Problem von Anonym - 16 Jahre

Bin ich wirklich Depressiv?

Hallo,
ich schreibe jetzt schon paar mal an euch, bin leider noch nicht drangekommen. Das ist aber nicht so schlimm, weiß ja das ihr viele probleme habt.
Jetzt aber zu meinem.

Letztes Jahr war für mich ein Horror-Jahr. Anfang des Jahres 2010 fing es bei mir an, das ich mich immer weiter hinter dem PC versteckte. Das ich mich immer weiter Isolierte. Mein einzigster Kontakt zu meinen Freunden war die Schule. Und auch wenn ich es nicht gemerkt habe, die Schule war für mich immer eine sehr gute Zeit. In den Ferien hatte ich nahezu garkein Kontakt mehr zur Aussenwelt mal abgesehn vom Internet. Ich saß die ganze zeit Zuhause rum und tat nichts anderes als Zocken.

Schlimm wurde es dann, als die Sommerferien kamen, den das war für mich mein letzter Tag an der Schule, wo ich jeden Tag mit meinen Freunden rumhängen kann. Zu allen überfluss bin ich dann auchnoch Umgezogen für meine neue Schule. Und ab da wurde es richtig Schlimm. Ich saß nurnoch zuhause rum, habe nichts mehr gemacht, kein Antrieb, keine Interessen mehr.. kein Kontakt zu alten Freunden, keine neuen Freunde. Ich hab nurnoch am Computer gesessen, resigniert irgendwelche Internetseiten durchgesehen und gezockt. Ansonnsten war ich zu nichts mehr zu gebrauchen. Teilweise war ich richtig aggressiv, leicht reizbar, überempfindlich. Teilweise war mir zum heulen zumute. Allerdings habe ich mich im allgemeinen mehr Tot als Lebendig gefühlt.

Irgendwann kamen die Selbstmordgedanken und ich war kurz davor, im laufe einer Kurzschlussreaktion, eine überdosis Schlaftabletten zu schlucken. Einfach Einschlafen, nie mehr aufwachen.

Gegen Dezember 2010 wurde es dann wieder besser. Dachte ich. Doch in wirklichkeit habe ich es einfach nur verdrängt.

Jetzt spüre ich wie alles wieder hoch kommt. Wie es mich ergreift, wie eine Flutwelle. Und wie es mich wieder Mitreißt. In die Tiefe, und ich kann mich nicht mehr halten.
Bin ich wirklich Depressiv?

Marie Anwort von Marie

Lieber Ratsuchender,

danke für dein Vertrauen! Es freut mich, dass du dich an uns gewendet hast, um dir Hilfe zu suchen.

Deine Frage, ob du wirklich depressiv bist, kann ich aus der Ferne leider nicht beantworten. Das kann nur ein Psychotherapeut oder Psychiater in einem persönlichen Gespräch.

Die eigentlich entscheidende Frage ist ja auch eher, wie du aus diesem Tief wieder rauskommst.
Wenn ich es richtig verstehe, dann möchtest du gern etwas an deinem Leben ändern, aber du weißt nicht, wie.
Deswegen möchte ich dich bitten, für dich selbst erst einmal folgende Fragen zu klären:
Was willst du?
Wie soll dein Leben in Zukunft aussehen?
Was soll sich ändern?

Setz dich mal ganz in Ruhe hin und schreibe alles auf, was dir dazu einfällt. Das wird wahrscheinlich eine Weile dauern, aber es ist wichtig, damit dir erst einmal klar wird, wo es hingehen soll.

Und dann nimmst du diese Ziele, die du dir setzen möchtest, und zerlegst sie in ganz kleine Teilziele, die du selbst auch für machbar hältst. Also wenn ein Ziel z.B. heißt: "neue Freundschaften aufbauen", dann wäre der erste Schritt: "mich in der Pause mit jemandem aus meiner Klasse, den ich sympathisch finde, unterhalten". Dann kannst du denjenigen mit der Zeit besser kennen lernen, dich mal mit ihm verabreden, vielleicht über ihn auch wieder neue Leute kennen lernen, usw.

Vielleicht möchtest du auch den Kontakt zu deinen alten Freunden wiederherstellen?
Das kostet zwar sicher erstmal Überwindung, da ihr ja schon recht lange keinen Kontakt mehr hattet, aber sie würden sich bestimmt freuen, mal wieder von dir zu hören. Du kannst z.B. einfach mal bei jemandem aus deinem alten Freundeskreis anrufen, oder hinfahren und sie besuchen.
Wichtig ist, dass du überhaupt erstmal aktiv wirst und den ersten Schritt machst.

Ganz allgemein halte ich es auch für sehr wichtig, dass du dein Interesse und deine Freude am Leben wiederentdeckst.
Wofür hast du dich denn früher interessiert? Eine bestimmte Sportart? Musik? Hattest du irgendwelche Hobbies, die du vielleicht gern wieder aufnehmen würdest?

Mach dir am besten mal eine Liste mit Sachen, bei denen du dir vorstellen kannst, dass du dabei zumindest ein bisschen Freude empfinden könntest. Spazierengehen, Joggen, Radfahren, Schwimmen, etwas lesen, schreiben, malen, fotografieren, Musik hören, einen Ausflug machen, ein Bad nehmen, einen Film schauen, deinen Eltern eine Freude machen, gutes Essen, deine neue Stadt erkunden... vielleicht fallen dir noch weitere Sachen ein. Eventuell hast du auch Lust, einem Verein beizutreten? Dort könntest etwas tun, das dich interessiert und noch dazu neue Leute kennen lernen.
Probier das ruhig alles mal aus und finde heraus, ob dir irgendetwas davon gut tut. Versuche auch, ganz bewusst auf alle deine Sinne zu achten. Wenn du z.B. spazieren gehst: Welche Geräusche hörst du? Wie fühlt sich der Boden unter deinen Füßen an? Oder wenn du etwas isst: Kaue ganz langsam, achte genau darauf, wie das Essen schmeckt und versuche es bewusst zu genießen.
Alle diese Tipps können dir helfen, allmählich deine Lebensfreude wiederzuentdecken und wieder aktiver zu werden.

Solche Veränderungen sind natürlich nicht von heute auf morgen zu schaffen, sondern brauchen Zeit. Und es kann auch passieren, dass mal etwas nicht so klappt, wie du es dir vorgestellt hast, oder dass es Rückschläge gibt. Gib trotzdem nicht auf, sondern versuche es weiter - ich bin sicher, es lohnt sich!

Wenn du das Gefühl hast, aus eigener Kraft nicht aus diesem "Loch" herauszukommen, dann zögere bitte nicht, professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen. Tipps dazu findest du hier: http://mein-kummerkasten.de/Soforthilfe/31/Wie-finde-ich-einen-Psychologen.html

Ich wünsche dir alles Gute und die Kraft, dein Leben so zu gestalten, wie du es dir wünschst!
Du kannst dich auch jederzeit gern wieder an uns wenden, wenn du magst.

Liebe Grüße!
Marie