Du Dich auch nicht Deiner Familie gegenueber verantworten (oder das Gefuehl haben, Dich verantworten zu muessen).
Ich wuensche Dir viel Glueck, viel Kraft und einen guten Rutsch!