Problem von Anonym - 21 Jahre

Allgemeine problematik

Hallo


Ich bin der Chriss 21 Jahre aus dem schönen Süden Bayern´s.
Ich bin 21 Jahre alt und hatte noch nie eine richtige Freundin (feste Beziehung). Der Grund hierfür ist sicher ein Übermaß an Schüchternheit, aber ich werde (und muß) ein wenig ausholen, damit es besser zu verstehen ist. In meinem Elternhaus wurde und wird absolut nicht´s über das Thema Liebe und Sexualität gesprochen, es ist sozusagen Tabuthema. Schon früh in meiner Kindheit wurde mir zu verstehen gegeben, daß ich mich für alles, was irgendwie mit diesem Tabuthema zusammenhängt, abgrundtief schämen muß.
Während Gleichaltrige in der Pubertät auf Partys gehen durften (mit allem was so dazugehört), war mir das untersagt. Hinzu kommt, daß meine Eltern nicht sagen mußten: "Nein Junge, da darfst du nicht hingehen", sondern vielmehr mit ihrer Erziehung ("geistige Züchtigung") mich soweit dazu gebracht haben, daß ich das selber gar nicht mehr wollte und will. Irgendwie hat sie mir jegliches Bedürfnis danach genommen. Besonders hart hat es mich immer getroffen, wenn sie mich fragte, ob ich denn auf irgendwelchen Partys mit Mädchen getanzt hätte und daß sie sich bestimmt köstlich amüsiert hätte, wenn sie mich Trottel hätte tanzen sehen. Wenn Verwandte zu Besuch kommen, dann wundern sie sich, dass der nette Junge noch keine Freundin hat. Dann tun meine Eltern immer ganz weltoffen und sagen: "Ja, der interessiert sich nicht für Mädchen, aber das kommt bestimmt noch". Auch einige meiner früheren Schulfreunde haben mich immer um meine weltoffenen und jungdynamischen Eltern beneidet, denn bei anderen geben sie sich so. Wenn sich der Vorhang schließt, ist natürlich wieder alles beim alten. Alle meine ehemaligen Schulfreunde haben und hatten schon längst eine (oder mehrere) Freundin(nen), einer ist sogar schon verheiratet. Aber das sieht meine Mutter nicht, denn nach der Schule sind die alle in andere Städte zum Studieren gegangen, und da ich heute eigentlich gar keinen Freundeskreis habe, fällt ihr auch gar nicht auf, wie "anormal" ihr Sohn eigentlich ist. Meine Mutter respektiert noch nicht einmal meine Privatsphäre, sie stöbert in meinen Sachen herum in der Hoffnung irgendwas Negatives über mich herauszufinden. Nun ist es natürlich nicht so, daß ich nicht schon mal versucht hätte, eine Frau anzusprechen. Ich habe das zweimal gemacht mit sehr negativem Ausgang, das ist jetzt allerdings schon vier Jahre her, und heute kann ich nicht mehr verstehen wie mein damaliges Ich gehandelt hat. Das erste Mädchen, das ich angesprochen habe, hatte mir schon monatelang immer auffordernde Blicke zugeworfen, bis ich mich dazu durchrang, sie anzusprechen (das hat mich soviel Mut gekostet, daß ich fast vor ihr zusammengebrochen wäre...). Mit dem Ansprechen hat es auch ganz gut geklappt, sie war ganz nett, doch nach einer Woche ging sie mir aus dem Weg. Ich hab' sie dann noch ein paar mal an der Uni gesehen, aber da hat sie mich noch nicht mal angeguckt. Beim zweiten Mädchen war alles noch viel schlimmer. Ich sprach sie vor der Vorlesung an, als wir alleine waren. Sie tat dann so, als hätte sie mich noch nie vorher gesehen, und das obwohl sie mir schon tausend Blicke im Hörsaal zugeworfen hatte. Hinterher habe ich gehört, wie sie über mich bei anderen hergezogen ist, und da war's natürlich aus mit mir: meine Stimmung war auf dem absoluten Nullpunkt angelangt. Wenn ich an diese Situationen zurückdenke, dann kommt mir das so vor wie ein Film. Ich kann mir heute auch nicht mehr vorstellen, was ich zu meinen Eltern gesagt hätte, wenn sie erfahren hätten, daß ich . Jedenfalls haben diese beiden negativen Erfahrungen mein sowieso kaum vorhandenes Ego soweit gebremst, daß ich heute, selbst wenn sich eine Frau sich mir direkt auf den Schoß setzen würde, nichts mehr unternehmen würde. Zwischenzeitlich habe ich mir eingeredet, daß das mit der Liebe sowieso rational gesehen alles Quatsch ist und daß ich einfach nicht dazu fähig bin, eine Frau zu lieben.
Natürlich würde ich diese Zeilen nicht schreiben, wenn ich nicht mittlerweile an den Punkt gekommen wäre, wo meine ganze Denkweise und mein ganzes Verhalten drohen, mich geistig kaputt zu machen. . Ich ziehe mich immer weiter in mich zurück und unternehme kaum noch etwas. Zur Zeit stecke ich mitten in meiner Diplomarbeit (Journalistik) und komme so gut wie gar nicht mehr aus dem Haus. Das heißt, daß sich die Chancen, ein nettes Mädchen kennenzulernen, auf Null minimieren. Leider weiß ich nicht, wie ich da geistig herauskommen soll. Außerdem kommt noch hinzu, daß ich mein erstes Studium nach zwei Semestern abgebrochen habe und mir von meinen Eltern deswegen natürlich die Hölle heiß gemacht wurde. Das hat ganz schön an meinem Selbstvertrauen genagt.
Inzwischen hat sich das sich soweit ausgebreitet, daß ich eigentlich keinem Mädchen mehr in die Augen sehen kann, da ich mich meiner selbst so schäme. Was würde ich einem Mädchen sagen, das ich anspreche? Wenn sie erfahren würde, was für ein mit Komplexen beladener Typ ich bin, würde sie mich nicht mehr wollen, und das kann ich gut verstehen. Vielleicht sende ich auch unbewußt diese Signale aus, und deshalb klappt es nicht mit den Mädchen, aber für mich ist das ein unüberwindbarer Berg. Nun könnte man natürlich sagen: "Warum zieht der Typ nicht einfach nach dem Studium bei seinen Eltern aus und lebt sein eigenes Leben, so wie er es will?" Nun, erstens wäre das ein Schritt, den ich aufgrund meiner jetzigen verfänglichen Situation gar nicht wagen könnte und würde (aufgrund meiner mentalen Blockaden) und zweitens würden mir meine Eltern immer noch in meinem Kopf rumspuken (auch mentale Blockade). Irgendwie habe ich immer das Gefühl, als könnten mich meine Eltern bei allem beobachten, d.h. ich könnte gar nicht ein Mädchen küssen oder ähnliches, da ich ständig irgendwie daran denken muß. Selbst wenn ich mal in die Stadt gehe, bin ich immer pünktlich wieder zuhause, weil ich das Gefühl habe, meine Eltern wollen das so. Natürlich ist es völliger Quatsch, aber diese geistigen Blockaden sind einfach zu groß.
Ich habe auch schon mal daran gedacht, einen Psychiater wegen meiner Probleme aufzusuchen, aber das würde meine Mutter sofort rauskriegen (die hat schon echt viel über mich rausgekriegt). Ich schätze, wenn das so weiter geht, werde ich wohl nie ein nettes Mädchen kennenlernen...Sollte das so weitergehn,und meine Eltern mich weiterhin so mies behandeln.Werde ich mir überlegen vieleicht doch einen Strick zu nehmen und mich im Keller in meinem Eltern Haus aufzuhängen.Naja hört sich vieleicht total bescheuert an aber mir bleibt keine andere möglichkeit mehr .Ich kann es einfach nicht und will es einfach nicht weiterhin ertragen bei einer zeitarbeitsfirma angestellt zu sein wo ich immer von anfang des jahres bis winter beschaftigt bin und dann 4 Monate Arbeitslos bin und mir jeden tag von meinen Eltern Anhören muss such dir nen guten Job dann hast auch Geld.Nur ich bekomme von Firmen immer wieder Absagen.Meine Eltern nerven mich eben denn ganzen tag wenn es ihnen möglich ist.Bin auch jetzt pleite so das ich mich nichteinmal beim arbeitsamt melden kann damit ich wenigsten noch geld bekomme.Am 9.11.2006 wurde ich gekündigt und meine eltern weigern sich bis heute mich in der hinsicht zur arbeistlosen meldung zu unterstützen,bin bis jetzt immernoch nicht gemeldet.Vieleicht geb ich mir mir auch die Kugel oder so wird sich bestimmt was finden wenn das so weiter geht bin einfach am ende meiner kräfte.

Anwort von Michaela

Hallo,

zunächst einmal: Alles wird gut. Auch für dich. Fangen wir mal vorne an!

Du beschreibst deine Eltern als borniert, pseudoweltoffen, intolerant. Das bedrückt dich, und das kann ich nachvollziehen, denn bei so einem Klima könnte niemand gedeihen. Weiterhin fällt mir auf, dass du - wahrscheinlich aufgrund deines Journalistikstudiums - sehr gewandt mit Worten umgehen kannst. Das solltest du dir vor Augen führen, wenn du dich gerade mal wieder blockiert fühlst.
Dann denke ich, dass du mit 21 genau auf der Schwelle zum Erwachsenwerden stehst - was wirklich nicht einfach ist! (Manche brauchen dafür Jahrzehnte.) Einerseits willst du dich von deinen Eltern lösen, weil dir ihre Art das Leben verdirbt. Andererseits verlangst du aber von ihnen, dass sie dich unterstützen, z. B. auch was die Arbeitslosmeldung angeht. Da muss ich dir aber entgegen halten, dass das deine Suppe ist. Ich weiß nicht, wie weit die Arbeitsagentur von eurer Wohnung entfernt ist, und ich kenne auch nicht die Busverbindungen. Jedoch sollte es seit November mehrmals möglich gewesen sein für dich, dorthin zu kommen und etwas zu unternehmen - da muss ich deinen Eltern Recht geben, auch wenn du das vielleicht nicht lesen willst :-) Das Gleiche gilt für die Neugierde deiner Mutter. Wenn sie in deinen Sachen stöbert, sperr das Zimmer ab. Sie wird fragen, sie wird vielleicht auch Theater machen - aber es ist dein Zimmer, deine Privatsphäre. Du bist derjenige, die sie notfalls auch schützen muss - auch vor deinen Eltern, wenn nötig. Vielleicht ist das der erste Schritt, um sich von deinen Eltern abzugrenzen, dir ein dickes Fell wachsen zu lassen? Stille Rebellion, wenn du so willst.
Was die Bemerkung vom "tanzenden Trottel" angeht, war ich entsetzt. Selbst wenn deine Mutter (?) es im Spaß gesagt hat, hat sie sich doch ziemlich im Ton vergriffen. Wenn du den Mut hast - irgendwann - kannst du ihr das auch sagen. Wenn sie will, dass du selbstständig wirst, darf sie dir nicht mit sowas kommen! Abgrenzung lautet hier die Devise. Es mag anfangs unangenehm sein, sich gegen die eigenen Eltern zu stellen, aber es ist nötig. Manche tun das früher, andere später, und du hast wahrscheinlich noch auf den richtigen Moment gewartet. Ich würde sagen, er ist jetzt - fang an und bau dich selbst auf!

Mach dir einen Plan:
- Was willst du ändern?
- Wie willst du vorgehen?
- Was willst du kurzfristig, mittelfristig, langfristig erreichen?

Nenn es deinen "Lebensbusinessplan". Überlege dir die Zwischenschritte, Milestones, Credits. Was willst du wie in welcher Zeit erreichen? Und wie möchtest du dir dein Ziel versüßen? Eine Reise? Eine eigene Wohnung? Das alles kann dir helfen, deine Tage zu strukturieren, erst einmal mit etwas anzufangen, damit es langsam weiter geht - alles andere wird sich dann zeigen. Wenn du siehst, dass die ersten Erfolge sich einstellen (Zimmer abgeschlossen, wird von deinen Eltern respektiert), kannst du schon stolz auf dich sein. Denn das sind ja Dinge, die dir bisher schwer fallen.

Dann die Sache mit den Frauen: Ich kenne ganz viele Männer, die erst spät eine Frau kennen gelernt haben. Und umgekehrt genauso. Heutzutage "muss" man schon mit 15 den ersten Geschlechtsverkehr gehabt haben, möchte ich manchmal meinen - sonst ist man out. Aber das ist Blödsinn. Man will ja nicht nur die Rein-Raus-Nummer, sondern auch genießen, und das geht meiner Meinung nach erst, wenn man ein gewisses Alter erreicht hat. So um die 20 ist die beste Zeit dafür, denke ich. Bleibt noch, jemanden kennenzulernen!

Du schreibst, dass du zweimal ganz derb abgeblitzt ist. Das ist nicht schön, das tut weh, aber auch das ist "normal". Ich will dir deine Trauer darüber nicht absprechen. Ich will dir zeigen, dass es vielen so geht - den anderen früher, den anderen später. Du hast dich aufgrund deiner Erziehung dazu entschlossen, damit zu warten, und kommst dir jetzt wahrscheinlich wie ein "Nullstarter" vor - aber das ist nicht so! Absolut nicht! Du hast einfach einen anderen Weg gewählt. Wenn jemand schon mit 20 verheiratet ist - Glückwunsch! Jedoch muss sich dieser Mensch auch schon früher mit Krisen in der Partnerschaft auseinander setzen, was mit Mitte 20 vielleicht nicht so leicht ist wie mit Mitte 30 (und, glaub mir, jede Partnerschaft hat mal eine Krise.), in dem Fall hilft die Lebenserfahrung.
Was kannst du tun, um deine sexuelle Befangenheit abzulegen? Zunächst einmal gibt es einen ganz tollen Comic, den ich dir empfehlen kann: Anleitung zur sexuellen Unzufriedenheit. Vor ein paar Jahren wurde dazu auch ein Cabarett-Seminar-Film gedreht. Er räumt auf mit den gängigen Vorurteilen, hat viele kleine Lacher parat und eine tüchtige Portion Ironie. Das Schöne: Man kann ganz viel für sich selbst herausholen, ohne sich angegriffen zu fühlen. Es gibt auch Sequenzen zu den ersten sexuellen Erfahrungen, die ich ganz besonders gelungen finde, weil sie ganz zart und gleichzeitig witzig rüberkommen. Schau einfach mal rein, ist im Buchhandel erhältlich.
Wie kannst du Frauen kennenlernen? Es gibt inzwischen so viele Möglichkeiten, dass du es dir aussuchen kannst, ob virtuell, real oder wie auch immer. Bleib dabei natürlich. Gerade, wenn du versucht, evtl. "Macken" zu verbergen, kommen sie glasklar rüber. Wenn dich eine Frau nach einer Woche stehen lässt, wie du beschreibst, dann war es nicth die Richtige - es wäre früher oder später schief gegangen. So gesehen hast du dir viel Ärger erspart, um es mal rational zu beschreiben.
Such dir ein Hobby, bei dem du Menschen triffst, also nicht am PC, sondern raus aus der Bude und rein ins Vergnügen. Kannst du eine Tätigkeit von früher reaktivieren? Alte Freunde anrufen? Neue Freunde kennenlernen? Denk jetzt nicht NEIN, das wäre gelogen :-)
Je mehr du dich mit der Welt außerhalb eurer Wohnung beschäftigst, desto besser steht es um dein Selbstbewusstsein. Try it. Es kann nur besser werden.

Ganz schön viel, hm? Wenn dir dieser Berg zu hoch erscheint, ist es auch okay, mit einer professionellen Kraft darüber zu reden. Das muss nicht der Psychologe sein. Ich weiß nicht, wie südlich in Bayern du wohnst, aber ich weiß, dass dort der Pfarrer - gerade in kleineren Dörfern - noch eine nicht zu verachtende Bedeutung hat. Sprich mit ihm. Er hat eine seelsorgerische Ausbildung, die der eines Psychologen sehr ähnlich ist. Er hat auch Schweigepflicht, wenn das deine Sorge sein sollte. Und er kann dir vielleicht auch kirchliche Gruppen empfehlen, in denen du aufblühst. Wichtig ist, dass du rauskommst und dich nicht weiter selbst bemitleidest, das bringt dich, rational gesehen, überhaupt nicht weiter!

Schreib uns, wie es weitergegangen ist, wenn du magst!

Viele Grüße,

Michaela