Problem von Schwarze Rose - 26 Jahre

Schachmatt

Es fällt mir schwer, diesen "Brief" hier zu schreiben.
Ich weiß auch nicht, warum ich es mache, aber ich mache es.
Ich bin heute 26 Jahre alt. Das alles begann, als ich knapp 14 Jahre alt war.
Sommer 1992. Ich habe meine Ferien immer bei meinen Verwandten im Sauerland verbracht. Im Sommer 92 sollte sich dann alles ändern.
Meine Cousins und ihre Freundinnen wollten am 1. Wochenende zu einer Scheunenfete. Ich durfte auch mitgehen, zusammen mit einer Freundin, die ich da kannte. Der Abend war sehr schön, an für sich. Jedenfalls bis zu dem Zeitpunkt, wo meine Freundin dann abgeholt wurde. Ich mußte zur Toilette und da meine Freundin ja nicht mehr da war und ich wirklich dringend mußte, bin ich schnell alleine sie paar abgelegenen Meter zum Toilettenwagen gelaufen. Da hat er mich dann abgefangen, der Typ, der schon den ganzen Abend ein Auge auf mich geworfen hatte, den aber keiner kannte. Er packte mich am Handgelenk und zog mich schnell mit sich. Im Wald warteten noch zwei andere Männer. Sie zerrten mich zu einer Lichtung, wo sie bereits eine Decke auf den Bodem gelegt hatten...alles schon geplant. In diesem Moment wußte ich, daß ich verloren habe.
Sie schlugen mich hart, wenn ich versuchte, mich zu befreien. Ich wußte, ich habe keine Chance, aber ich mußte es einfach versuchen, denn die gewaltige Panik, die mich ergriffen hatte war übermächtig.
Sie vergewaltigten mich, einer nach dem anderen. Ich durfte die Augen nicht schließen, ich mußte sie ansehen, damit ich auch wirklich nichts verpasse und immer schön dran denke, meinten sie.
Aber sie waren noch immer nicht am Ende. Es ging noch mal von vorne los, in allen möglichen Stellungen.
Ich fühle noch heute das kalte, harte Messer an meinem Hals, als ich mich auf einen drauf setzen mußte und ein anderer hinten in mich eindrang. Es wird mir immer unvergeßlich in Erinnerung bleiben.
Das Messer, der Schmerz, die Angst, die Hilflosigkeit, die Leere, die Wut!
Als es vorbei war, dachte ich, sie bringen mich um. Das tun sie doch sonst mit ihren Opfern. Aber sie brachten mich nicht um. Einer schlug mich so hart, daß ich das Bewußtsein verlor. Als ich wieder aufwachte, waren sie weg. Ich zog mich an, zu keiner Reaktion im Stande, mir tat alles weh.
Ich lief zurück zur Scheune, machte mich im Toilettenwagen "etwas zurecht", so gut es eben ging. Als ich die Scheune betrat, kam einer meiner Cousins auf mich zu gerannt, packte mich am Arm und brüllte mich wütend an, wo ich denn gewesen wäre, er hätte sich Sorgen gemacht. Und ich stand da und sagte ruhig: Ich habe zuviel getrunken. Mir ist schlecht geworden und da bin ich in den Wald gegangen, habe mich übergeben müssen, das hat ziemlich lange gedauert. Dabei bin ich tierisch hingefallen, weil mir so schwindelig war.
Sie schluckten diese Antwort und mußten lachen - ich lachte mit!
Auch in den nächsten Tagen danach.
Ich habe nie erzählt, was wirklich passiert ist, niemandem, 12 Jahre lang nicht. In den nächsten 2 Jahren danach habe ich ziemlich viel Mist gebaut. Habe mit Drogen rumexperimentiert, gestohlen, ich habe anders reagiert als andere. Andere haben danach Schwierigkeiten mit dem Sex. Bei mir war es andersrum. Ich trug eine so große Wut in mir! Ich wurde so eisig, so kalt. Es interessierte mich nicht, was mit den anderen war, ich interessierte mich nicht mehr für MICH. Es war mir egal, was mit mir passiert. Wenn ich dabei draufgegangen wäre...was soll`s schon! Ich habe mit so vielen Männern geschlafen, es waren immer große, starke Männer, so ich dann aber immer die "Oberhand" hatte und alles gesteuert habe. Vielleicht habe ich so versucht, das Gefühl der Hilflosigkeit zu bekämpfen, was mich von diesem Abend aus damals ständig begleitet hat. Die Schwäche.
Dann lernte ich meinen Mann kennen und lieben. Ich liebte ihn sehr, hätte alles für ihn getan, aber auch ihm habe ich nie erzählt, was passiert ist. Ich schämte mich, ich gebe mir auch heute noch selber die Schuld an allem, was geschehen ist. Wäre ich nur nicht so dumm gewesen, alleine zur Toilette zu gehen...! Ich fühle mich so schmutzig.
Wir haben zusammen zwei Kinder. Aber nach knapp 8einhalb Jahren zusammen, davon 4einhalb verheiratet, kriselte es immer mehr bei uns. Er warf mir auch vor, daß ich nicht mehr mit ausgehe, seine Bekannten und Freunde nicht mehr kennenlernen wollte. Das habe ich eingesehen und schlug ihm einen Spieleabend mit seinem Freund und dessen Frau vor, hier bei uns zu Hause. Der fand dann auch statt. So lernte ich dann Andr? kennen.
In Andr?s Augen fand ich genauso viel Schmerz und Elend wieder, wie sie auch versteckt in den meinen zu finden ist, wenn man sehen kann. Und sehen können nur Menschen, denen das Leben auch nicht immer so gut mitgespielt hat. Wir verstanden uns sofort. Andr? und ich haben im Laufe der Zeit so viel geredet, er schaffte es wirklich, mich soweit aus mich rauszulocken, bis ich ihm von meiner Vergangenheit erzählte.
Er hat mir sehr geholfen, er hat alles getan, in seinen Augen sah ich die Liebe blitzen, die ich auch für ihn empfand mit der Zeit. Wir wurden sehr gute Freunde, die Besten. Wußten irgendwann alles voneinander. Er ermutigte mich dazu, meinem Mann auch davon zu erzählen. Ich tat es und ich bat ihn, mir ein wenig Zeit zu geben, bis ich diese ganze Geschichte von damals für mich in meinen Kopf kriege, denn einmal drüber gesprochen, ließ mich das Grauen nicht mehr los und ich konnte es nicht mehr verdrängen wie damals. Er konnte eine Woche warten, dann war es vorbei. Alles aus, ich konnte nicht so schnell wieder die Alte sein, die ich war und die er vermisste. Und damit konnte er nicht leben, konnte mir nicht mehr Zeit geben. Er sagte mir mit socher Wut in den Augen, daß er mich abgrundtief dafür hasst, daß er mich nicht mehr sehen will. Er würde mich dafür hassen, daß ich wegen dieser Scheiße alles kaputt mache. Wir leben jetzt in Scheidung und ich werde niemals vergessen, wie seine Augen blitzten, als er mir diese Worte entgegenschleuderte.
Andr? war für mich da, er hat mich aufgefangen, mich gestützt, wir haben uns gegenseitig gestützt, denn er hatte zeitgleich auch so seine Probleme mit seiner Frau. Wir wären füreinander gestorben und das ist nicht gelogen, ich würde noch heute ohne mit der Wimper zu zucken für ihn sterben.
Dann war alles aus. Andr? ging, ohne ein Wort zu sagen. Ohne ein Wort.
Irgendwann meldete er sich eben über den Rechner und meinte, es täte ihm alles so leid, er würde mich doch lieben, bedeute ihm so viel, er hätte das alles so nicht gewollt.
Er vermisste seinen Sohn und den konnte er nur haben, wenn er auch seine Frau wiedernimmt und für seine Familie kämpft. Und seine Frau will mich nicht mehr in ihrem Leben haben, nicht in seinem, denn sie verträgt es nicht länger, daß er mit mir über alles reden konnte und mit ihr nicht. Wenn sie sich stritten, dann war immer meine Name mit im Spiel.
Darum ist er jetzt aus meinem Leben verschwunden und hat mich alleine gelassen.
Er wollte mich niemals alleine lassen!
Ich kann es auch verstehen mitunter, aber ich WILL es nicht verstehen können.
Das hat mich jetzt komplett gebrochen. Ich habe alles verloren, der Verlust meines besten Freundes war jetzt zu viel.
Ich schlafe kaum noch, 3-4 Stunden sind schon viel in einer Nacht. Ich hab wieder angefangen zu rauchen, ich kann nur noch denken und denken und denken. Ich sehe aus wie eine lebende Tote.
Wenn ich schlafe, dann träume ich von der Vergewaltigung und manchmal sehe ich Andr? als Mittäter, das bringt mich noch um. Ich träume auch davon, wenn ich wach bin, immer und immer wieder. Die Bilder aus längst vergangenen Tagen tauchen immer wieder auf und ich spüre, wie ich wieder kälter und härter werde, wie damals.
Ich kann bald nicht mehr, weiß nichts mehr. Ich wünsche mir so oft, sie hätten mich damals einfach umgebracht.
Ich habe so viel verloren in meinem Leben - meine Kindheit von heut auf morgen, meine Wärme, meine Herzlichkeit, meine Freude am Leben, meine Liebe, den Glauben an das Leben, meine Seele, meine Freiheit.
Ich fühle mich jetzt wie in einem gläsernen Gefängnis, denn es läßt mich nicht mehr aus seinen Klauen und ich komm alleine nicht mehr damit zurecht. Andr? konnte mir helfen, jetzt hat er mich ganz gebrochen.
Und trotzdem werde ich immer da sein, wenn er meine Hilfe braucht.
Ich bin am Ende, unfähig noch einen klaren Gedanken zu fassen.
Schmachmatt!
Und jetzt?
Was fällt Euch jetzt dazu ein? Was jetzt??

Ich würde mich freuen, wenn ihr mir antworten würdet.

Schwarze Rose

Dana Anwort von Dana

Ich möchte Dich jetzt erst mal in den Arm nehmen und ganz, ganz fest drücken.
Dann möchte ich Dich bei den Schultern packen und schütteln (natürlich nur liebevoll). Du trägst in keiner Weise eine Schuld! Es waren diese drei Männer, die so viel Inneres von Dir zerstört haben. Egal, was eine Frau macht, es berechtigt keinen Mann mit ihr umzugehen, wie mit einem Stück Vieh und schlimmer. Du bist Opfer ohne Schuld. Ohne Grund für Scham. So ist es und nicht anders.
Wäre es nicht schon 12 Jahre her, würde ich Dir raten, Anzeige zu erstatten. Kein Vergewaltiger darf ungeschoren davonkommen und für Dich wäre es auch befreiend gewesen und hätte Dir etwas Genugtuung verschafft. Aber jetzt sind wohl keine Beweise oder Anhaltspunkte zu finden. Oder warst Du damals beim Arzt? Hast Du Namen?
Du hast dann Deine Wut auf die Männer ausgelebt und schließlich wieder lieben gelernt. Das zeugt von größer Stärke.
Dass Dein Mann Dich verlassen hat und später auch noch Andr? tut mir noch mal aufrichtig leid. Das waren die Schläge, die den Baum endgültig zu Fall gebracht haben. Es liegt nun an Dir, diesen Baum wieder aufzurichten.
Ich kann verstehen, dass Du Dich dazu im Moment nicht im Stande siehst. Schließ Dich einer Selbsthilfegruppe an. Die gibt es eigentlich in jeder größeren Stadt und kann Dir ein Stück weit Halt bringen. Ich denke auch, dass Du Hilfe bei einem Therapeuten suchen solltest. Es ist nicht zu spät, die Vergewaltigungen zu verarbeiten und zu lernen, besser und anders damit umzugehen. Versuch es nicht noch mal auf eigene Faust. Das hast Du zwar einmal geschafft, aber es hat Dich doch nie losgelassen. Gib diesen drei Männern nicht weiterhin Macht über Dich und Dein Leben zu bestimmen.
Ich kann den Gedanken verstehen, dass Du Dir damals lieber den Tod gewünscht hättest. Einen Teil von Dir haben sie ja umgebracht. Aber bedenke, was für schöne Zeiten Du dann verpasst hättest. Und solche schönen Zeiten können auch wiederkommen. Ganz sicher!
Nimm die Hilfe eines Arztes in Anspruch, auch wenn der Schritt wahnsinnig schwer fällt. Ich denke, das wäre der richtige Weg.
Ich wünsche Dir alles, alles erdenklich Gute und wenn ich könnte, würde ich Dir etwas von meiner Kraft abgeben!