Problem von Anonym - 22 Jahre

Hab mit der Angst meines Lebens zu kämpfen, bin ich schwul?

Liebes Kummerkasten Team, vor einiger Zeit habe ich Ihnen mein Problem schon mal gesandt, leider haben Sie darauf keinerlei Bezug genommen. Mich quält derzeit die Angst, dass ich homosexuell bin und sämtliche Zukunftspläne die ich hatte, eine nette Frau zu bekommen und Kinder, über Bord werfen muss.

Ich bin mir bewusst, dass Sie öfters mit derartigen Anliegen konfrontiert werden. Mein ganz spezielles Problem liegt allerdings darin, dass ich in meinem Leben schon mehrfach in Frauen verliebt war und diese auch lange Zeit erotisch sehr anziehend fand. Mit fünfzehn war ich in eine Frau verliebt die damals fünf Jahre älter war als ich und litt darunter, als ich erfuhr, dass sie in einem Urlaub einen Mann kennen gelernt hat mit dem sie heute verheiratet ist. Ich war dermaßen in diese Frau verliebt, dass ich zwei Monate lang mit mir selber zu kämpfen hatte und sogar mit dem Gedanken spielte ohne sie nicht weiter leben zu können bzw. zu wollen. Schon zuvor, mit dreizehn, hatte ich manchmal Kontakt zur Tochter der besten Freundin meiner Mutter und konnte mich begeistern für sie. Der Gedanke an sie erregte mich, allerdings mochte ich sie auch gefühlsmäßig sehr gerne. Grundsätzlich finde ich Frauen rein vom optischen her wesentlich schöner als Männer.

Einer der wesentlichsten Unterschiede zwischen heute und meiner Jugend- bzw. Kindheitszeit war, dass ich stets darauf bedacht und daran interessiert war Freundschaften zum gleichen Geschlecht zu haben. Es gab tatsächlich einige gute Freundschaften in denen ich mich wohl und zugehörig fühlte. Heute könnte ich keinen einzigen wirklich guten Freund mehr aufzählen. Wie bereits erwähnt, gefielen mir Gedanken in denen Frauen eine Rolle spielten. Auch heute hat sich daran grundsätzlich nichts geändert, allerdings habe ich den Eindruck, dass mich der Gedanke an Männer mehr erregt als der Gedanke an Frauen.

Der wesentlichste Punkt in meinem Leben war wohl der als ich fünfzehn Jahre alt war und in die Frau verliebt war die später die Urlaubsbekanntschaft heiratete. Nach dem die zwei Monate überstanden waren, wollte ich, dass mir nie wieder etwas derartiges passiert und ich kämpfte gegen meine Gefühle, die Frauen galten, an. Diesen Kampf führte ich sechs Jahre lang. Erst letztes Jahr hat sich das wieder geändert. Obwohl mich Frauen erregten, spielte ich schon öfters mit dem Gedanken wie es wohl wäre mit dem eigenen Geschlecht herum zu experimentieren. Mit sechzehn hatte ich das letzte Mal sexuellen Kontakt zum eigenen Geschlecht und erinnere mich daran, dass mich dieser damals nicht sehr erregt hat. Umso unverständlicher ist es mir warum mich heute diese Gedanken wieder erregen. Meine Angst besteht nun darin, dass ich mir einfach nicht mehr sicher bin was mit mir wirklich los ist. Auch habe ich bis vor einigen Wochen dem eigenen Geschlecht gegenüber nie "Schmetterlinge im Bauch" gefühlt. Als es mir passierte, als ein Bekannter gemeinsam mit mir frühstückte, dass ich nervös wurde, wie ich es nur gegenüber Frauen bislang hin und wieder empfand, wurde ich unruhig und habe versucht dies zu verdrängen.

Ich habe viele verschiedene Meinungen inzwischen gelesen und dabei festgestellt, dass im Bereich der Sexualität kaum Aussagen gemacht werden können, ob diese angeboren ist oder durch soziale Umstände sich entwickelt. Die Beobachtung, dass Homosexualität nicht nur unter Menschen vorkommen kann sondern auch unter Tieren bekannt ist, verunsichert mich in der Hinsicht zusätzlich.

Liebes Kummerkastenteam wie soll ich mich verhalten? Bitte helft mir. Ich würde mich gerne wieder in Frauen verlieben. Ich habe Angst davor ein homosexuelles Leben führen zu müssen. Meine Angst beruht aber nicht darauf wie die Gesellschaft dazu steht sondern darauf, dass ich dieser Laune der Natur quasi hilflos ausgeliefert bin ohne dagegen etwas unternehmen zu können. Wie Sie sehen können, bin ich wirklich verzweifelt und hoffe auf Ihre Antwort.

Vanessa Anwort von Vanessa

Hallo,

Dein Problem steht nun schon seit längerem ganz oben in unserer "Liste", weil es das Älteste ist - und ich glaube, es weiß keiner genau, was er darauf antworten soll... aber ich probiere mal, dir gerecht zu werden.

Wenn ich deinen Text richtig verstanden habe, wolltest du nach deiner enttäuschenden Erfahrung im Jugendalter nichts mehr von Frauen wissen, wolltest dich nicht mehr in welche verlieben und hast deine Gefühle unterdrückt und verdrängt. Hast nach deinem Jugendalter auch irgendwie den enge Freunschaften zu Jungen verloren.
Jetzt hast du festgestellt, dass du "Bauchkribbeln" bei dem Treffen mit deinem Bekannten hattest, dich erregen Gedanken an Männer - und hast Angst davor, "ein homosexuelles Leben führen zu müssen", gegen das du dich nihct wehren kannst.

Nachdem ich deine Mail gelesen hab, dachte ich erst mal daran, dass mir das, was du schreibst, gar nicht so homosexuell vorkommt - eher bisexuell. Es gibt da ja auch noch ein Mittelding. Erst wolltest du keine Frauen mehr, jetzt könntest du Gefühle für Männer empfinden und willst auch das nicht mehr. Durch Verdängung wird diese Geschichte sicherlich nur noch komplizierter.

Nehme die Situation so, wie sie ist, an.

Das ist schwer, das ist vielleicht auch ohne Weiteres gar nicht möglich. Dennoch ist es wichtig für dich. Du empfindest Gefühle für deinen Bekannten. Das ist im Moment so. Egal, ob das doof oder gut ist, Angst macht oder Freude macht - es ist im Moment so.
Quäle dich nicht mit irgendwelchen Studien - einmal schwul heißt ja auch nicht, dass man immer schwul ist und vielleicht war das, was du empfunden hast ja auch nur Freude, weil du dich länger nicht mehr so gut mit Gleichaltrigen verstanden hast. Steh einfach zu deinem Bauchkribbeln, egal welchen Ursprung es hatte.

Ich kann mir vorstellen, dass viele Mädchen auch Phantasien von Liebhabereien mit Mädchen haben, trotzem Lust auf Männer haben und diese Phantasien nie richtig ausleben. Das die Jungen sie genauso anmachen.Vielleicht wäre diese Phantasie auch uninteressant, wenn sie dann gelebt würde?

Im Moment ist halt noch nicht klar, was mit dir los ist und wie es weiter geht. Das Einzige, was klar ist, ist dass du in einer Umbruchphase steckst, die dein Leben momentan intensiv beeinträchtigt.

Höre auf dein Herz, wenn du nicht weiter weißt. Was willst du, was und wen liebst du? Verhalte dich so, wie es sich liebevoll und schön für dich anfühlt. Und wenn da Zweifel sind, sprich sie an.

Ich weiß, dass ich dir jetzt keinen direkten Hinweis geben konnte. Vielleicht erkennen sich hier Leser wieder, die ähnliche Erfahrungen gemacht haben?

Liebe Grüße und viel Kraft für die nächste Zeit,
Vanessa