Problem von Maja - 19 Jahre

Wie soll ich weiter machen?

Es tut mir leid das ich euch mein Problem schon wieder schicke, aber ich habe gesehen, das ihr ganz flott ward und alle Probleme von gestern bereits bearbeitet habt. Habt ihr mich vergessen...?
Ich würde so gerne eine Antwort erhalten...
Ich habe jetzt schon einige Zeit auf eurer Seite herumgestöbert und finde es wirklich toll wie ihr vielen Menschen weiter helfen könnt. Ich dachte zuerst das mich das lesen der Berichte vielleicht selbst auch weiter bringen würde, aber irgendwie kommt bei mir so vieles zusammen, dass ich selbst eigentlich nicht sagen kann was mich am meisten belastet.
Deswegen habe ich mich entschlossen euch um Hilfe zu bitten... Vielleicht hilft es mir auch schon das alles in gewisser Weise zu systematisieren.
Also ich studiere seit diesem Semester Medizin. Ich wohne jetzt ca 400 km von meinem alten zuhause weg. Ich muss hinzufügen, dass ich unbedingt weiter weg von zu hause wollte. Es war ein harter Kampf, bis ich es meinem Vater gegenüber durchgesetzt hatte bei der ZVS die Stadt angeben zu dürfen in der ich jetzt wohne.
Ich war während der letzten Schuljahre nicht mehr sehr glücklich zu hause. Ich hatte einfach immer nur als Ziel von zu hause weg zu kommen. Ich lernte sehr viel, da ein Spitzen-Abi gleichzeitig für mich die Tür zum Medizinstudium dastellte. Das hat ja im Grunde alles geklappt und ich dachte ich könnte jetzt mal richtig glücklich sein. Aber so ist es ganz und gar nicht. Ich komme viel schlechter mit meinem Leben zurecht als vorher.
Vielleicht sollte ich als erstes meine häusliche Situation etwas schildern: Es gibt sicherlich sehr viel grausamere Kindheiten, wahrscheinlich denken sogar alle ich hatte eine wirklich glückliche Kindheit... Meine Eltern sind nicht geschieden. Mein Vater hat Arbeit... Aber alles was nach außen so perfekt aussieht hat eben auch seine Schattenseiten. Meine Eltern streiten sehr häufig. Besonders auch nachts. Da wir nur eine Wohnung haben bekomme ich dann jedes Wort mit. Diese Stunden in denen ich nachts im Bett lag und nicht wusste was ich tun soll, denn meine Mutter war meinem Vater immer unterlegen. Sie erwiederte schon sehr bald nichts mehr... und mein Vater brüllte nur noch... haben sich irgendwie sehr stark in meinen Kopf eingebrannt. Ich war dann immer nur noch bewegungslos im Bett gelegen und war auch am nächsten morgen noch ganz mitgenommen...
Zu meinem Vater habe ich sowieso ein sehr seltsames Verhältnis. Auf der einen Seite tut er manchmal so als sei ich sein liebes Kindchen aber auf der anderen Seite habe ich häufig auch einfach nur Angst vor ihm. Diese Angst kann ich selbst nicht genau beschreiben. Viel mehr ist es als würde mir die Kehle zugeschnürrt wenn ich ihn irgend etwas fragen will. Mir fällt es manchmal schon richtig schwer ihm nur zu sagen, dass ich Nachmittags kurz weggehe....
Zu meiner Mutter habe ich ebenfalls ein seltsames Verhältnis. Sie hat nie etwas gegen meinen Vater gesagt und wenn ich ihr etwas erzählte oder sie etwas fragte musste ich es immer gleich noch meinem Vater erzählen, obwohl sie selbst sich auch häufig nicht traut ihn etwas zu fragen... Meine Mutter hat nie mit mir über ernstere Themen gesprochen. Zum Beispiel wurden Themen wie Regel, Pupertät im allgemeinen oder gar Sexualität niemals erwähnt. So musste ich mich mit 13 immer mit meinem Busen rumschlagen (der war für mein Alter damals schon relativ groß), da ich keinen BH hatte.
So stellt sich die Situation zu meinen Eltern grob da und deshalb, besonders auch, da ich so gut wie keine Freiheiten hatte und sehr viel für meinen Vater arbeiten musste war ich sehr froh ausziehen zu können.
Aber es ist eben doch nicht alles so toll wie ich es mir vorgestellt habe. Da ich während des Semesters nicht nach hause fahre, die meisten meiner Kommilitonen aber schon verspürte ich am Wochenende des öfteren tiefe Einsamkeit. War das Heimweh wenn ich Samstags in meinem Zimmer lag und einfach nicht mehr aufhören konnte zu weinen. Sehne ich mich wirklich nach der alten Situation zurück? Ich weine in letzter Zeit so häufig. Früher habe ich so gut wie nie geweint...
Mit meinen Eltern telefoniere ich regelmäßig aber jetzt wo ich mal zu hause bin, merke ich das sich nichts an der Situation geändert hat.
Aber es sind noch mehr Bereiche die mein Leben in großem Maße beieinflussen...
Ich hatte noch nie einen Beziehung und habe auch noch nie ernsthaft darüber nachgedacht. Durch einen Zufall lernte ich dann T. kennen der schon 29 ist. Obwohl es eigentlich nur ein kleines Treffen sein sollte, saßen wir an unserem ersten gemeinsamen Abend schon sehr lange zusammen und haben uns wirklich so gut unterhalten können....
Es war für mich ein sehr seltsames Gefühl, dass mir jemand Komplimente machte. T. konnte es gar nicht fassen, dass ich noch nie einen Freund hatte und das sich noch niemand für mich interessiert hat.... Das hat mir irgendwie schon ein wenig geschmeichelt.
Ich sollte vielleicht noch erwähnen, dass ich eine sehr gestörte Einstellung zu meinem Körper habe. Ich habe im letzten halben Jahr sehr viel zugenommen, da ich manchmal regelrechte Fressattacken habe. Ich habe mich dann selbst nicht mehr unter Kontrolle; stopfe alles in mich hinein... Ich habe danach solch einen Hass auf mich. Würde am liebsten alles wieder auskotzen. Doch ich weiß das darf ich nicht. Ich will nicht Bulimie haben...
Mein Körper hat einige Makel. Ich habe neben etwas zu viel Fett auch noch ausgeprägte Cellulite (trotz viel Sport) und eine enorm starke Körperbehaarung (Besonders auch an Po und Oberschenkeln..)
Ich hasse meinen Körper. Wenn ich mich rasiere sehe ich mich nur als Objekt, dass man irgendwie wenigstens noch ein bisschen schöner machen muss...
Bei unserem 2. Treffen haben wir uns auch körperlich angenähert. Das war für mich völlig neu und ungewohnt. Ich weiß das es ungewöhnlich ist, aber es war für mich das erste Mal das ich einen Mann küsste. Es war schön von ihm in den Arm genommen zu werden. Aber irgendwie überforderte mich das alles und so ging er dann doch schon recht bald.
Ich habe nach langem hin und her mich dazu entschieden ihm zu sagen, dass mir das alles etwas zu schnell ginge. Er war total lieb und meinte ? Er sei für mich da wie auch immer ich ihn brauche?
Dann kam dieser dumme Samstag. Wir trafen uns und kochten erst zusammen. Es war sehr schön und dann wollten wir noch einen Film schauen. Wir setzten uns dann auf sein Bett und er nahm mich auch ein wenig in den Arm. Als er mich dann aber intensiver streichelte merkte ich wie sich mein Körper immer mehr wie ein Brett anfühlte. Ich musste plötzlich anfangen zu heulen. Das schien die einzige Möglichkeit aus dieser Lage heraus zu kommen.. Ich fühlte mich so schrecklich, es war so schlimm die Diskrepanz zwischen dem Hass auf den eigenen Körper auf der einen und der Zärtlichkeit auf der anderen Seite.
Ich habe in letzter Zeit häufig Selbstmordgedanken. Ich hasse mich selbst dafür, denn mein Verstand sagt mir, dass ich so was nicht denken darf aber es ist immer in meinem Kopf.
Ich wollte eigentlich T. etwas sagen. Aber es ging nicht. Es war plötzlich wie meinem Vater gegenüber. Mein Hals war zugeschnürt. Ich konnte ihm nicht sagen was mich bewegte. Diese Frustation über mein eigenes Unvermögen ließ mich natürlich immer noch weiter heulen. Es war wie ein Kampf gegen mich selbst.... Diese Nähe zu einer Person ist mir so fremd... Ich bin es nicht gewohnt in den Arm genommen zu werden... das wurde ich nie... Ich schaffte es nur kurze Andeutungen zu machen...
T. glaubt sicher, dass mir etwas sehr schlimmes in meiner Jugend zugestoßen ist, aber so ist es ja nicht. Ich wurde nicht vergewaltigt.... es sind so viele Kleinigkeiten wie Hänseleien in der Schule, missbrauch meines Vertrauens von Freunden, Verhältnis zu meinen Eltern, Hass auf meinen Körper, die diesen Gesamtschmerz auslösen... Wir haben uns am Abend danach nochmal getroffen und ich schaffte es ihm ein wenig von dem was tags zuvor in mir vorgegangen ist zu erzählen. Er meinte jedoch, dass er mit der Situation überfordert sei. Besonders auch wegen den Selbstmordgedanken. Er meinte ich solle mich an eine psychologische Beratungsstelle wenden...
Was ich bis jetzt noch gar nicht erwähnt habe T. ist bereits am Ende seines Psychologiestudiums und er weiß ja auch schon sehr viel...
Jetzt meint er, er habe zu viel um die Ohren und hätte nicht genügend Zeit für mich... Aber er ist doch die einzige Person, der ich mich nach Jahren mal wieder anvertraut habe. Sollte ich einfach überhaupt kein Vertrauen mehr zu Menschen aufbauen.... Ich hab ihn doch so lieb; bin das erste Mal in meinem Leben verliebt....
Könnt ihr mir vielleicht weiter helfen? Ich schaffe es alleine nicht mehr...

Anwort von Sabine

Hallo Maja!

Ich weiß nicht, ob ich Dir helfen kann, aber ich möchte es mal versuchen. Vielleicht sind ja ein paar hilfreiche Informationen für Dich dabei auf meinem Gedankengang.

Die Kindheit, die Du beschreibst, die erleben sehr viele Kinder. Ich selber möchte mich da nich ausschließen. Ich hatte auch immer irgendwie ein steifes Verhältnis meinem Vater gegenüber. Ich denke mal, es ist einfach der Respekt. Er gilt, wie in vielen Familien als Oberhaupt und was Chef sagt, dass passt und so läuft es auch. Es ist einfach eine wahnsinne Respektperson und man mag sich ihm nicht so widersetzen, wie z.B. der Mutter, mit der man täglich oftmals mehr zu tun hatte. Mit meiner Mutter konnte ich genauso wenig über die Regel oder andere Aufklärungsgeschichten reden wie Du. Warum? Ich weiß es nicht. Irgendwie ist es meine Mutter und nicht mein Freundin, mit der man ganz anders umgeht und ein anderes Vertrauensverhältnis hat. Ich habe mir allerdings, genau wie Du auch immer ein vertrauteres Verhältnis gewünscht. Heute weiß ich, dass mein Mutter es nie gelernt hatte. So aufgewachsen ist. Sie konnte es nicht und von daher habe ich es auch nie gelernt. Heute kann ich mit ihr darüber reden, aber sie kann mir nicht darauf anworten. Wenn ich ihr z.B. sagen würde: "Mama, ich bekomme meine Tage nicht mehr oder Mama, ich habe Schmierblutungen", dann reagiert sie mit a) Tisch abputzen b) Abwasch vorbereiten c) freundlicher Ignoranz d) dem Tipp zum Arzt zu gehen. Ja, dass ist meine Mama und so ist sie heute noch. Ich habe gelernt darüber zu sprechen und es ihr anzuvertrauen, aber ich erhoffe mir einfach keine Antwort oder Hilfe mehr. Damit komme ich viel besser zurecht. Ähnlich klingt es bei Dir, was Du über das Verhältnis von Dir zu Deinen Eltern schreibst. Ich bin auch sehr früh damals ausgezogen. Mein erstes Gehalt nach der Ausbildung und fort war ich. Mein Vater verstand es nicht und war mir gegenüber bockig. Was ich wiederum nicht verstand. Was mir dann aber auch egal war. Es war jetzt mein Leben. Ich glaube, dass einfach die Vertrauensbasis fehlte. Das Vertrauen, was man zu Freundinnen oder Freunden hatte. Irgendwie gab es das nicht zumindest auf der intimen Ebene. Warum nicht? Keine Ahnung. Vielleicht haben sie es nie gelernt. Bei Dir klingt es ähnlich.
Du stehst jetzt auf eigenen Beinen und Du solltes jetzt auch sehen, dass Du darauf stehen bleibst. Diese Gefühlsschwankungen mit Schwäche und Angst sind völlig normal. Man vergleicht es auch gerne mit einem Sprung ins kalte Wasser (freiwillig). Du bist 19 Jahre jung und es kommen jetzt total neue Erfahrungen auf Dich zu. Lerne daraus, aber verzweifel nicht daran.
T. scheint ein lieber netter Kerl zu sein und es wirklich gut mit Dir zu meinen. Das er Dir geraten hat psychologische Hilfe in Anspruch zu nehmen könnte daher kommen, dass es nicht normal ist für ein junges Mädchen, wenn sie von Selbstmord spricht. Vielleicht machst Du einen aufgweckten Eindruck auf ihn und ein lebensfrohes Mädchen und wenn dann plötzlich so eine Mitteilung von Dir kommt "ich will nicht mehr leben", dann versteht er die Welt nicht mehr muß folglich denken, dass Du schlechte Erfahrungen in der Vergangenheit gemacht hast und vielleicht fachliche Hilfe brauchst. Warum bist Du nicht einfach ehrlich zu ihm und sagst ihm, dass Du mit dem warmen Gefühl und der Zuneigung , die er Dir schenkt anfangs nichts anfangen konntest, da es fremd für Dich gewesen ist. Du lernst gerade durch ihn, dass man sich anvertrauen kann, dass man Gefühle zeigen darf und das es sich gut anfühlen kann, wenn man sich fallen lassen kann. Du machst Dich steif wie ein Brett, weil es neu für Dich ist. Vielleicht eine Schutzfunktion. Bestimmt kein Abwehr. Das muß er aber auch erkennen können, um es zu verstehen. Er sieht darin vielleicht nur eine Abwehrhaltung und nicht den Lernprozess, den Du gerade durchmachst.
Liebe Maja, Du kannst in Deinem Leben alles erreichen, was Du willst. Du kannst überall hinkommen, wo Du hin willst und Du kannst vieles lernen, was Du erlernen willst. Nur, Du wirst es auch zulassen müssen. Er ist verdammt schwer für T. Dich zu lieben und Dich zu akzeptieren, wenn Du Dich selber nicht akzeptieren kannst.
Schau in den Spiegel und schau Dich an. Was würdest Du verändern, wenn Du könntest? Nimm es in Angriff und verändere es so, dass es Dir gefällt. Arbeite daran und mache es Dir zur Aufgabe. Du kannst alles erreichen, was Du willst. Was ist mit Deinen Kleidern? Sind die ok und gefallen sie Dir? Ja! Super, dann genieße es auch. Nein? Dann gehe shoppen, nimm T. mit und kaufe, was Dir gefällt und worin Du Dich wohl fühlst. Was ist mit Deinen Haaren? Ändere es, wenn es Dich langweilt oder Dir nicht gefällt. Pflege es, wenn es so perfekt ist für Dich. Hörst Du? Für Dich! Das ist wichtig. Es muß Dir gefallen. Fühlst Du Dich dick (bitte BMI-Tabelle berücksichtigen), dann ändere es und ernähre Dich gesund. Kommen Fressatacken, dann überliste Dich selber und stelle Dir kalorienarme Dinge hin, über die Du herfallen kannst. Nimm Dich an und akzeptiere Dich, wie Du Dich haben willst und wie Du bist. Er, T., er kann Dich lieben und er mag Dich, dann kannst Du es auch. Bestimmt.

Lieben Gruß