Problem von Adrian - 15 Jahre

Ich finde mehr und mehr Gefallen an einer weiblichen Rolle...

Hallo,
ich habe auf dieser Seite schon einmal ein Problem eingereicht gehabt. Und das möchte ich wieder tun.
Aber vorher kurz nochmal was zu mir, ich heiße Adrian, bin 15 Jahre alt, ein Junge und bin schwul. Dazu bin ich auch vollständig geoutet und gehe offen damit um. Auch allgemein lebe ich mich wo es nur geht aus. Ich laufe mit auffällig düsteren Punker Klamotten rum, hab lange Haare, die ich nicht selten färbe, lackiere mir eigentlich immer die Fingernägel, hab einige Piercings und seit Kurzem auch ein Tattoo und rauche relativ viel. Zwar ist mir bewusst, dass das gerade für mein Alter kein typisches Erscheinungsbild ist, aber ich fühle mich damit wohl und würde mich auch nicht von abhalten lassen
Da ich auch besonders meine Homosexualität auslebe und man an mir schon eine etwas weibliche Art merkt, hat mich meine beste Freundin auch immer als ihre beste Freundin bezeichnet. Ja, als Freundin, einfach weil wir mehr typische Mädchen Sachen machen, als man mit einem Jungen tun würde. So Dinge eben wie Shoppen gehen, sich attraktive Männer anschauen, schminken und solche Sachen eben. Und hier beginnt mein neuestes Problem:
Dass sie mich als ihre Freundin bezeichnet und mich auch sonst häufiger mal mit etwas weiblichem anredet war bisher immer eher als Scherz gemeint. Aber in letzter Zeit gefällt mir das immer mehr, bis zu einem Punkt, dass mich das sogar erregt. Aus diesem Grund hab ich dann auch mal bei ihr den Vorschlag gebracht, als wir auf eine Party gehen wollten, dass ich mich einfach als Mädchen "verkleide" und quasi auch offiziell als Mädchen gehe, wobei sie das nicht weiß, dass mich diese weibliche Rolle mehr und mehr sexuell erregt. Aber da ich sowieso normal schon längere Haare hab, wenig behaart bin und eher weibliche Accessoires wie lackierte Fingernägel oder ein Bauchnabelpiercing hab, hat man mir sogar ohne Zweifel abgekauft, ein Mädchen zu sein. Es ging sogar so weit, dass ich von einem hetero Typen angemacht wurde und wir rumgemacht haben. Ist sogar damit geendet, dass ich ihm dann einen geblasen hab. Gut, denke mal er was betrunken und hat vielleicht deshalb nicht gemerkt, dass ich eigentlich ein Kerl bin. Und theoretisch hätte man es irgendwann merken müssen, weil ich eine ziemliche Beule in der Hose hatte. Wie ich es schon in meiner früheren Einsendung erwähnt hab, gibt es für mich fast nichts schöneres, als mit einem anderen Jungen rumzumachen und Sex zu haben. Aber das hat dem ganzen nochmal einen ganz eigenen Reiz gegeben. Und es geht ja nicht allein um die Situation, was früher nur ein dummer Scherz war, lässt mich jetzt jedesmal geil werden, wenn mich meine Freundin wieder mit sowas wie "na Schwester?" oder so anschreibt. Dabei geht es mir denke ich nichtmal darum, dass ich weiblich sein will. Ich fühl mich wohl als Kerl...als schwuler Kerl. Aber es fühlt sich so an, als würde dabei meine eher weibliche so hart befriedigt werden, dass ich mich momentan in einer eher weiblichen Rolle mehr als wohl fühle. Ich will das sogar unbedingt wiederholen, als Mädchen verkleidet irgendwelche süßen Typen abschleppen. Auch finde ich es daran toll, dass ich so Outfits tragen kann, die als Junge komisch aussehen. Z.B. stehe ich ziemlich auf Lederklamotten und hab da auch eine enge Lederhose, die eigentlich für Frauen ist. Ich trage diese unheimlich gerne und beispielsweise in Verbindung eines Hoodies sieht das zwar schon recht schwul aus, aber nicht unbedingt scheiße. Aber ziehe ich dazu noch eine Lederjacke an, sieht das dann irgendwie komisch aus. Jetzt hab ich ein ähnliches Outfit als Mädchen getragen, die gleiche Hose, ein Bauchfreies Oberteil und eine Lederjacke und das sah sogar ziemlich attraktiv aus. hab mich so verdammt wohl mit diesem Outfit gefühlt, dass ich damit am liebsten jeden Tag rumlaufen würde.
Auch hat mich meine Freundin scherzhaft oft Schlampe genannt. Einfach weil ich oft mit anderen Jungs Sex hab und auch schon so fragwürdige Dinge getan hab, wie für Zigaretten einen blasen oder mal den "Hintern hinhalten". Aber langsam sehe ich mich auch in der Rolle, quasi so als andere Persönlichkeit. Normal bin ich der schwule Typ, mit den Punk Outfits, zu langen Haaren und Piercings, der draußen gefühlt nur am Rauchen ist, zumindest hab ich den Eindruck, dass mich die Leute so sehen. Aber gleichzeitig bin ich auch der Typ, der sich gerne regelmäßig von anderen Typen ficken lässt (dazu sollte ich erwähnen, dass ich das nur mit welchen mache, die etwa im gleichen Alter sind). Aber nun hab ich das Gefühl, dass es noch eine weibliche Version von mir gibt und es macht mich immer geiler in diese Rolle zu schlüpfen. Mittlerweile hab ich auch das Gefühl, dass ich momentan nur mit meiner Freundin Kontakt hab, weil ich darauf warte, dass sie mich wieder mit was weiblichen Anspricht und ich mich daran aufgeilen kann.
Aber gleichzeitig hab ich auch Angst davor. Ich bin ein Kerl, fühl mich so und will es auch sein. Daher will ich nicht mein Geschlecht in Frage stellen müssen. Ich will nicht in einem Jahr da sitzen und mir denken, dass ich eigentlich als Frau leben will. Ich hoffe einfach so sehr, dass das nur eine Phase ist. Eine Art neuer sexueller Fetisch, der einfach aufregend und was neuartiges ist...

Nuala Anwort von Nuala

Hallo Adrian!

Ich erinnere mich an dich, deine Selbstdarstellung war recht einprägsam ;D Das finde ich nach wie vor sehr cool, dass du dich in deinem Stil und deiner sexuellen Orientierung so sicher bist und es selbstbewusst vertrittst.

Zum Thema geschlechtliche Identität. Nun, nur weil du schwul bist, bedeutet das doch nicht automatisch, dass du deswegen "feminim" bist. Ich sehe das eher als zwei getrennte Merkmale, die bei dir eben zusammenfallen. Vielleicht ist es eben so, dass du gerade WEIL du selbstbewusst und extrovertiert zu sein scheinst, auch deine weiblichen Persönlichkeitsanteile ausleben kannst. Du erlaubst dir sicherlich mehr, gestehst dir diese Freiheiten zu, was viele andere Jungen und Männer tunlichst vermeiden. Ich sehe hier das eigentliche Problem, der Umgang in und durch die Gesellschaft. Wenn wir alle uns in unserem gesamten Facettenreichtum zeigen könnten, hätten wir mit Sicherheit eine deutlich buntere Welt, in der du mit deinem Outfit und deinem Verhalten nur bedingt auffallen würdest.

Psychologisch gesehen ist es normal, dass Individuen verschiedene geschlechtliche Anteile in sich vereinen und manche eher in ein "Extrem" gehen, andere ausgewogener sind usw. - denn der Mensch ist nicht so strikt irgendwo "einzuschubladisieren", auch wenn sich das viele wünschen. Es ist in sehr vielen Bereichen so, dass Personen unterschiedliche Ausprägungen von Verhalten, Eigenschaften und Reaktionen zeigen - und sich das z.B. phasenweise, situationsbedingt oder auf Grund von Entwicklungen verändern kann.

Nun wieder zu dir: Du bist doch bestimmt oft unbeschwert und machst dein Ding. Gerade in der Jugendzeit ist Experimentieren und Offensein für Neues sehr wichtig und erlebt eine Blütezeit. Nun bist verunsichert, weil du das "Weibliche" so stark spürst. Ich sehe da aber keine Schwierigkeit, alle Empfindungen zu leben. Dann erregt es dich eben, mit bestimmten Accessoires und Verhaltensweisen zu spielen, die du mit "Frausein" verbindest. Gleichzeitig bist du ein schwuler Junge. Ich sehe da keinen Widerspruch.
Der Punkt ist doch vielmehr, dass Geschlecht sehr stark gesellschaftlich konstruiert wird. Es ist teilweise total beliebig, was als "weiblich" oder "männlich" bezeichnet und gelesen wird. Schon bei den Babys fängt es an, dass sie den Farben Blau und Rosa zugeordnet werden. Kinder lernen sehr schnell, was sie als "Junge" oder "Mädchen" tun oder lassen müssen, um nicht anzuecken. Das erscheint mir sehr problematisch, weil Freiheiten und wahre Individualität bereits im Keim erstickt werden. Wenn es dich interessiert, kann ich dir das Buch "die Rosa-Hellblau-Falle" empfehlen.
Vielleicht spürst du hier also auch diese Enge deiner Umgebung und lässt dich verunsichern. Mein Tipp wäre, dass du dich einfach auf das konzentrierst, was dir gut gefällt, bei dem dein Herz anfängt zu jubilieren. Dann ist es richtig für dich und muss nicht hinterfragt werden.
Lass dir keine Grenzen setzen, wo du eigentlich frei sein möchtest. Du musst dich nicht reduzieren lassen. Es ist auch nicht entscheidend, WAS man ist, sondern DASS man ist. Stell dich dir doch mal selbst als Regenbogen vor - das ist doch viel schöner, als nur blauer oder grauer Himmel zu sein! ;)

Ich habe dir noch einiges an Input zusammengestellt, weil es bei diesem komplexen Bereich zu Sexualität, Identität und Gender viel zu erforschen und zu reflektieren gibt. Ich kann mir gut vorstellen, dass du da noch ein paar erhellende Momente beim Lesen haben wirst.

- Als weiteren Buchtipp würde ich dir "Queer- eine illustrierte Geschichte" empfehlen.
- Unsere Soforthilfe rund um Selbstzweifel könnte dir etwas bringen: https://mein-kummerkasten.de/Soforthilfe/34/Selbstzweifel.html

Interessante Internetseiten sind unter anderem:
- https://lambda-nord.de/
- https://www.dji.de/themen/queere-jugend/individualitaet-und-normvorstellungen.html
- Du kannst auch nach "queeres Netzwerk" + dein Bundesland suchen.

Und zu guter Letzt habe ich dir ähnliche Fragen aus dem Kummerkasten herausgesucht:
- https://mein-kummerkasten.de/327833/WAS-BIN-ICHGENDER.html
- https://mein-kummerkasten.de/325453/Wer-bin-ich.html
- https://mein-kummerkasten.de/281407/Schwuler-Mann-im-Koerper-einer-Frau.html
- https://mein-kummerkasten.de/330883/Hilfe.html

Beste Grüße und viel Freude am weiteren Ausprobieren! :)
Nuala