Problem von Nerevar - 16 Jahre

Borderline? und wie solls weitergehen?

Ich hab euren Ratgeber zu Borderline gelesen. Und ich dachte, vielleicht hab ich das auch, daher hab ich hier mal meine Geschichte hingeschrieben:


Ich bin 1993 geboren worden. Meine Mutter hatte schon einen zu dem Zeitpunkt einen 4jährigen Sohn aus einer anderen Beziehung, vor der Ehe mit meinem Vater, sein Name ist Timo. Ich sollte an dieser Stelle bemerken, dass ich ein Junge bin.
Als ich 3 Jahre alt war, war mein Vater auf einem 3tägigen Seminar. Meine Mutter verließ uns mitten in der Nacht, und kehrte nie wieder zurück. Mein Bruder suchte um 2 Uhr nachts in der gesamten Stadt nach ihr. Ich lag heulend zu hause.
Relativ kurze Zeit später trat eine neue Frau in das Leben meines Vaters ein, ihr Name ist Anett. Ihr Sohn, Tom, war 5 jahre älter als ich. Als ich 4 war, zogen sie bei uns ein.
Und von da an war mein Leben die Hölle. Mein Vater war oft weg, weswegen er nur Bruchstücke von allem miterlebte.
Timo wurde vor meinen Augen von meiner Stiefmutter grün und blau geschlagen, für minimale fehltritte. Ich wurde beschimpft, aufs übelste, als Missgeburt, als Hurenkind etc. Tom nahm alle mir alle meine Spielsachen, und zerstörte viel davon. Mein geliebter Opa starb im Alter von 55 an Krebs, ich durfte noch nicht mal zur Beerdigung.
Timo verließ uns im Alter von 9 Jahren, er zog zu meiner Mutter. Ich nahm förmlich seinen Platz ein, ich wurde von nun an gequält. Ich wurde geschlagen, getreten, angeschriehen. Ich wurde gezwungen, Dinge zu essen, die ich nicht wollte, man drückte einfach meinen Kopf in den Teller. Man zwang mich einmal, meine eigene Scheiße zu fressen.
Als ich in die Schule kam, stellte man fest, dass ich überdurchschnittlich intelligent bin, dies erregte den Zorn meiner Stiefmutter, ich wurde jedesmal wenn ich meine Hausaufgaben fehlerfrei erledigte zusammengeschlagen, mit Fehlern aber ebenfalls.
Das einzige was mir blieb, waren meine Bücher. Ich las in der ersten Klasse Harry Potter und der Stein der Weisen, Astid Lindgrens Kalle Blomquist, alle 3 Teile, Michael Endes unendliche Geschichte, und noch viel mehr. Das schlimmste war jedoch, wenn Tom meine Bücher verbrannte. Ich saß stundenlang in einem annährend leerem Zimmer, eingesperrt, bekam nichts zu essen oder zu trinken. In der Schule fiel es niemandem auf, und ich durfte es auch niemandem sagen, ich wäre sonst tot geschlagen worden.
Als ich 8 war, bekam ich einen kleinen Bruder, Yves, mit dem ich zuerst nicht viel zu tun hatte. Als wir umzogen, musste ich mich rund um die Uhr um ihn kümmern, zugleich aber das gigantische Haus sauber halten, (900m? Wohnfläche) und Gartenarbeiten erledigen (1400m? Garten). Ich musste am Vatertag bei 25°C Unkraut jäten, ich musste nach Cyrill die umgestürzten Bäume, die bereits kleingeschnittenwurden, in eine Holzfinne bringen und dort übereinander stapeln. Und ich durfte nicht aufhören.
Meine Brüder wurden immer bevorzugt.
Naja, als ich es irgendwann nicht mehr aushielt, bin ich zur Polizei gegangen,
Die verwiesen mich an eine wohl nicht ganz geistig bemächtigte Jugendamtsbeamte. Die brachte mich wieder nach Hause. Was noch in der selben Nacht mit mir geschah, kann sich keine Mensch vorstellen. In der Panikattacke, die ich hatte, als ich das Auto wegfahren hörte, versteckte ich mich in meinem Kleiderschrank. Ich hörte, wie die Tür aufflog, ich begann zu wimmern und zu zittern, als die Tür aufgerissen wurde. Sie zog mich an den Haaren aus den Schrank, und trat mir mehrere Male in den Bauch, weswegen ich mich übergeben musste, dann zog sie mich am Ohr zu meinem Schreibtisch, und warf mich auf den Boden. Sie drosch minutenlang auf mich ein, während ich schreite, heulte und flehte. Sie nahm meinem Papierkord und zog ihn mir über den Kopf, dann steckte sie ihn mir über den Kopf und hämmerte immer wieder darauf ein, mit ihrem Schuh. Es war so laut darin, ich hörte schon bald nichts mehr ausser Dröhnen. Sie packte mir ins Genick, wobei sich ihre Fingernägel in mein Fleisch gruben, sodass mir das Blut von Hals hinab rann. Ich trage heute noch Narben davon. Sie zog mich also hoch, schleppte mich in die Dusche, da sie sah, wie sehr ich mich zugesaut hatte, und stellte das kalte Wasser an. Ich schrie, da jeder Tropfen brannte wie Feuer. Nach etwa 2 Minuten hatte ich breits blaue Lippen. Sie zerrte mich wieder raus, befahl mir, ich soll mich ausziehen, was ich auch tat, ich meine, was hätte ich tun sollen? Zumal meine Kleidung ohnehin arschkalt war. Sie warf mich auf den Boden, auf den Bauch. Dann verblasst meine Erinnerung, ich weiß nur noch, wie mir etwas in den Anus gerammt wurde, ich schrie, und sie auch, dann nur noch wie sich irgendwie etwas auf mein Gesicht setzte.
Meine Erinnerung setzt erst wieder ein, als sie vor mir stand, und sich die Hose wieder zuknöpfte, da wusste ich, irgendwas schlimmes ist geschehen. Sie trieb mich zurück in mein Zimmer und sperrte mich ein. Ich saß da, verstört, blutend, zitternd, weinend und nackt.
Das war jedoch noch nicht alles. Tom betrat nach einer Zeit das Zimmer. Er schlug mir mehrere Male ins Gesicht, dann sollte ich mich bücken. Auch hier setzt meine Erinnerung aus, aber mittlerweile ist mir klar, was geschehen sein muss.
Die nächsten Tage geschah das mehrmals.
Ich weiß nicht mehr genau, wie das aufhörte, und wieso niemand etwas bemerkte. Ich weiß nur noch, dass ich irgendwann wieder zur Schule ging, und dass mich Tom noch öfter vergewaltigte.
Als ich 12 war, war ich mit meiner Tante und meinem Onkel in Bayern im Urlaub, und ich erzählte ihnen einiges. Sie leiteten später wichtige Schritte ein, dazu später mehr. Ich erzählte ihnen nicht von den Vergewaltigungen, nur von den üblichen Misshandlungen. Mein Vater mischte übrigens auch teilweise mit, auch wenn er bis heute nichts von den Vergewaltigungen erfuhr. Als ich aus Bayern wiederkam, hatte sich etwas verändert, und zwar zogen wir 2 Tage später um. Ich denke, dass es eine Taktik war, dass Jugendamt loszuwerden, dass ja trotz allem hellhörig wurde. Mein Onkel aber schaffte es zu veranlassen, dass ich vorläufig in ein Kinderheim kam, wo ich einen Monat lebte, jedoch trotz allem nicht vor meiner Stiefmutter sicher war. Denn sie fing mich oft nach der Schule ab und bedrohte mich.
In dieser Zeit im Heim wurde mir erst einiges klar, was mit mir gemacht wurde und soweiter. Ich bekam Depressionen, ich verletzte mich jedoch nie selbst, da ich panische Angst vor der verletzung meiner Haut habe.
Jedoch brach ich öfter, auch in der Schule, in Panikattacken zusammen, oder zertrümmerte im Heim mein halbes Zimmer in einem Wutanfall. Manchmal war ich aber auch total ausgeglichen, als wär nie was gewesen.
Während meiner Zeit im Heim nahm ich Kontakt zu Timo und meiner Mutter auf, und sie nahmen mich auf. Meinem Vater wurde einiges klar, als ich zu ihnen zog, und er trennte sich von Anett.
Mit ihr hatte ich seid diesem Tag nichts mehr zu tun. Aber dennoch habe ich nie jemandem mehr erzählt, als sie zugelassen hätte, ausser einigen wenigen Menschen.
Hier bei meiner Mutter habe ich angefangen, ein Leben zu beginnen. Ich habe sogar eine Freundin, dennoch werde ich nicht glücklich.
Ich breche oft grundlos in Heulkrämpfen zusammen, zumal sich hier niemand wirklich um mich kümmert. Ich bin manchmal wirklich ein ganz normaler Mensch, doch bereits in der nächsten Sekunde starre ich an die Wände, fange an, Dinge zu verbrennen, auf mich einzuprügeln, weil ich mich für mich hasse, weil ich mir oft selbst die Schuld zugesprochen habe, für das was geschah. Ich kann von einer Sekunde auf die andere sterben wollen, oder einen Hass auf meinen Gegenüber entwickeln, der nicht selten auch in einem tätlichen Angriff enden kann. Besonders schlimm war es, als mir mein Bruder mal eine Backpfeife gab, und alles in mir hochkam. Ich bin absolut ausgerastet, habe mir Stühlen um mich geworfen, eine Scheibe zerstrümmert, einen Wohnzimmertisch und meinen Bruder fast erstickt.


Ich weiß einfach nicht mehr wie ich damit klarkommen soll. Mein gesamtes Umfeld leidet darunter, vorallem meine Freundin.
Ständig ändert sich meine Laune, und mein Gefühl. Ich kann erst eigentlich ganz glücklich sein, und dann keine 2 Sekunden später, raste ich völlig aus, werde aggressiv und und und.
Dazu kommt noch, dass ich soviel Wut und Zorn in mir rumtrage. Ich hasse immer alle um mich herum, alle die damals was mit mir zu tun hatten. Ich hasse sogar manchmal meine Freundin, einfach weil sie mich nervt.

Was soll ich tun? Ich hab schoneinmal überlegt, ob ich nicht in die Psychiatrie gehe, aber wie soll ich das meinen Brüdern und meiner Mutter erzählen? Die checken nämlich gar nichts, am wenigsten meine Mutter, die sitzt den ganzen tag nur vorm PC, in der Küche schimmelt schon alles.

Mir platzt einfach der Kopf. Was soll ich tun, sagt es mir.

Viele Grüße.

Marie Anwort von Marie

Lieber Nerevar,

vielen Dank, dass du dich uns anvertraut hast. Es ist dir sicher sehr schwer gefallen, über all das zu schreiben.
Als ich deinen Text gelesen habe, hat mich das sehr traurig und wütend gemacht. Ich kann wirklich nicht verstehen, wie Menschen einem anderen so etwas antun können, und es tut mir unendlich Leid, dass du das alles durchmachen musstest.

Ich glaube, kein Mensch kann das alles ganz allein ohne fremde Hilfe bewältigen. Deshalb möchte ich dir eine Therapie ans Herz legen. Zum einen, um all das, was dir passiert ist, zu verarbeiten - und zum anderen, damit es dir in Zukunft wieder besser geht. Du kannst lernen, deine Wut zu kontrollieren und die Schuldgefühle und den Hass gegen dich selbst abzubauen. Das ist auch eine wichtige Voraussetzung, um mit den Menschen in deiner Umgebung besser zurecht zu kommen. Das wird eine ganze Weile dauern und ist nicht von heute auf morgen zu schaffen, es wird vielleicht auch Rückschritte geben, bevor es besser wird - aber Schritt für Schritt kannst du dein Leben wieder lebenswerter und ausgeglichener gestalten. Es wird kein leichter Weg, aber ich bin mir ganz sicher, dass du das schaffen wirst. Bei allem, was du durchgemacht hast, glaube ich, dass in dir sehr viel Kraft steckt und ein sehr starker Wille, etwas zu verändern (auch wenn du das manchmal vielleicht selbst nicht so wahrnimmst) - und das ist die beste Voraussetzung, um damit auch erfolgreich zu sein. Ich finde es übrigens toll, dass du es trotz allem, was passiert ist, geschafft hast, eine Beziehung mit deiner Freundin aufzubauen - das ist wirklich eine große Leistung und viel Wert!
Du musst dich auch nicht unbedingt stationär in der Psychiatrie behandeln lassen, sondern kannst es auch mit einer ambulanten Therapie versuchen. Schau mal hier: http://mein-kummerkasten.de/Soforthilfe/31/Wie-finde-ich-einen-Psychologen.html
und hier: http://therapie.de
Aber selbst wenn sich herausstellt, dass eine stationäre Therapie für dich sinnvoller wäre (der Vorteil liegt u.a. in meist kürzeren Wartezeiten und mehr Therapieangeboten), dann denk bitte zuerst an dich und lass dich nicht davon abhalten, weil deine Mutter es vielleicht nicht versteht. Es geht hier um DEIN Leben, um DEINE Gesundheit und darum, was für dich am besten ist. Wenn du vorher schon einen Therapeuten/eine Therapeutin gefunden hast, kann er/sie dir sicher auch dabei helfen, es deiner Mutter und deinen Brüdern zu erklären. Du musst es ihnen auch nicht in allen Einzelheiten erklären - es sollte reichen, wenn du deine Mutter um ein Gespräch bittest und ihr sagst, dass in deiner vorherigen "Familie" Dinge passiert sind (Beschimpfungen, Schläge), die dich auch jetzt noch belasten und mit denen du noch nicht richtig umgehen kannst, dass es dir deswegen ziemlich schlecht geht und es dir daher sehr wichtig ist, eine Therapie zu machen.

Ich hoffe, ich konnte dir mit meinen Worten zumindest ein kleines bisschen weiterhelfen. Ich wünsche dir von Herzen alles Gute und viel Kraft für deine Zukunft!

Liebe Grüße,
Marie