Problem von Anonym - 18 Jahre

Ich will die Kontrolle nicht verlieren.

Hallo.

Nachdem ich euch schon dreimal erfolglos geschrieben habe, versuche ich es einfach noch ein weiteres Mal und hoffe, dass ich diesmal eine Antwort bekomme.
Mein Problem ist noch dasselbe und ich weiß ehrlich gesagt nicht genau, wie ich anfangen soll bzw. warum ich das überhaupt hier reinschreibe. Aber es ist ja alles anonym und vielleicht könnt ihr mir ja weiterhelfen. Mich beschäftigt das schon so lange, wenn ich zurückdenke, sind das schon mehrere Jahre, dass es mir so geht. Das Problem, das ich habe, bin ich nämlich selbst. Meine Persönlichkeit oder wie auch imer man das nennt.
Ich bin irgendwie... unausgeglichen, auch, wenn das vielleicht nicht das richtige Wort ist. Ich versuche es mal zu erklären. In der Schule und bei meinen Freunden bin ich immer gut gelaunt, mache Witze, bin teilweise so ein bisschen Unterhalter, mache Unsinn und bin teilweise auch ziemlich kindisch oder albern. Ich genieße das. Es ist nicht so, dass ich mit meinen Freunden nicht auch über ernste Dinge rede, ich wollte nur damit sagen, dass ich viel Spaß mit ihnen habe. Und ich spiele das nicht vor, ich bin wirklich glücklich dabei. Aber zuhause gibt es Phasen, in denen ich in ein Loch falle. Ohne Grund. Ich habe auf nichts Lust, kann mich zu nichts aufraffen. Dann habe ich so komische Gedanken, von denen ich nicht weiß, woher sie kommen. Manchmal habe ich das Gefühl, sie kommen von außen in meinen Kopf. Dann kenne ich mich selbst kaum noch. Zum Beispiel muss ich ständig an meine Pulsadern denken. Nicht daran, sie aufzuschneiden, mir wird schon schwindelig, wenn ich nur daran denke, es ist mehr so, als seien meine Handgelenke hypersensibilisiert und ich würde mir am liebsten etwas fest darum wickeln, um sie zu schützen. Vor was? Ich weiß es nicht. Sie kommen mir wie eine Schwachstelle meines Körpers vor, so dass ich denke: Ein Schnitt - und es ist vorbei. Dieses Gefühl der Entblößung lässt mich dann stundenlang nicht los. Oder es wird auf einmal ein Gedanke in meinen Kopf geschoben, der mich nicht mehr loslässt und den ich immer wieder wiederhole. Einmal stand ich im Bad vor dem Spiegel und habe mir mit Kajal Gitterstäbe auf den Körper gemalt. Warum? Ich weiß es nicht.
Ich bin eigentlich ein ruhiger Mensch. Meine Freunde rufen mich an, wenn sie Probleme haben, weil sie das Gefühl haben, ich verstehe sie immer. Aber manchmal raste ich aus, obwohl es gar keinen richtigen Grund dafür gibt. Ich merke es selbst und hasse mich dafür, wie ich die Kontrolle verloere, und um sie zurückzuerlangen, schlage ich manchmal mit der Faust gegen die Wand, dass es richtig wehtut. Hinterher ärgere ich mich über mich selbst, dass ich es wieder nicht geschafft habe, ruhig zu bleiben. Ich habe keine schlimmen persönlichen Probleme, ausgenommen vielleicht die Beziehung zu einer meiner Freundinnen, die etwas kompliziert ist. Manchmal hasse ich sie richtiggehend, aber ich kann die Freundschaft zu ihr nicht beenden, obwohl ich weiß, dass sie mich manchmal einfach ausnutzt. Das ist keine Anschuldigung, sondern leider eine Tatsache. Aber ich habe, wie ich oben schon erwähnt habe, auch andere Freundinnen, mit denen ich mich richtig gut verstehe, so dass das keine ständige Belastung für mich ist. Früher war ich abhängiger von dieser einen Freundin, weil ich sonst immer eher eine Außenseiterin in der Schule war, da ich schon immer Klassenbeste war. So ist das halt leider oft in der Schule und ich musste mir da auch einiges anhören, aber inzwischen ist das zum Glück nicht mehr so.
Jetzt bin ich etwas vom Thema abgekommen.
Das einzige Problem mit meinen Freunden ist, dass sie nicht wissen, wie ich manchmal die Kontrolle verliere.
Was mir auch Gedanken macht, sind meine Ängste. Ich habe das Gefühl, dass ich mich selbst damit einenge, aber ich weiß nicht, was ich dagegen tun soll. Ich habe Höhenangst, Klaustrophobie, Angst vor Menschenmassen, vor hoher Geschwindigkeit und Angst vor Hunden und weiß, abgesehen von der Angst vor Hunden, nicht woher diese Ängste kommen. Es ist nicht so schlimm, dass ich mich nicht auf hohen Gebäuden oder in Menschenmassen aufhalten könnte, aber ich habe eben Angst dabei und versuche Situationen, in denen es dazu kommen könnte, zu vermeiden.
Ich bin irgendwie widersprüchlich.
Wenn ich mich in einen Menschen verliebe, schwebe ich wie auf Wolken und habe auch kein Problem damit, ihn \"passiv anzuflirten\" (ich nenne das so, weil ich leider sehr schüchtern bin). Aber wenn ich nur das leise Gefühl habe, dem Anderen könnte es vielleicht ähnlich gehen wie mir, kriege ich Panik. Irgendwie
sehne ich mich nach Nähe, aber fürchte sie gleichzeitig. Ich hatte noch nie einen Freund. Das ist kein Problem. Ich sage mir, ich brauche keinen. Nur weiß
ich manchmal selbst nicht, wohin mit mir. Ich weiß nicht genau, wie ich es anders ausdrücken soll, als dass es so einen Zwiespalt in mir gibt.
Ich liebe meine Familie über alles, aber manchmal staut sich in mir so eine Wut auf, dass ich das alles nicht mehr ertragen kann. Manchmal, wenn ich mit meinem Vater rede, würde ich ihm am liebsten ins Gesicht sagen, dass ich ihn verachte. Ihn hasse. Dabei habe ich eigentlich eine sehr gute Beziehung zu ihm! Ich will die Freundschaft zu dieser einen Freundin nicht beenden, bzw. ich will es nicht, aber trotzdem gibt es eine Ecke in mir, die voller Hass auf sie ist, weil ich weiß, wie oft ich früher wegen ihr geweint habe. Und gleichzeitig hasse ich mich selbst für diesen Hass, der manchmal rausbricht.
Manchmal habe ich Angst, dass ich verrückt werde.
Aber, und das ist das Komische daran, nur manchmal. Phasenweise. Manchmal sind die Pausen zwischen diesen Phasen wochenlang. Oder sogar monatelang.
Aber irgendwann kommen sie wieder.
Was ist das? Was kann ich dagegen tun?
Ich will die Kontrolle nicht verlieren.
Bitte sagt mir nicht einfach so etwas wie, \"sprich mit einem Psychologen darüber\". Ich will das meinen Eltern nicht antun. Das hat verschiedene Gründe... einer ist, dass ich nicht einfach zu ihnen gehen kann und sagen \"Hey, ihr wusstet es nicht, ich habe über 18 Jahre lang so getan, als wäre alles okay, aber jetzt möchte ich zu einem Psychologen gehen.\"
Ich habe nicht so getan, als ob alles okay ist. Nur ist mein Problem in mir drin und keiner ahnt, dass es überhaupt existiert. Ich weiß ja noch nicht mal, ob es ein Problem ist, dass es wert wäre, es mit jemandem zu besprechen. Ich hab mir jetzt einfach alles von der Seele geschrieben. Bitte sagt mir ehrlich, was ihr darüber denkt. Ich weiß langsam gar nichts mehr. In diesen Phasen mache ich mir selbst Angst.
Aber nur dann.
Manchmal vergesse ich das alles sogar, aber irgendwann holt es mich immer wieder ein.
Ist das normal?
Bin ich normal?

Danke, dass ihr euch das alles durchgelesen habt. Irgendwie musste es jetzt raus. Danke.

Marie Anwort von Marie

Liebe Ratsuchende,

auch wenn du es nicht hören willst: Ich würde dir raten, mal mit einem Psychotherapeuten darüber zu sprechen.
Da Therapeuten direkt mit der Krankenkasse abrechnen, müssen deine Eltern auch nichts davon erfahren, wenn du das nicht möchtest.

Ich habe einfach Angst, dass sich deine Wutanfälle vielleicht irgendwann "verselbstständigen" und du dann Dinge tust, die du im Nachhinein bereust. Wenn du Angst davor hast, die Kontrolle zu verlieren, dann wäre es doch sinnvoll, zu lernen, wie du das vermeiden kannst, oder?
Auch was die Ängste angeht, kann es passieren, dass diese im Laufe der Zeit immer schlimmer werden und sich ausweiten, bis du dich vielleicht irgendwann gar nicht mehr aus dem Haus traust (klingt jetzt vielleicht übertrieben, kommt aber häufig vor). Auch um das zu verhindern, kann eine Therapie sinnvoll sein.
Außerdem wäre es eine gute Möglichkeit für dich, dich selbst besser verstehen zu lernen.

Falls wirklich eine psychische Störung hinter deinen Problemen steckt, wäre es auch nicht verwunderlich, dass es zwischen diesen Phasen immer wieder längere Pausen gibt, in denen du dich ganz normal fühlst. Das kommt häufig vor, wobei es passieren kann, dass diese Phasen mit der Zeit immer schlimmer werden bzw. häufiger auftreten.

Leider kann ich keine "Ferndiagnose" stellen und dir auch keinen besseren Rat geben.
Falls du dich dafür entscheidest, mal mit einem Therapeuten zu sprechen, können dir diese Links weiterhelfen:
http://mein-kummerkasten.de/Soforthilfe/31/Wie-finde-ich-einen-Psychologen.html
http://therapie.de
(am besten gleich bei mehreren anrufen, um wirklich jemanden zu finden, mit dem du gut klarkommst).

Ich wünsche dir alles Gute!

Liebe Grüße,
Marie