Problem von Marcel - 17 Jahre

Leben voller Angst, Hemmungen und Langeweile

Hi liebes KuKa-Team

Die ersten 11 Jahre meines Lebens waren super, und es gibt absolut nichts, was ich, wenn ich es nochmal leben könnte, ändern würde. Wir sind in der Zeit nur einmal umgezogen, lebten immer in typischen Familien-Wohngebieten. Ich war immer draußen, soviel ess ging, traff mich mit Freunden, wir spielten Fußball, fuhren Fahrrad, kletterten auf Bäume... es war super. Ich lernte dann auch jemand kennen, der einen Computer hatte (sowas kannte ich damals noch nicht), und war fasziniert von den Dingern, weil ich auch öfters bei ihm war und wir dann darauf gespielt haben.

Dann, zum elften Geburtstag (anfang der 6. Klasse), geschah es. Ich hatte vorher viel darüber gesprochen, dass ich auch gerne nen Computer hätte, und somit schenkten sie mir einen und gleich mit nem Spiel, was mich besonders begeisterte. Nun nahm das übel seinen lauf, ich wurde innerhalb kürzester Zeit süchtig. Trotzdass ich eine begrenzte Computerzeit von 2 Stunden pro Tag hatte, war alles bis auf den Computer aus meinem Kopf gelöscht, ich ging nicht mehr nach draußen, verlor damit natürlich alle Freunde, zuhause gab es immer wieder Krach, weil ich so bessen von den Computer war, ständig meine Zeit überzog und heimlich dranging. Doch es war mir egal, wozu rausgehen, wenn ich doch gleich GTA 2 zocken konnte? Wozu Freundschaften pflegen, wenn ich doch darüber nachdenken konnte, wie ich mich nachts unendeckt an den Computer schleiche?

Es vergingen ein paar Jahre so, mir war alles egal, hab jedoch immer genug für die Schule getan, um ein Durchschnittsschüler zu sein. Ein Jahrgang wiederholen oder Nachhilfe war nie ein Thema. Ich hatte nie wirklich Freunde, weils mir egal war. Immer 1-2 Kumpel in der Schule, mit denen man sich auch mal getroffen hat. Meistens natürlich zum zocken.

Doch irgendwann kam die Zeit, als ich begann über mein Leben nachzudenken. Es fing zwischen der 9. und 10. Klasse an. Der Alltag sah inzwischen so aus, dass ich aufstand, zur Schule ging und nach der Schule direkt an den PC ging. Da ich um 13 Uhr wieder zuhause war, hab ich erstmal 6-7 Stunden durchgezoggt, dann Fernsehen, und wenn es sein MUSSTE, auf den letzten Drücker vorm schlafen noch nen paar Hausaufgaben hingekritzelt.
Jedenfalls drängten sich dann neue Gedanken in meinen Kopf, und plötzlich sehnte ich mich nach Spass (was mir mein Computer nicht mehr bieten könnte), nach ECHTEN Freunden, solche, mit denen rausgehen konnte, Spass haben konnte, mit denen man über Gefühle reden kann. Die Sehnsucht, Leute außerhalb meiner Familie um mich zu haben, denen ich was bedeutete. Nun ist es natürlich leicht zu sagen: "Zieh los und such dir welche, geh in Bars, Klubs und red Leute an, mehr wie abgewiesen werden kann man nicht, und wenn das sein sollte, who cares?"

Aber in den letzten einsamen Jahren hatte sich natürlich viel mehr an mir geändert.

Ich hatte auf einmal Angst, Angst vor fremden Menschen. Jedes mal, wenn ich "gezwungen" wurd, mit fremden Menschen in Kontakt kommen, kriegte ich Angst. Als wir in der 9. Klasse einen Praktikumsplatz suchen sollten, hockte ich mehrmals über einer Stunde mit dem Telefon in der Hand, bevor ich es geschafft hab, ne Firma anzurufen. Ich bin letztes Jahr nach der 10. Klasse auf ein Berufskollegg gewechselt, der Tag vorm ersten Schultag war der Horror, der Magen schmerzte schon vor Aufregung, weiche Knie, mir war ganz heiß, es hat überall gejukt, es war einfach reine Panik. So gehts mir oft in ähnlichen Situtationen.

Ich glaub, diese Angst kommt daher, dass mein Selbstbewusstsein sich auf einmal auf die Meinung anderer Menschen über mich aufbaut. Wenn ich mit meiner Familie zusammenbin, habe ich das größte Selbstbewusstsein, ich bin sogar richtig Lustig, alle lachen über meine Witze. Einfach weil ich weiß, dass die mich so akzeptieren, wie ich bin. Und kaum verlasse ich das Haus, ist ganz anders... Dann denke ich Sachen wie "Bloß keine Mine verziehen, könnt ja einer sehen und denken ich wär blöd" oder "Wenn ich jetzt über meine Fuß stolper mach ich mich komplett zum Affen". Das geht die ganze Zeit so.
Ich mag es allgemein nicht, alleine rauszugehen, wenn jemand in meine Richtung schaut, bin ja nur ich da -> Folge: Alle Aufmerksamkeit auf mich = Größere Gefahr, dass man mich bei irgendwas peinlichem beobachten könnte. Und mit diesem Gedanken ist mein Selbstwusstsein natürlich 0. Das unangehme ist, das genau in DIESEN Situationen öfters kleinere peinliche Sachen passieren. Ich habe irgendwie das Gefühl entwickelt, dass jeder schlecht über mich denkt, dass, wenn ich Leute tuscheln sehe, ich das Gefühl hab, sie reden über mich, oder wenn Leute mich anschaun, ich mir sofort die schlimmsten Sachen ausmahle, die diese Person über mich denken könnte. Paranoid?


Mein Leben ist total öde, an dem oben beschriebenen Alltag hat sich nichts geändert. Ich habe an materiellen Sachen alles was man braucht oder auch nicht braucht, nen sehr guten Rechner, Flachbildschirm, dicken Fernseher, Heimkinosystem, Video und DvD Spieler, Handy usw., aber diese Sachen stehen auf der Rangliste der Sachen, die glücklich machen, (weit) unter dem Bereich "Soziales Umfeld".
Es ist grad 4:35 morgens, und ich bin immernoch hellwach weil ich nix erlebe was mich müde machen könnte. Vor 4 Tagen war Sylvester, was hab ich gemacht? Nix. 7 Tage davor war Weihnachten, was hab ich gemacht? Nix. Im Herbst hatte ich Geburtstag, was hab ich gemacht? Nix. Immer nur (Schule), Computer, Fernsehen, schlafen. Computer spielen hat inzwischen gar keinen Reiz mehr, es dient nur noch um einen langweiligen Tag nach dem anderen vorbeizukriegen.

Ich schwärme neuerdings gerne Personen nach, denen Beliebtheit, Spass, Geld, Aufregung und so weiter gradezu in den Schoss fällt.
Schaut euch Leute an wie Jimi Blue, 4 erfolgreiche Filme schon im Kindesalter gedreht ohne dass er sich anstrengen brauchte, weil sein Vater ihn da reingebracht hat, nun singt er, verkauft Singles ohne Ende und sieht dabei auch noch gut aus. Wieso kann und hat der alles?
Oder Haley Joel Osment, nur 2 Jaher älter wie ich und schon in mind. 10 Filmen mitgespielt, in 3 oder 4 Hauptrolle, unter anderem unter der Regie von Spielberg und an der Seite von Bruce Willis. Daneben noch in unzähligen Serien, Filmshows und so weiter. Gutes Aussehen ist selbstverständlich. Und das nur weil er mal mit seinem Vater einkaufen war wo zufällig ein Talentscout rumlief :/

Ich weiß, mein leben wird nicht besser indem ich anderen Leute nachschwärme, aber es lenkt ab sich mal vorzustellen, wie es wär, in deren Haut zu stecken oder wie unfair das ist. Hab ja sonst nix zu tun, oder?

Ich stell mir auch oft vor, wie es wär, wenn ich auf einmal weg wär. Wen, bis auf meine Familie, würds stören? Wenn ich weg wär, wärs doch nur ein Computerfreak weniger, von dem man eh nie was sieht oder hört, weil er den ganzen Tag in seinem Zimmer hockt. Manchmal find ich es ehrlichgesagt sogar schade, ne Familie zu haben, die mich liebt, denn wenn nicht,dann könnte ich mich einfach "verschwinden" lassen und würd nur nen bissel Papierkram in irgendwelchen Ämtern zurücklassen. Dann müsste ich diese tägl. Langeweile, diese quälerei wenn ich in die Welt rausmuss, nicht mehr mitmachen. Ist zwar schrecklich sowas zu sagen, aber die Tatsache, eine Familie zu haben die mich liebt und die ich auch lieb, macht mein Leben nicht wirklich spannender. Und mich verschwinden zu lassen, während ich eine solche Familie habe, würd ich mir nie verzeihen, diese schmerzen und verzweiflung die ich an meine geliebten Menschen hinterlassen würde... würd ich nie über mein Gewissen bringen. Kommt also nicht in Frage, keine Sorge, aber man denkt halt über solche Sachen nach...

Es tat gut, mal über sein Leben, seine Ängste zu berichten, mit dem Wissen, dass sie zu den richtigen Menschen kommen. Dies ist ne tolle Seite, hab mir schon viele andere Berichte hier durchgelesen, und es ist schon erschreckend, zu lesen, wie schlimm es andere Leute haben können.

Dana Anwort von Dana

Grüße Dich, Marcel!

Du sprichst u.a. von der Computersucht - kam je der Gedanke, dass Du Dir fachliche Hilfe in Boot holen solltest? Würdest Du immer noch von Sucht sprechen oder ist es wirklich so, dass Du die Kiste auch einfach aus lassen könntest?

Ja, andere haben ein anderes Leben und vielleicht war es auch leichter für sie. Aber wäre die Söhne von Uwe Ochsenknecht ähnlich dem PC verfallen, wäre ihr Leben auch anders verlaufen. Die einen bekommen das mit aus dem Elternhaus - andere jendes. Und es ist sicher auch nicht immer schön, nicht nur Jimi Blue zu sein; sondern dass immer mitschwingt "Der Sohn von Uwe Ochsenknecht" zu sein. Da steckt auch immer ein Stück Erwartungshaltung hinter, oder? Ich bin lieber die Dana, als die Tochter von... (auch wenn ich sehr gerne die Tochter meines Papas bin).

Jedes Leben hat so seine Tücken - ich denke nicht, dass sich die jungen Schauspielern/Sängern, die Du so beneidest, immer pudelwohl fühlen. Und sei es nur, weil ihnen durch den Starrummel die Zeit fehlt, sich um die sozialen Kontakte zu kümmern. Mag er mich? Oder mag er das, was ich auf der Bühne bin? Auch so etwas, was wohl sehr zehren kann.

Also zurück zu Dir: Du hast viele Ängste entwickelt und ich stell "Soziale Phobie" mal einfach in den Raum. Hier findest Du einiges darüber:

http://de.wikipedia.org/wiki/Soziale_Phobie

Erkennst Du Dich selbst wieder? Dann kann ich Dir nur ans Herz legen, Dir die fachliche Hilfe zu holen, damit Du Dein Leben so leben kannst, wie es in Deinen Gedanken und Träumen auch ist.

Wenn Du sagst "Nein, so ist es nicht", dann findest Du hier viele Möglichkeiten und Tipps, um an Deinem Selbstbewusstsein aktiv zu arbeiten:

http://mein-kummerkasten.de/93959/Selbstbewusstsein.html
http://mein-kummerkasten.de/90765/Allein-kein-Selbstbewusstsein-Wie-finde-ich-Freunde.html
http://mein-kummerkasten.de/90626/zu-schuechtern.html
http://mein-kummerkasten.de/89083/Kein-Selbstbewusstsein.html
http://mein-kummerkasten.de/79585/Wie-werde-ich-selbstbewusster.html
http://mein-kummerkasten.de/79277/Ich-hasse-mich-so-wie-ich-bin.html
http://mein-kummerkasten.de/75562/Probleme-mit-anderen-Menschen.html
http://mein-kummerkasten.de/76421/verzweifelt-Selbstzweifel.html
http://mein-kummerkasten.de/73780/Kein-Selbstwertgefuehl.html

Und noch mehr Lektüre:

http://www.zeitzuleben.de/artikel/persoenlichkeit/selbstbewusstsein.html

Du musst nichts allein ertragen und für Dich selbst hinnehmen.

Alles Gute!
Dana